Das Wiedererwachen der betrieblichen Gesundheitsförderung
Seit einiger Zeit wird im Bereich Human Resources die betriebliche Gesundheitsförderung wieder stärker in den Fokus gerückt. Unter anderem hat die Coronapandemie das Thema Gesundheit neu positioniert. Gesundheit ist mit Lockdowns und Hygieneanordnungen einerseits zu einem bestimmenden politischen Thema geworden. Andererseits hat die Pandemie die Arbeitsweise der Menschen durch hybride und dezentrale Formen verändert. Häufig werden die verschiedenen Ausprägungen der neuen Arbeitsformen unter dem Begriff «New Work» zusammengefasst. Das Thema «betriebliche Gesundheitsförderung» hat dabei zweifelsohne an Bedeutung gewonnen.
Text: Frank Bau / Bild: Sensopro
Nach einem ersten Boom rund um das Thema «betriebliche Gesundheitsförderung» – nach Verkündung der Ottawa-Charta der Weltgesundheitsorganisation (WHO) im Jahr 1986 – sind in den späten 1990er- und 2000er-Jahren viele, vor allem grössere Unternehmen der Luxemburger Deklaration aus dem Jahr 1997 gefolgt. Darin steht zum Thema «betriebliche Gesundheitsförderung» sinngemäss:
«Betriebliche Gesundheitsförderung (BGF) umfasst alle gemeinsamen Massnahmen von Arbeitgebenden, Arbeitnehmenden und Gesellschaft zur Verbesserung der Gesundheit und des Wohlbefindens am Arbeitsplatz. Dies kann durch eine Verknüpfung folgender Ansätze erreicht werden: Verbesserung der Arbeitsorganisation und der Arbeitsbedingungen, Förderung einer aktiven Mitarbeiterbeteiligung und Stärkung der persönlichen Kompetenzen.»
An der Aktualität und Sinnhaftigkeit dieser Definition hat sich bis heute nichts geändert. Aufgrund der mittlerweile hohen Standards im Arbeits- und Gesundheitsschutz hat sich jedoch der Fokus verlagert: weg von der Pathogenese hin zur sogenannten Salutogenese. Einfach ausgedrückt befasst sich die Pathogenese mit der Vermeidung und Bekämpfung der Ursachen von Krankheit. Die Salutogenese hingegen versucht, Gesundheitsziele zu setzen und Ressourcen zu deren Erreichung aufzubauen. Die Betonung der positiver geprägten Salutogenese könnte eine der Ursachen für das Wiederaufkommen der betrieblichen Gesundheitsförderung sein. Diese positivere Auslegung des Gesundheitsmanagements birgt ein grösseres Potenzial, Mitarbeitende zum Firmeneintritt, zum Verbleib im Unternehmen und zu hohen Leistungen zu motivieren. Ein Schlüsselelement in diesem Kontext sind Systeme des betrieblichen Gesundheitsmanagements (BGM), die aus dem klassischen Angebot gesundheitsfördernder betrieblicher Massnahmen ein Managementsystem mit messbaren Zielen machen. Hierzulande auf dem Vormarsch ist das Label «Friendly Workspace» der Organisation Gesundheitsförderung Schweiz.
Einbindung in die Lehre am Zentrum für Betriebswirtschaftslehre
Im Modul Leadership des Bachelorangebots Betriebsökonomie dürfen die Studierenden für einige Termine selbst bestimmen welche Themen aus ihrer Sicht in diesem Modul bearbeitet werden sollen. Im Herbstsemester 2023 waren dies die Themen Generationenmanagement und betriebliche Gesundheitsförderung. Dem Modultitel entsprechend ging es dabei auch um die Rolle der Führungspersonen im betrieblichen Gesundheitsmanagement. Denn Führungskräfte nehmen eine besondere Rolle ein: Sie haben das Potenzial, die Bedürfnisse der Mitarbeitenden und den aufgabenspezifischen Ressourcenbedarf zu identifizieren. Vor allem die mittleren und unteren Führungsebenen sind wichtig, wenn es darum geht, die angestrebten Ziele und Absichten zu kommunizieren.
Zentrum für Betriebswirtschaftslehre mit grosser Themenvielfalt
Mit den Studienangeboten Betriebsökonomie, Sport Management und Digital Supply Chain Management bildet das Zentrum für Betriebswirtschaftslehre Fachkräfte für die Zukunft aus. Es bietet aber auch in Studiengängen anderer Institute verschiedene Module an, beispielsweise zu den Themen «unternehmerisches Denken und Handeln», «Soft Skills» und «Marketing». Mit über 450 Studierenden und über 100 betreuten Bachelor Theses ist die Lehre am Zentrum für Betriebswirtschaftslehre auch ein Gradmesser für den Bedarf der betrieblichen Praxis. Denn Bachelor Theses werden immer in Zusammenarbeit mit einem Praxispartner verfasst. Die Studierenden bearbeiten reale Problemstellungen im Bereich von Unternehmen, der öffentlichen Verwaltung und anderer Organisationen. So befasst sich eine Sport-Management-Studentin derzeit mit der betrieblichen Gesundheitsförderung aus der Perspektive eines Herstellers von Fitnessgeräten und beleuchtet deren Einsatz in Unternehmen. Sie untersucht, wie Unternehmen die Geräte des Herstellers Sensopro zur Förderung des Wohlbefindens und der Produktivität in unserer modernen Arbeitswelt einsetzen können.
Silvia Müller, die bei den Psychiatrischen Diensten Graubünden (PDGR) für das betriebliche Gesundheitsmanagement verantwortlich ist, berichtete in einem Gastreferat an der FH Graubünden von der guten Struktur des «Friendly Workspace»-Systems, aber auch vom grossen Aufwand, den man betreiben muss, um mit diesem Label ausgezeichnet zu werden. Die PDGR sind überzeugt, dass der Aufwand sich lohnt. Für ihr System der betrieblichen Gesundheitsförderung wurden die PDGR im November 2022 mit dem «Friendly Workspace»-Label zertifiziert. Damit reihen sie sich in die Gruppe der schweizweit ausgezeichneten 100 Unternehmen und Organisationen ein.
Positive Wirkung durch Integration
Das Label «Friendly Workspace» passt in die heutige Zeit und zu den Bedürfnissen der Mitarbeitenden, die Arbeitgebende heutzutage adressieren müssen: Sinnhaftigkeit der Arbeit, gute Arbeitsbedingungen, Wohlbefinden, Wertschätzung und Partizipationsmöglichkeiten. Aus Unternehmenssicht bieten Systeme wie «Friendly Workspace» einen organisatorischen Bezugsrahmen und verankern das Thema im Management- und Zielsystem des Unternehmens. Das hat den Vorteil, dass die betriebliche Gesundheitsförderung zum integralen Bestandteil der Unternehmensstrategie wird. So können auch die Wirkungen der getroffenen Massnahmen beurteilt werden. Die betriebliche Gesundheitsförderung darf und soll den Mitarbeitenden gefallen. Natürlich geht es dabei auch um die Steigerung der Attraktivität des Unternehmens auf dem Arbeitsmarkt. Die Integration von gesundheitsfördernden Massnahmen in den Managementzyklus des Unternehmens und geeignete Systeme zur Evaluation der Wirkungen ermöglichen es, auch innerhalb des Unternehmens positive Wirkungen zu erzielen.
Noch einmal zurück zum Bachelorangebot Betriebsökonomie der FH Graubünden: Die anhaltende Aktualität des Themas «betriebliche Gesundheitsförderung» und das grosse Interesse der Studierenden an dieser Thematik sind Grund genug, das Thema in Zukunft dauerhaft in das Modulprogramm des Vertiefungsstudiums Leadership and Change aufzunehmen. Und auch in künftigen Bachelor Theses dürfte die betriebliche Gesundheitsförderung unmittelbar oder integriert in anderen Aufgabenstellungen aus den Bereichen Human Resources und General Management präsent bleiben.
Betriebliches Gesundheitsmanagement an der FH Graubünden
Auch die FH Graubünden beschäftigt sich mit dem betrieblichen Gesundheitsmanagement. So können etwa alle Mitarbeitenden von einem kostenlosen Beratungsangebot in Zusammenarbeit mit der Firma MOVIS profitieren. Mit der Kostenübernahme für die saisonale Grippe- oder FSME-Impfung, dem Hochschulsportangebot, dem kantonalen Programm «Verwaltung bewegt» und der ergonomischen Einrichtung der Arbeitsplätze werden weitere Beiträge zur Gesundheitsförderung geleistet. Seit Januar 2023 wird das betriebliche Gesundheitsmanagement nicht mehr von einer Kommission betreut: Es ist nun in die Personalabteilung integriert. In einem ersten Schritt wurden die Krankheits- und Unfallabsenzen ausgewertet und analysiert. In einem zweiten Schritt steht die Optimierung der Datenbasis an, um anschliessend konkrete Ziele festzulegen und Massnahmen erarbeiten zu können. Ferner wurde die Kommunikation mit erkrankten oder verunfallten Mitarbeitenden und deren Vorgesetzten intensiviert. So soll schlussendlich ein wirkungsvolles betriebliches Gesundheitsmanagement an der FH Graubünden gepflegt werden.
Beitrag von
Prof. Dr. Frank Bau, Professor für Leadership und General Management, Zentrum für Betriebswirtschaftslehre