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Von der Qualität, in Gemeinschaften zu denken und zu handeln
Von der Qualität, in Gemeinschaften zu denken und zu handeln

Von der Qualität, in Gemeinschaften zu denken und zu handeln

Das Institut für Tourismus und Freizeit realisiert gemeinsam mit Bregaglia Engadin Turismo und der Andermatt Swiss Alps AG ein Forschungsprojekt, das sich mit der Frage beschäftigt: Wie können Gemeinschaften, sogenannte «Communities», in alpinen Destinationen dazu beitragen, diese ganzjährig zu beleben?

Text: Onna Rageth, Lynn Suter / Bilder: Bregaglia Engadin Turismo, Valentin Luthiger

Schweizer Destinationen in Bergregionen stehen vor der Herausforderung, ihre Gemeinden ganzjährig zu beleben. Einen Ansatz, um die saisonalen Schwankungen in diesen Destinationen zu mindern und gleichzeitig den Tourismus- und den Lebensraum zu verbinden, stellt das «Community Building» dar. «Communities» sind hier als Netzwerke zu verstehen, die sich in solchen Destinationen in unterschiedlichen Konstellationen aus Einheimischen, Zweitheimischen, Gästen sowie Arbeitnehmenden und Arbeitgebenden zusammensetzen. Doch was bedeutet «Qualität» in diesem Zusammenhang? Wie kann der Begriff ausgelegt und wie soll er verstanden werden?

Attraktive Lebensbedingungen schaffen

Eine gute Infrastruktur, eine intakte Natur, nachhaltige Erwerbsmöglichkeiten – all diese Faktoren tragen zu einer hohen Lebensqualität bei, die für eine ganzjährige Belebung einer alpinen Destination notwendig ist. Doch erst durch Begegnungen und Interaktionen von verschiedenen Community-Mitgliedern lebt eine Destination oder eine Gemeinde die Grundlage für individuelle Ausstrahlung und Authentizität. Ganzheitlich betrachtete Communities sind somit ein zentraler Bestandteil der nachhaltigen Entwicklung von Destinationen. Sie basieren auf sozialen Netzwerken, die permanent internen und externen Veränderungen unterworfen sind. Dies zeigt sich unter anderem in den zunehmend flexibleren Lebensentwürfen und -stilen der beteiligten Community-Mitglieder.

Auf Augenhöhe kommunizieren, um Bedürfnisse abzuholen

Bregaglia Engadin Turismo, die Andermatt Swiss Alps AG, Mitarbeitende der FH Graubünden, die Schneesportschule Andermatt, der Heimatschutz Südbünden, der Verein Pro Bondo, Pro Natura Bregaglia und die Società Cacciatori Bregaglia sind allesamt Partner im Forschungsprojekt «Entwicklung nachhaltiger Communities in Destinationen in Bergregionen». Damit das vom Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) finanzierte Projekt erfolgreich umgesetzt werden kann, braucht es innerhalb des Projektteams ein einheitliches Qualitätsverständnis.

Sasc Tacà («küssende Felsen») bei Coltura/Stampa.
Sasc Tacà («küssende Felsen») bei Coltura/Stampa.
«Wir blicken mit Freude und Neugier auf die weiteren gemeinsamen Erkenntnisse.»
Stefan Kern, Chief Communications Officer der Andermatt Swiss Alps AG

Das Forschungsprojekt unter der Leitung der FH Graubünden verfolgt einen sogenannten «Bottom-up»-Ansatz, um Bedürfnisse derjenigen Zielgruppen abzuholen, die am Ende des Forschungsprozesses angesprochen werden. Analog dazu wird auch im Rahmen der Projektarbeit mit den jeweiligen Partnern sichergestellt, dass auf Augenhöhe kommuniziert wird.

«Die enge Zusammenarbeit in einem anspruchsvollen Forschungsprojekt bedingt Vertrauen.»
Eli Müller, Geschäftsführerin von Bregaglia Engadin Turismo

Dies ermöglicht es, praxisorientierte Forschung zu betreiben, die schlussendlich allen Beteiligten einen Mehrwert bietet. Daher ist es nicht verwunderlich, dass das beschriebene Forschungsprojekt eng an das Reallabor Bregaglia Lab der FH Graubünden gekoppelt ist, eine Zweigstelle mit Sitz in Stampa. Der Begriff «Reallabor» weist auf ein Konzept hin, das die Verbindung von Praxis und Forschung konkret etabliert. Wissenschaftliche Problemstellungen können demnach auch im touristischen Setting an denjenigen Orten behandelt und gelöst werden, an denen sie auftreten. Das gilt insbesondere für periphere Destinationen, etwa im Bergell. Dort sind die Einwohnerinnen und Einwohner direkt betroffen und können nicht nur unmittelbar Unterstützung erfahren, sondern auch selbst zu Akteurinnen und Akteuren werden, die den Fortschritt mitgestalten.

Aus wenig(en) mehr machen

Der wichtigste Faktor einer erfolgreichen Community ist das Zugehörigkeitsgefühl ihrer Mitglieder – und damit verbunden das gegenseitige Vertrauen. Nachhaltige Communities zeichnen sich durch kontinuierliche gemeinsame Interessen, geteilte Identitäten und gemeinsame Ziele aus, die angestrebt, unterhalten und gepflegt werden. So entsteht das gewünschte Zusammengehörigkeitsgefühl – ein «Wir»-Verständnis. Die Mitglieder einer Community sind zudem durch das «gemeinsame Schicksal» sowie ein kooperatives und wechselseitiges Engagement auf freiwilliger Basis miteinander verbunden. Eine wichtige Rolle kommt auch der Aufnahme neuer Mitglieder zu. Bisher hat das Projekt gezeigt, dass sich Communities vielfach dann formieren, wenn gemeinsam ein Problem gelöst werden soll. Beispielsweise, wenn in einer Gemeinde noch kein externes Kinderbetreuungsangebot besteht. In so einem Fall könnten interessierte Eltern, Kindervereinigungen wie etwa Pro Junior Grigioni und örtliche Schulen zusammenspannen und eine Kindertagesstätte lancieren – so geschehen im Bergeller Dorf Vicosoprano. Kollektive Zielsetzungen sind in solchen Fällen eine Grundvoraussetzung, sozusagen der Kit, der erfolgreiche Communities zusammenhält.

Damit schliesst sich der Kreis zur anfangs gestellten Frage des einheitlichen Qualitätsverständnisses: In Bezug auf alpine Regionen entspricht «Qualität» dem Ziel, attraktive Lebensbedingungen zur ganzjährigen Bewohnung der jeweiligen Destinationen zu schaffen. In Bezug auf die teilnehmenden Projektpartner ist es die konstruktive und effiziente Zusammenarbeit, die einen gesellschaftlichen Mehrwert generiert. Und hinsichtlich der angesprochenen Zielgruppen ist es die Bewusstmachung, dass in Gemeinschaften zu denken und zu handeln sowohl das Kollektiv als auch das Individuum stärkt. Dann wird aus dem Streben nach Qualität auf allen Ebenen ein Mehr für alle Beteiligten.

Beitrag von

Onna Rageth, Leiterin Bregaglia Lab und wissenschaftliche Projektleiterin, Institut für Tourismus und Freizeit

Lynn Suter, Wissenschaftliche Projektmitarbeiterin, Institut für Tourismus und Freizeit