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User-generierte Content-Plattform für individualisierte Schlaganfall-Therapie
User-generierte Content-Plattform für individualisierte Schlaganfall-Therapie

User-generierte Content-Plattform für individualisierte Schlaganfall-Therapie

Die Schweizerische Neurologische Gesellschaft meldet jährlich rund 16 000 Schlaganfälle schweizweit. Das von Innosuisse geförderte Projekt «User-Generated Content (UGC) Management Platform for Personalized Rehabilitation» hilft den Betroffenen, ihre Motivation in der Therapie durch individualisierte Exergames zu steigern.

Text und Bild: Matthias Künzler, Gizem Yilmaz

Schlaganfälle treffen Menschen und ihre Angehörigen meist unerwartet. Die darauffolgende Rehabilitation ist anspruchsvoll, erfordert sie doch von den Betroffenen grosse Ausdauer und Disziplin. Das Projekt «User-Generated Content (UGC) Management Platform for Personalized Rehabilitation» zielt darauf ab, ihre Motivation in der Therapie durch unterhaltsame Übungen in Form von individualisierbaren Exergames (Fitnessspielen) zu steigern. Angehörige können persönliches Material (z. B. Fotos von Freundinnen und Freunden, Familienmitgliedern, angenehmen Aktivitäten) beisteuern, das dann in die therapieorientierten Exergames eingespeist wird. Dadurch lassen sich Therapien individueller gestalten, Motivationsfaktoren der Betroffenen steigern und Fortschritte schneller erzielen.

Vorteile gegenüber bestehenden Plattformen

Im Gegensatz zu bereits existierenden Anwendungen ist die neue Plattform zum einen nicht-proprietär, was es auch externen Spieleentwicklerinnen und -entwicklern ermöglicht, neue Exergames zu programmieren. Zum anderen reduziert das Projekt die Entwicklungskosten und -zeiten, indem diese Exergames nicht medizinisch zertifiziert sein müssen, sich aber mit zertifizierten medizinischen Geräten kombinieren lassen, ohne deren Software zu manipulieren.

Das Institut für Multimedia Production untersuchte durch Interviews mit Betroffenen, Angehörigen und Therapeutinnen und Therapeuten, ob sich die Akzeptanz der Exergames und die Motivation für deren Nutzung mit UGC-Inhalten steigern lassen. Die Patientinnen und Patienten wurden dank der Zusammenarbeit mit der Patientenorganisation Fragile rekrutiert, während die Fachhochschule Südschweiz Fachpersonal befragte, um Einblicke in die Therapieprozesse zu gewinnen.

Angehörige werden aktiv in die Therapie eingebunden 

In den Interviews wurden verschiedene Faktoren identifiziert, die Betroffene zur Therapie motivieren. Unter anderem sind dies das Vertrauen in das therapeutische Team, die Selbstmotivation und der Spass an der Therapie. Viele hatten jedoch Schwierigkeiten, sich selbst zu motivieren. Der Einbezug von Angehörigen wurde als bedeutsam erachtet, obwohl viele von ihnen aufgrund von Zeitmangel oder unzureichender Information Schwierigkeiten hatten, die Betroffenen angemessen zu unterstützen. Die Betroffenen zeigten Interesse an Computerspielen und technischen Therapieumgebungen, betonten jedoch die Notwendigkeit der Abwechslung und Individualisierung zur Aufrechterhaltung ihrer Motivation. Sie wünschten sich auch eine bessere Einbindung in den Alltag und die Möglichkeit, gehört und gefördert zu werden. Die befragten Angehörigen standen der Idee einer Exergames-Plattform mit nutzergeneriertem Inhalt (UGC) grundsätzlich positiv gegenüber und waren bereit, persönliche Inhalte beizusteuern. Das therapeutische Fachpersonal betonte die Bedeutung der emotionalen Stabilität der Betroffenen und die Notwendigkeit, Angehörige aktiv mit einzubeziehen, um die Motivation der Betroffenen zu erhalten und ihre Rückkehr nach Hause zu unterstützen.

Das Projekt wird den Schlaganfall-Betroffenen präsentiert, um ihnen die Möglichkeit zu geben, die Exergames zu testen und den Forschenden ihr persönliches Feedback zu geben.
Das Projekt wird den Schlaganfall-Betroffenen präsentiert, um ihnen die Möglichkeit zu geben, die Exergames zu testen und den Forschenden ihr persönliches Feedback zu geben.

Spass als wichtiger Bestandteil der Trainingspläne

Die Integration der neuen UGC-Plattform in den Therapieprozess erforderte eine eingehende Untersuchung des Therapieablaufs. Dieser beginnt mit der Untersuchung der Patientin oder des Patienten durch das ärztliche Fachpersonal, gefolgt von Informationen seitens des therapeutischen Fachpersonals zum neurologischen Status der/des Betroffenen. Basierend darauf erstellt das therapeutische Team den Therapieplan, der regelmässig angepasst wird. Tägliche interdisziplinäre Besprechungen ermöglichen eine umfassende Bewertung der Situation und die Diskussion weiterer Fördermöglichkeiten.

Das therapeutische Fachpersonal betonte die Bedeutung von Therapiespielen, die Überraschungseffekte bieten und Spass machen, um Langeweile zu vermeiden. Personalisierte Trainingsmöglichkeiten werden als besonders wirksam angesehen. Obwohl der Einsatz neuer Technologien und Geräte in der Therapie von Schlaganfallbetroffenen erwünscht ist, sind deren hohe Anschaffungskosten oft eine Hürde. Aus diesem Grund müssen die meisten Geräte unter den Betroffenen geteilt werden.

Gestärkte Rehabilitation durch bedarfsgerechte Anpassung

Die offene Plattformarchitektur integriert nutzergenerierten Inhalt und externe Exergames-Entwickler, verbessert die Therapieergebnisse und ermöglicht eine bedarfsgerechte Anpassung an die Bedürfnisse der Betroffenen. Familienangehörige werden zu aktiven Partnerinnen und Partnern des Therapieprozesses, was die Qualität der Behandlung steigert und die Rehabilitation professionalisiert. Die Plattform bietet neue Therapiemöglichkeiten für das häusliche Umfeld und erleichtert den Kontakt zum Fachpersonal. Sie sensibilisiert zudem das therapeutische Fachpersonal für die Digitalisierung und trägt zur Marktöffnung bei, was die Innovation in der Schweiz fördert und positive Auswirkungen auf die Betroffenen hat.

Weiterentwicklung für zusätzliche Therapie- und Sportbereiche 

Im Rahmen dieses Projekts wurde eine UGC-basierte Plattform für therapeutische Exergames entwickelt, die bei Schlaganfallpatientinnen und -patienten deren Angehörigen auf gute Akzeptanz stiess. Um diese Innovation auf eine breitere Basis zu stellen, ist die Swissrehamed GmbH unter der Leitung von Joeri Gredig bereit, ein Kompetenzzentrum aufzubauen, das Medizin- und Sportwissenschaftler, Spieledesignerinnen und Gerätelieferanten am Standort Graubünden zusammenbringt. Durch dieses CCE – Competence Center in Exergames – soll die Entwicklung von therapeutischen Exergames auch für andere Therapie- und Sportbereiche vorangetrieben werden.

Zum Projekt:

Das Projekt, das von September 2020 bis Juli 2022 dauerte, wurde vom Wirtschaftspartner Swissrehamed GmbH, den Hochschulpartnern Ostschweizer Fachhochschule (OST), Fachhochschule Südschweiz (SUPSI), sowie dem Institut für Multimedia Production (IMP) der FH Graubünden durchgeführt. 

Beitrag von

Prof. Dr. Matthias Künzler, Projektleiter, Institut für Multimedia Production

Gizem Yilmaz, Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Institut für Multimedia Production