Wertewandel auf dem Speisezettel – eine Chance für die Landwirtschaft
15. Februar 2021
Kolumne des Bünder Bauer (04/2021) / Text: Werner Hediger / Bild: Markus Spiske / Pexelsm
Es entstehen neue Möglichkeiten und Wünsche. Was einmal das Mass aller Dinge war, ist plötzlich nicht mehr so wichtig. Die Präferenzen von Konsumentinnen und Konsumenten, an denen sich das marktwirtschaftliche System orientiert, verändern sich, einhergehend mit einer grösseren Auswahl an Gütern und Dienstleistungen.
Beachten wir, dass mit steigendem Haushaltseinkommen der Anteil der Nahrungsmittel an den Gesamtausgaben sinkt und der Anteil tierischer Produkte auf dem Teller zunimmt, eine Tatsache, die aufgrund empirischer Untersuchungen schon lange bekannt ist. Auch die Tatsache, dass uns durch internationalen Handel eine breitere Palette an Gütern, das heisst auch an Nahrungsmitteln, zur Auswahl steht, überrascht an sich nicht und lässt sich statistisch dokumentieren.
Zur grösseren Auswahl an Nahrungsmitteln tragen aber nicht nur der Handel mit anderen Ländern, sondern auch der technische Fortschritt und das Aufkommen neuer Lebensstile bei. Die Produktion von und die Nachfrage nach veganen Nahrungsmitteln sind ein Beispiel dafür. Deren Verbreitung manifestiert das Zusammenspiel marktwirtschaftlicher Kräfte und einen Wertewandel hin zu mehr Verantwortung gegenüber Umwelt, Gesellschaft und Tieren. Ein anderes Beispiel ist die zunehmende Nachfrage nach regionalen Produkten, von der auch die Berglandwirtschaft profitiert.
Beide Beispiele können auf den ersten Blick als Widerspruch zu den oben erwähnten Tatsachen gesehen werden. Beide können aber auch als Ausdruck einer Abkehr von der Globalisierung und eines verstärkten Umweltbewusstseins verstanden werden, die typischerweise mit höheren Einkommen und den dadurch erweiterten Wahlmöglichkeiten der Konsumierenden einhergehen. «Nachhaltigkeit auf dem Speisezettel» ist also weniger Ausdruck eines grundlegenden Wertewandels als vielmehr eine logische Konsequenz von Wirtschaftswachstum und der physischen Begrenztheit unseres Planeten.
Gelingt es der Wissenschaft aber, die Methanbildung bei Wiederkäuern einzudämmen, kann sich das Bild wieder ändern. Eine Kuh produziert dann nicht mehr gleich viel Treibhausgase pro Jahr wie ein durchschnittliches Auto, und Fleischessen bekommt wieder einen anderen Status, insbesondere wenn dessen Herkunft regional ist und berücksichtigt wird, welche Rolle Rinder im ökologisch-ökonomischen System einnehmen. Insbesondere im Berggebiet sind sie Graslandveredler und Produzenten eines natürlichen Düngers, der auch für einen nachhaltigen Pflanzenbau unabdingbar ist.
Am Ende entscheiden immer die Konsumentinnen und Konsumenten. Und sie fordern immer vermehrt transparente und nachvollziehbare Informationen zu ihren Nahrungsmitteln, ob zu Hause oder in der Gastronomie.
Dieser Beitrag erschien zeitgleich als Kolumne im «Bündner Bauer».