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Projekt Bestandsaufnahme Kulturerbe der Schweiz

13. Mai 2024

Zielsetzung

Der vom Bundesamt für Kultur (BAK) in Auftrag gegebene Bericht «Übersicht / Bestandsaufnahme Kulturerbe der Schweiz» hatte zum Ziel, eine Ist-Aufnahme der Bewahrung des schweizerischen Kulturerbes zu machen und anhand von erkannten Lücken und Schwächen der Kulturerbepflege Anhaltspunkte für die Strategieentwicklung der AG «Nationale Strategie Kulturerbe» des «Nationalen Kulturdialogs» (NKD) zu liefern.

Akteursanalyse

Aus der Auswertung der vorhandenen Statistiken und der eigenen Akteursanalyse geht hervor, dass entsprechend der föderalistisch geprägten Kulturpolitik in der Schweiz sehr unterschiedlich institutionalisierte Akteure grössere und kleinere Beiträge zur Bewahrung des Kulturerbes leisten (von den 935 ausgewerteten Akteuren sind 46% öffentlich, 37% privat und 17% hybrid). Der bedeutsame Anteil hybrid institutionalisierter Akteure verweist auf eine reichhaltige Verflechtung öffentlichen/staatlichen und privaten Engagements in der Kulturerbepflege. Die vorhandenen Statistiken liefern nur partiell Einblick in die geleistete Arbeit. Detaillierte Informationen liegen zu den Handlungsfeldern (1) Sammeln, (2) Inventarisieren, (5) Zugänglichmachen und (6) Reaktualisieren (Valorisieren) vor. Die Statistiken liefern schwerpunktmässig Daten zu Akteuren, die in der Pflege des materiellen + mobilen Kulturerbes tätig sind. Die Auswertung der Inventare museums.ch und KGS-Inventar zeigt eine ausgeprägte Ungleichverteilung der Akteure auf die drei Haupttypen von Kulturerbe: über 800 Akteure sind im Bereich des materiellen + mobilen Kulturerbes aktiv, 120 im Bereich des materiellen + immobilen Kulturerbes, gut 40 im Bereich des immateriellen Kulturerbes.

Inventarisierung der aggregierten Inventare (Meta-Inventare)

Die Inventarisierung von Kulturerbe ist eine zentrale Voraussetzung für eine systematische Pflege. Die aus der Erhebung von national oder kantonal aggregierenden Inventare hervorgegangene Liste enthält 79 Meta-Inventare. Die Mehrheit dieser Meta-Inventare befasst sich mit materiellem + immobilem Kulturerbe (46), gut abgedeckt erscheint auch das materielle + mobile Kulturerbe mit 29 national aggregierenden Meta-Inventaren. Für das immaterielle Kulturerbe liegen jedoch lediglich vier Inventare vor. Die rechtliche Institutionalisierung der Träger der Inventare verweist auf ein starkes Engagement von öffentlicher (45 Inventare), aber auch privater Seite (29 Inventare).

Expertinnen- und Expertenbefragung zu Lücken und Schwächen in der Bewahrung

Der kritisch analytische Blick auf die Arbeitsfelder der Kulturerbepflege wird ergänzt durch eine qualitative, nicht repräsentative Befragung von Expertinnen und Experten der Kulturerbepflege. Ihre thesenartig verdichteten Aussagen verweisen auf sechs Themenfelder, in denen sie Verbesserungspotenzial ausmachen:

  • Mangelnde Nähe zum kulturellen Schaffen
  • Unklare oder fehlende Zuständigkeiten
  • Fehlende oder widersprüchliche gesetzliche Regelungen
  • Mangelhafte oder fehlende Infrastruktur (insbesondere Hard- und Software)
  • Mangelhafte nationale Koordination
  • Fehlende bzw. mangelhafte wissenschaftliche / fachliche Grundlagen

Trendanalyse im Bereich der Langzeitnutzbarhaltung von Kulturerbe

Die literaturbasierte Trendanalyse im Bereich der Langzeitnutzbarhaltung von Kulturerbe erfasst drei zentrale Entwicklungen, die Handlungsfelder übergreifend wirken: 

  • Verbesserter Zugang und vermehrte Teilhabe der Zivilgesellschaft an Kulturgut.
  • Bedeutungszuwachs von Netzwerkorganisationen bei der Kulturerbepflege.
  • Digitale Transformation der Gesellschaft führt zu neuen gesellschaftlichen Praktiken (mit partizipativem Charakter und niedrigen Einstiegshürden), welche das immaterielle Kulturerbe erweitern.

Wichtigste Zukunftsaufgaben im Lebenszyklus des Kulturerbes Schweiz

Die Autoren berücksichtigen in ihrer Zusammenstellung der wichtigsten Zukunftsaufgaben im Lebenszyklus des Kulturerbes Schweiz das damit verbundene Potenzial, Effektivität und Effizienz der Kulturerbepflege zu steigern (auch Impact auf Professionalisierung und Nachhaltigkeit). Die von den befragten Expertinnen und Experten eingebrachten Impulse werden aggregiert aufgenommen.

  1. Sammeln: Für neue digitale Typen von materiellem Kulturerbe müssen angemessene und praktikable Sammel- und Selektionsstrategien festgelegt werden. Defizite beim systematischen Sammeln bestehen beim materiellen + mobilen Kulturerbe vor allem im Bereich der digitalen Netzwerkmedien und Rundfunkmedien. Beim immateriellen Kulturerbe gehen die Lücken zurück auf grundlegende konzeptionelle Defizite bei der Definition und Operationalisierung eines Kulturerbebegriffes. Aktuelle Formen immateriellen Kulturerbes wie beispielsweise moderne Medienkultur oder Migrationskultur erfahren gemäss Expertinnen- und Expertenmeinung (zu) wenig Pflege. Angesichts fehlender oder mangelhafter Lager- und Speicherinfrastruktur ergibt sich eine weitere wichtige Aufgabe, die auch für das Handlungsfeld Schützen & Erhalten von zentraler Bedeutung ist.
  2. Inventarisieren: Es liegen zwar zu allen Kulturerbebereichen diverse Inventare öffentlich vor, jedoch zeigt sich Entwicklungsbedarf bei deren Aggregation. Vielfältige Innovationspotentiale im Bereich Standardisierung, Vernetzung und neue Softwareprodukte lassen die Inventarisierungsarbeit effektiver und effizienter gestalten.
  3. Erforschen: Es fehlen Forschungsprogramme zu Methoden, Prozessen und Standards für die langfristige nachhaltige Nutzbarhaltung von analogen und digitalen Kulturgütern. Das damit verbundene Forschungsdefizit verschärft sich mit den neuen Herausforderungen rund um den Klimawandel.
  4. Schützen & Erhalten: Beim materiellen + mobilen sowie immobilen Kulturerbe zeigt sich, dass zahlreiche Kulturgüter zwar gesammelt und inventarisiert, aber nicht hinreichend geschützt werden. Grössere Herausforderungen zeichnen sich auch bei der Bewahrung der Dokumentationen von materiellem + immobilem sowie immateriellem Kulturerbe ab. Handlungsbedarf besteht bei den Lager- und Speicherinfrastrukturen. Nachholbedarf besteht beim Schützen & Erhalten von Baudenkmälern und Industriebauten des 20. Jahrhunderts.
  5. Zugänglichmachen: Der Bereich des digitalen Zugangs erlebt einen Innovationsschub: Der Austausch und die Nutzung von Daten wird durch öffentlich zugängliche Maschinenschnittstellen und die Einrichtung digitaler Lesesäle und Portale gefördert. Mithilfe digitaler dreidimensionaler Visualisierungen (3D-Modellierung) eröffnen sich gänzlich neue hürdenfreie Zugänge zu materiellem + immobilem Kulturerbe.

Reaktualisieren (Valorisieren): Beim immateriellen Kulturerbe ist das Gelingen der Kulturerbepflege ganz direkt von einer permanenten Reaktualisierung abhängig. Die von Seiten der Expertinnen und Experten genannten strukturellen Defizite verweisen auf einen hohen Handlungsbedarf.

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