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Gleichstellung auf dem Arbeitsmarkt: woran hapert es?

Webinar zu möglichen Gründen der Ungleichstellung von Frauen und Männer auf dem Arbeitsmarkt und dem «Gender Pay Gap»

26. Mai 2021

Das Zentrum für wirtschaftspolitische Forschung (ZWF) und das Liechtenstein-Institut veranstalteten ein Webinar zum Thema der Gleichstellung von Frauen und Männer auf dem Arbeitsmarkt. Das Eingangsreferat und die Diskussion thematisierten die Herausforderungen und Chancen rund um das Thema Gleichstellung von Frauen auf dem Arbeitsmarkt und dem «Gender Pay Gap». Datum: 20.05.21 / 17–18 Uhr / online via Webex fhgr.ch/seminar-alpenrhein

Das Thema der Gleichstellung von Frauen und Männer auf dem Arbeitsmarkt beschäftigt auch die Wissenschaft nach wie vor. Gemäss Untersuchungen des Bundesamts für Statistik (BFS) aus dem Jahr 2018 verdienen Frauen in der Schweiz durchschnittlich rund 19 Prozent weniger als ihre männlichen Kollegen (BFS, Medienmitteilung, 22.02.2021). Auf der Suche nach möglichen Erklärungen diskutierte die Arbeitsmarktexpertin Christina Felfe de Ormeño diese Phänomene in ihrem Online-Vortrag und präsentierte neuste Zahlen und Erkenntnisse aus Studien aus der Schweiz und Europa.

«Gender Pay Gap» – was erklärt den Lohnunterschied?

  • Bildung? Nein, denn der geschlechterspezifische Lohnunterschied besteht auch innerhalb der Berufsgruppen, wie neue Untersuchungen zur Lohnstrukturerhebung in der Schweiz (BFS, Schweizerische Lohnstrukturerhebung LSE 2020) zeigen.
  • Berufswahl? Zu einem gewissen Teil, da bei den Berufen eine doppelte Segregation stattfindet: Frauen wählen andere Berufe als Männer (horizontale Segregation) und in gewissen Berufsgruppen mit einem hohen Frauenanteil ist das allgemeine Lohnniveau tiefer (bspw. Verkauf, Pflege, Reinigung). Hindernisse auf der Karriereleiter (allen voran bei einer Mutterschaftspause) haben zur Folge, dass weniger Frauen in höhere Kader aufsteigen (vertikale Segregation). In höheren, besser bezahlten Positionen ist der Frauenanteil folglich weiterhin tief. Sowohl die horizontale wie auch die vertikale Segregation mögen den «Gender Pay Gap» jedoch nur zu einem Teil erklären, da dieser auch innerhalb von Berufen mit einem hohen Frauenanteil und in Führungspositionen besteht (vgl. Travail.Suisse, Medienmitteilung, 24.06.2019).
  • Persönlichkeit? Ja, so zeigen es neuste Erkenntnisse. Frauen fordern seltener eine Gehaltserhöhung («women don’t ask»), sprechen seltener über Erfolge und haben höhere Bedenken zu versagen (vgl. KPMG, Women’s Leadership Study, 2019).
  • Kinder und familiäre Verpflichtungen? Ja, denn neuste Untersuchungen aus verschiedenen europäischen Ländern verdeutlichen die Auswirkungen der Geburt des ersten Kindes auf die Einkommen der Mütter und Väter (vgl. Kleven et al. [2019]. Child penalties across countries: evidence and explanations). Der Grund dafür? Hausarbeit und Kinderbetreuung ist nach wie vor mehrheitlich Frauensache. Dies zeigt auch der neue statistische Familienbericht der Schweiz (vgl. BFS, Familien in der Schweiz: Statistischer Bericht 2021). Im Rückschluss bedeutet dies, dass das Arbeitspensum im bezahlten und gelernten Beruf zurückgeht und die negative Einkommenseffekte dieser «Pause» oftmals nicht wieder gutgemacht werden können (vgl. oben genannte Studie).
  • Gesellschaftliche Erwartungen? Ja, so zeigen Umfragen und Studien die weite Verbreitung traditioneller Rollenbilder auf. So sind auch in der Schweiz ein Grossteil der Männer (und ebenfalls mehr Männer als Frauen) etwa der Ansicht, dass Frauen nicht oder nur halbtags arbeiten sollen, wenn im Haushalt kleine Kinder leben (vgl. ISSP Family and Changing Gender Roles, 2012). Davon betroffen ist auch die kinderspezifische Lohnlücke, welche in skandinavischen Ländern, welchen ein progressiveres Rollenbild nachgesagt wird, tiefer ist als in Mittel- oder Südeuropa, wo ein traditionelleres Rollen- und Familienbild nach wie vor vorherrschend ist (vgl. Kleven et al. [2019]. Child penalties across countries: evidence and explanations).

«Gender Pay Gap» – was können wir tun und was bedürfte es noch?

Der Frage was für eine verbesserte Vereinbarkeit von Familie und Beruf hilfreich wäre, ging eine Studie im Auftrag der Frauenzeitschrift annabelle nach (vgl. Sotomo, annajetzt – Frauen in der Schweiz, 2021). Oft genannt wurde dabei etwa weniger Erwartungsdruck bei der Kindererziehung, kostengünstigere externe Kinderbetreuung oder verstärkte Anstrengungen seitens Arbeitgeber. Denn, so die Referentin, profitieren Frauen u. a. von:

  • flexiblen Arbeitszeiten & Arbeitsmöglichkeiten («Home Office») und
  • einer progressiven Unternehmenskultur mit offenen Mitarbeitergesprächen und fairen, transparenten Lohnverhandlungen.

Diese Punkte werden von neuen Studien zu einem gewissen Grad gestützt: So ist der Lohneinschnitt beim ersten Kind bei Frauen und Männern weniger unterschiedlich in Ländern, welche eine Elternzeit resp. einen Vaterschaftsurlaub eingeführt haben (etwa in Spanien, vgl. Kleven et al. [2019]. Child penalties across countries: evidence and explanations). Lohnunterschiede haben mit dem verbesserten Angebot und Zugang zu Kindertagesstätten ebenfalls abgenommen, wie Resultate aus dem Kanton Bern zeigen (vgl. Krapf et al. [2020]. The effect of childcare on parental earnings trajectories, ZEW Discussion Paper). Ganz haben sich die Unterschiede jedoch nicht aufgelöst. Es besteht folglich weiterer Forschungs- und Handlungsbedarf.