Menu
News
Energie und Tourismus – ein Traumpaar?

19. Februar 2020

Energie und Tourismus sind zwei wichtige Wirtschaftszweige des Alpenraums, deren Interessen sich nicht widersprechen mögen sondern gar Synergiepotenziale aufweisen. Wie Energieanlagen touristisch in Wert gesetzt werden können und was es sonst noch dazu braucht, wurde an den Energieforschungsgesprächen Disentis 2020 diskutiert.

Im Rahmen der fünften Energieforschungsgespräche Disentis war das von der FHGR, EPFL und EWZ organisierte Lab dem Thema «Energie und Tourismus» gewidmet. Zwei kurze Eingangsreferate von Romano Wyss (EPFL) und Cyril Ducatez (EWZ) zeigten dem Publikum anhand verschiedener Beispiele bisherige Erfahrungen und Möglichkeiten der touristischen In-Wert-Setzung von Energieinfrastrukturen auf. Anschliessend teilten sich die Teilnehmenden in drei Gruppen auf und diskutierten über die Attraktivität und die Akzeptanz von Energieinfrastrukturen für den Tourismus sowie über Möglichkeiten einer verbesserten Zusammenarbeit zwischen den beiden Bereichen. In der anschliessenden Diskussionsrunde – moderiert von Werner Hediger (FHGR) – wurden zwei Hauptansatzpunkte identifiziert: 1. Die Aufwertung des Images von Energieanlagen mittels neuen Kommunikationsmethoden und 2. die Ausrichtung auf eine Mehrfachnutzung bestehender Infrastrukturen, auch für touristische Zwecke.

Hintergrund

Energie und Tourismus im Berggebiet

Über die letzten 100 Jahre haben sich die Energiewirtschaft und die Tourismusbranche zu zwei Standbeinen alpiner Wirtschaftsregionen entwickelt. So etwa auch in Graubünden, wo sich unmittelbar mit dem Beginn der Nutzung der Wasserkraft zur Stromproduktion auch der alpine Wintertourismus mit der dazugehörigen Infrastruktur dank günstigem Strom entwickeln konnte.

Energieinfrastrukturen prägen alpine Landschaften auch heute noch, so sind etwa die zahlreichen Staudämme kaum mehr wegzudenken und fügen sich – je nach Auffassung – besser oder weniger gut ins Landschaftsbild ein. Von einem wahrlichen Energietourismus kann noch nicht die Rede sein. Der Begriff ist auch in der wissenschaftlichen Literatur noch kaum präsent. Dies hat teilweise auch damit zu tun, dass zahlreiche Untersuchungen zur Wahrnehmung von Energieinfrastrukturen durch die Bevölkerung ein eher düsteres Bild aufzeigen, welches sich in starker Opposition gegen neue Energieanlagen (Wind, PV, Wasserkraft) auch ausserhalb des Berggebiets materialisiert.

Wenn es um die Zukunft der Berggebiete geht, müssen Energie und Tourismus jedoch zusammengedacht werden. Bereits heute sind die beiden Branchen über gegenseitige Beteiligungen stark miteinander verbunden. Weitere Kooperationsmöglichkeiten könnten sich über die Finanzierung zusätzlicher Tourismusangebote durch die Energiebranche oder über eine Bündelung der saisonalen Arbeitskräfte ergeben.

Beispiele von Energietourismus

Obschon sich der so genannte Energietourismus noch im Anfangsstadium befindet, finden sich in ganz Europa einige Beispiele für eine innovative touristische In-Wert-Setzung bestehender Energieinfrastrukturen.

  • Safari in Kohlemine, Tschechien: In einem aktiven Braunkohletagebau können Touristen in Jeeps auf die Pirsch gehen. > Weitere Informationen
  • Route des Wasserstoffs, Deutschland: Mit einer Rundfahrt in einem Wasserstoffbus besuchen Touristen entlang des H2-Netzwerks im Ruhrgebiet verschiedene Unternehmen, welche in der Produktion und Distribution von Wasserstoff tätig sind. > Weitere Informationen
  • Geothermie erleben, Island: Beim Besuch einer Geothermieanlage mit eigener heissen Quelle spüren die Besucher die Energie aus der Erde am eigenen Leib. > Weitere Informationen
  • Wasserkraft erleben, Schweiz: Besucher der Grimselwelt im Berner Oberland erfahren beim Besuch einer Wasserkraftanlage oder der Übernachtung in historischen Hotels mehr über das Potenzial und die Geschichte der Nutzung der Wasserkraft im Berggebiet. > Weitere Informationen

Diese Beispiele zeigen, dass touristische Angebote in verschiedenen Bereichen der Energiewirtschaft entwickelt werden können und auch etwas verrücktere Ideen – bei entsprechender Vermarktung – auf Anklang treffen können. Bisherige Erfahrungen legen nahe, dass solche touristischen Angebote vor allem dann erfolgreich starten, wenn sie unkompliziert über eine Vermarktungsplattform gebucht werden können und ein Akteur aus der Energiebranche mit einer zündenden Idee vorangeht.

Touristische In-Wert-Setzung von Energieinfrastrukturen

Eine zusätzliche touristische Nutzung von Energieinfrastrukturen ist von Anfang an mit in ein Projekt einzuplanen und gilt es offen zu kommunizieren, wie ein Beispiel eines neu geplanten Windparks in der Region Mollendruz (VD) zeigt. Wird neben der Nutzung der Infrastrukturen zur Energieproduktion auch eine touristische In-Wert-Setzung projektiert, bekommt die erfolgreiche Integration der Produktionsanlagen in die Landschaft einen höheren Stellenwert, was sich wiederrum positiv auf deren Akzeptanz durch die Bevölkerung auswirken kann.

Nach wie vor sind Energieinfrastrukturen für den Tourismus nicht attraktiv genug und deren Akzeptanz durch den Tourismus und in der Bevölkerung tief, was die noch wenigen Beispiele von Energietourismus oder die weiterhin schwierige und von zahlreichen Einsprachen begleitete Projektierung neuer Anlagen zeigen.

Vertiefung

Wie Energieinfrastrukturen für den Tourismus attraktiver gestaltet werden könnten, welche Massnahmen zu einer besseren Akzeptanz dieser Anlagen beitragen könnten und inwiefern die Zusammenarbeit zwischen der Energiewirtschaft und der Tourismusbranche verbessert werden könnten, diskutierten die Teilnehmenden des Labs in drei Gruppen.

Attraktivität von Energieinfrastrukturen für den Tourismus

Wie Energieinfrastrukturen für touristische Nutzungen attraktiver gemacht werden können wurde an einem der drei Tische von einer Gruppe Teilnehmender diskutiert. Abhilfe schaffen könnte:

  • eine Bündelung der Angebote, beispielsweise mittels einer Onlinebuchungsplattform,
  • eine verstärkte Sensibilisierung der Bevölkerung mittels Informationstafeln zu den Anlagen und deren Produktionsleistungen – wie etwa beim Solarskilift Tenna (GR).

Neben den oben genannten, exklusiven Beispielen von Energietourismus sind auch andere Angebote mit einem Bezug zum Thema Energie bereits bekannt (bspw. Besichtigung von Anlagen, Bungee Jumping von Staumauern, Seerundfahrten auf Solarschiffen). Dieser kleine, sehr spezialisierte Katalog von Angeboten könnte zukünftig stärker erweitert werden, etwa indem

  • die Staumauerflächen für künstlerische Installationen (Lichtshows) oder Open-Air-Filmvorführungen genutzt werden,
  • mit einem Thermalbad oder Hotel in/an einem Staudamm das Thema Wasser «erfahrbar» gemacht wird.

Akzeptanz von Energieinfrastrukturen für den Tourismus

Wenn es um die Akzeptanz von erneuerbaren Energien und der dafür benötigten Infrastruktur geht, dominieren oft Emotionen den Diskurs. Während Befürworter gerne Themen wie Gesundheit oder Sicherheit in den Vordergrund stellen und die «sauberen Energiequellen» mit den «dreckigen Alternativen» vergleichen, argumentieren die Gegner genauso emotional mit Vorstellungen einer von der Wind- oder Wasserkraft zerstörten natürlichen Umwelt.

Die Akzeptanz solcher Infrastrukturen könnte erhöht werden, indem

  • nationale Akteure eingebunden werden, etwa indem die SBB mit Werbung Kombiangebote für touristische Nutzungen macht,
  • mittels qualitativ hochwertigen Ideen zur touristischen In-Wert-Setzung und verbesserten Informationskampagnen die Bevölkerung für diese Themen sensibilisiert wird,
  • eine stärkere Zusammenarbeit zwischen dem Energiesektor und der Tourismusbranche gefördert wird.

Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen der Energiewirtschaft und dem Tourismus

Eine stärkere Zusammenarbeit zwischen den beiden Branchen erscheint aus Sicht beider Branchen wünschenswert und wird als Grundlage betrachtet für einen nachhaltigen Erfolg und den Aufbau eines Energietourismus. Diesbezüglich gilt es jedoch zuerst eine gemeinsame Grundlage zu schaffen. Offene Fragen sind zu klären betreffend:

  • Koordination und Vermarktung: Wer ist in der Pflicht? Wer geht auf wen zu? Welche überregionalen Akteure sind einzubeziehen (bspw. SchweizTourismus)?
  • Gemeinsamer Nutzung der bestehenden Infrastrukturen: Wie können Energieinfrastrukturen touristisch genutzt werden? Wie können touristische Infrastrukturen für die Energiewirtschaft genutzt werden (bspw. Stromleitung direkt neben Skilift)?

Daneben könnte sich eine Tourismusregion aber bereits mit konkreten Massnahmen – etwa mit E-Mobilität in der Hotellerie – als «smarte Region» vermarkten und diese Kooperation mit dem Energiesektor nach aussen tragen. So wird der alpine Raum zum Vorreiter eines nachhaltigen Tourismus und hinsichtlich der traditionsreichen Energieproduktion und des Verbrauchs aufgrund der touristischen Nutzung zu einem gewissen Grad autark.

Ausblick: Energie und Tourismus – wie weiter?

Eine stärkere Vernetzung von Energie- und Tourismusbranche im Berggebiet soll verstärkt gefördert werden. Denn beide Branchen sind aufeinander angewiesen und aus dem alpinen Raum nicht mehr wegzudenken.

Touristische Infrastrukturen sind für touristische Nutzungen durchaus interessant, wenn innovative Angebote entstehen und gefördert werden. Im Zentrum soll die Begeisterung für Energiethemen stehen, welche bei den Besuchern geweckt werden soll. Zwei Kernthemen sollen dabei aktiv verfolgt werden:

  • Mehrfachnutzung von (existierender) Infrastruktur
    Hier sind gute Ideen und ein stärkerer Wille zur Zusammenarbeit gefragt. Bei der Planung zukünftiger Energieinfrastrukturen soll die touristische Nutzung bereits miteingeplant werden. Diesbezüglich sind auch die unterschiedlichen Interessensgruppen frühzeitig miteinzubeziehen – etwa über einen Stakeholderdialog.
  • Aufwertung des Images von Energieinfrastrukturen
    Hier geht es darum Emotionen zu wecken und mittels einer verstärkten und verbesserten Kommunikation Akzeptanz zu schaffen. Dazu können neue Medienkanäle genutzt werden – etwa indem über soziale Netzwerke mit Edutainment-Inhalten ein jüngeres Publikum für solche Themen gewonnen wird. Nebenbei können auch neue Kooperationen – beispielsweise mit einer Kunsthochschule – helfen neue, innovative Angebote zu schaffen (Staumauerkino, Klangweg, Lichtshow, usw.).

Hinsichtlich der Akzeptanz von Energieinfrastrukturen soll nicht die Zeit Akzeptanz schaffen, sondern die Bevölkerung mittels qualitativ hochwertigen Projekten und gut aufbereiteten Informationen für Energiethemen sensibilisiert werden.

Weitere Informationen

Weitere Auskünfte

Institutsleiter
Prof. Dr. Werner Hediger

Impressionen des Labs

Peter Tromm (FHGR) erläutert, mit welchen Massnahmen Energieinfrastrukturen für den Tourismus attraktiver gestalten werden können. (Foto: ©Atoshi Saha / AlpEnForCe)
Cyril Ducatez (EWZ) präsentiert Ideen zur Steigerung der Akzeptanz von Energieinfrastrukturen für den Tourismus. (Foto: ©Atoshi Saha / AlpEnForCe)
In Gruppen werden im Lab Ideen zur Verknüpfung von Energie und Tourismus erarbeitet. (Foto: ©Atoshi Saha / AlpEnForCe)
Romano Wyss (EPFL) stellt vor, wie eine verbesserte Zusammenarbeit zwischen der Energie- und der Tourismusbranche ausschauen könnte. (Foto: ©Atoshi Saha / AlpEnForCe)