Resonanztourismus als Vermittler zwischen Einheimischen und Gästen
Destinationsmanagement ist ein Kernmodul im Rahmen einer Tourismusausbildung. Da eine Destinationsmanagerin oder ein Destinationsmanager kein «eigenes» Tourismusprodukt distribuieren und verkaufen kann und die Destinationsmanagement-Organisation (DMO) grösstenteils fremdfinanziert ist, sind ein massgeschneidertes Stakeholdermanagement und eine gelebte Destinationsstrategie die Schlüssel zum Erfolg. Sollen Destinationsmanagement-Organisationen weiterhin auf die breite Masse setzen oder können sie es sich leisten, eine spezifische Strategie zu fahren, die nicht alle touristischen Leistungsträger integriert?
Text: Christian Gressbach / Bilder: Joel de Buren/Surselva Tourismus
In einer Tourismusdestination tummeln sich viele Anspruchsgruppen mit diversen Haltungen und Erwartungen. Die Destinationsmanagerin bzw. der Destinationsmanager kann dieser Heterogenität heute kaum mehr gerecht werden. Viele DMO haben ihre Aufgabenbereiche aufgrund der gestiegenen Bedürfnisse angepasst und laden sich diverse Fokusfelder wie Content-Erstellung, Information, Marketing (mit oder ohne Verkauf), Shared Services, Angebotsentwicklung, Destinationsentwicklung etc. auf. Das Zusammenspiel zwischen den Stakeholdern und ihre professionelle Betreuung haben sich zu einer Herkulesaufgabe entwickelt, die für die Wirtschaftlichkeit der Destination entscheidend ist, aber von der DMO kaum mehr konsequent umgesetzt werden kann.
Zudem braucht die Destination eine Strategie für den gesamten Lebensraum, die zwar nie von allen touristischen Leistungsträgern und Einheimischen getragen wird, aber durch die DMO und deren Key-Partner vorgelebt werden muss. Bei der Entwicklung geht es immer um die drei zentralen Aspekte der Nachhaltigkeit, aber ebenfalls um die Produktebene – und in einem Lebensraum oft auch um das kulturelle Erbe. Die eigene Kultur kann durch das Interesse seitens externer Personen und Zielgruppen bewahrt werden, sie kann somit überleben und für die Destination zu einem Alleinstellungsmerkmal (Unique Selling Proposition) werden.
Diese Überlegungen sind mit ein Grund, weshalb das Modul «Destinationsmanagement» im Bachelorstudium Tourismus an der FH Graubünden seit Herbst 2023 die neue Bezeichnung «Sustainable Destination Planning and Development» trägt.
Trend zum Resonanztourismus
Der Resonanztourismus, der vom Zukunftsinstitut im Jahr 2019 in einer Trendstudie erstmals vertieft durchleuchtet wurde, ist eine mögliche Tourismusform, um einen gesunden Tourismus zu entwickeln und zu fördern. Oft stehen Beziehungen im Zentrum einer Reise – so zum Beispiel die Festigung der existierenden Beziehungen zu den Mitreisenden oder der Aufbau von neuen Beziehungen zu Einheimischen. Resonanz kann aber auch gegenüber der dortigen Kultur oder Natur aufgebaut werden. Wichtig ist, sich auf Neues einlassen zu wollen und nicht «fixiert» zu sein. Vielen Menschen geht es heutzutage nicht mehr nur um die Spitze der Maslov-Pyramide, die Selbstverwirklichung, sondern vermehrt auch um eine gewisse Gemeinwohlorientierung. Diese beiden Paradigmen stehen in der heutigen Gesellschaft nicht länger im Widerspruch zueinander. Die bewusste Intensität der Ferienzeit und das einprägsame Erleben der qualitativen Angebote in der Feriendestination werden für gewisse Gesellschaftsgruppen bestimmt zunehmen. Die Qualität der Reiseerfahrung wird nicht mehr nur über Technologien und Superlative verstanden, sondern auch über Beziehungen zu Menschen im besuchten Lebensraum und Beziehungen zur einheimischen Natur. Der Resonanztourismus ist eine Form, die sich nicht an der semantischen Beschreibung digitaler Point-of-Interest-Daten orientiert, sondern an menschlichen Entwicklungsbedürfnissen. Dabei geht es darum, Beziehungen zu Menschen zu gestalten, eine Wir-Kultur zu schaffen und aus schnellen Erlebnissen tiefgründige Erfahrungen zu machen. Der regenerative Tourismus geht in eine ähnliche Richtung: Er will bewirken, dass eine kollektive Beziehung zur Umwelt aufgebaut wird.
Diese schönen Konzepte werden jedoch überrollt, falls die Wirtschaftlichkeit nicht stimmt oder einige grössere touristische Leistungsträger innerhalb der Destination doch zu stark auf die Eigeninteressen schauen bzw. ihr Konkurrenzdenken nicht durch Kooperationsdenken ersetzen können. Der Tourismus ist aktuell immer noch eine Branche, die auf eine kritische Masse und gewisse Frequenzen angewiesen ist.
Gesundheit ist kein Sparfaktor
Langsam aber sicher erkennen einzelne Tourismusbetriebe, dass eine kritische Masse aus gestressten Personen und sinnsuchenden Reisenden erreicht werden kann. Die Wirtschaftlichkeit des Slow-Tourismus brachte, wie der Name schon verspricht, Langsamkeit und Geduld mit sich. Dieser Langmut wird sich auszahlen, spätestens wenn es bei der Zielgruppe um gesundheitliche Aspekte – präventive oder therapeutische – geht, da die Gesundheit als teuerstes Gut kein Sparfaktor ist.
Gesucht: Entschleunigung und Authentizität
Eine gewisse Bewegung zurück zu den Anfängen des Reisens ist erkennbar. Viele Reisen sind anstrengend zu organisieren, zu bewältigen und allenfalls sogar zu reflektieren. Der anfängliche Kurtourismus für eine wohlhabende Bevölkerungsschicht, die nun viel breiter ist als vor 150 Jahren, wird heutzutage wieder in einer ähnlichen Art vollzogen. Komplexe Reisen sind für gewisse Zielgruppen von Interesse und bieten ihnen «Abenteuer». Aber nach den Ferien gestresster zur Arbeit zurückzukehren ist wohl nicht zielführend und kann über einen längeren Zeitraum nicht bewältigt werden. Das Wort «Convenience» wird in der Tourismusbranche oft diskutiert und entsprechende Lösungen für die Gäste sind gesucht. Denn ein zunehmender Teil der Reisenden sucht Entschleunigung und Authentizität. Einzig der «Leistungsdruck» der Gesellschaft bzw. das Mitteilungsbedürfnis beim Erleben von Highlights halten diese Reisenden noch davon ab, vermehrt nach Breslau, Bellinzona und ins Safiental zu reisen statt nach New York oder Luzern. Ferien sind weiterhin ein Prestige-Gut, bei dem die Reiseziele und Reisemotive für ein Grossteil der Bevölkerung «sexy» sein müssen. Eigentlich ist es widersprüchlich, dass diese Reisenden von Werbemitteln mit Fotos von leeren Stränden und leeren Skipisten angesprochen werden wollen und selbst die gleichen Fotos produzieren, aber dennoch von (einer Vielzahl von) Menschen umgeben sein wollen.
Wie anfangs erwähnt, muss sich auch die DMO wandeln bzw. redimensionieren und fokussieren. Dabei sind die zentralen Aufgaben der damaligen Kurvereine (wie die Information und Gästebetreuung vor Ort) gar nicht so abwegig. In einer aktuellen Studie mit dem Titel «Freunde, Verwandte & Events statt Imagewerbung» widerlegt Prof. Dr. Pietro Beritelli von der Universität St. Gallen den Mythos, dass eine DMO durch Werbung «Gäste holen» kann. Der Reiseentscheid basiert zuerst auf der Frage «mit wem», bevor gewisse Influenzfaktoren auftreten.
Somit ist es entscheidend, dass eine Destinationsmanagerin bzw. ein Destinationsmanager die Menschen – egal ob Gäste oder Einheimische – ins Zentrum stellt und mit einer konsequenten und zur Destination passenden Strategie gemeinsam mit den zentralen Stakeholdern die Umsetzung eines «gesunden Tourismus» verfolgt.
Beitrag von
Prof. Christian Gressbach, Dozent, Institut für Tourismus- und Freizeit