Ein zukunftsträchtiges Modell
Die Fachhochschule Graubünden unterhält seit 2021 eine Unternehmenspartnerschaft mit Andermatt Swiss Alps, die strategisch geführt wird und abteilungs- sowie themenübergreifend genutzt werden kann. Sie dient als Modell für zukünftige übergeordnete Partnerschaften der Hochschule.
Text: Andreas Deuber / Bilder: Kim Leuenberger, FH Graubünden
Wer am Schweizer Tourismus interessiert ist, kennt ihn zumindest dem Namen nach: Samih Sawiris, den umtriebigen Unternehmer aus Ägypten, durch den die Entwicklung von Andermatt (Kanton Uri) nach dem Rückzug der Armee eine neue Ausrichtung und Dynamik erhalten hat. Während die Branche in der Schweiz sonst eher kleinstrukturiert und fragmentiert funktioniert, wird in Andermatt dank der Initiative von Samih Sawiris seit einigen Jahren masterplanmässig vorgegangen, und die zu Beginn eher futuristisch anmutenden Vorhaben werden Schritt für Schritt in die Tat umgesetzt.
Im Zentrum der Aktivitäten steht das in Altdorf domizilierte Unternehmen Andermatt Swiss Alps AG, über welches die verschiedenen Immobilien- und Tourismusprojekte realisiert werden. Unter diesen Projekten sticht insbesondere der neue Dorfteil Andermatt Reuss mit Apartmenthäusern, Hotels und Chalets den Gästen direkt ins Auge. Zur Andermatt Swiss Alps AG gehören die beiden Hotels The Chedi Andermatt und Radisson Blu Reussen, ein Golfplatz und eine moderne Konzerthalle. Die Gesellschaft ist darüber hinaus mit 40 Prozent an der Andermatt-Sedrun Sport AG beteiligt, welche die SkiArena Andermatt-Sedrun, die Mountainfood-Restaurants sowie die Schneesportschule Andermatt führt. Die Mehrheit (55 Prozent) an dieser Gesellschaft gehört dem US-amerikanischen Skigebietsbetreiber Vail Resorts, Inc. Mit den Hotels, der Sportinfrastruktur, dem Eventangebot und den Immobilien verfolgt die Andermatt Swiss Alps kein geringeres Ziel, als die «prime alpine destination» zu werden.
Gezieltes Partnermanagement
Diese Ambition und die aussergewöhnlichen Veränderungen in Andermatt weckten das Interesse des Instituts für Tourismus und Freizeit (ITF) der FH Graubünden. Die Forscher:innen des ITF befassen sich mit der Entwicklung touristischer Lebensräume, dem touristischen Strukturwandel und der digitalen Transformation – alles Fragestellungen, die bei Andermatt Swiss Alps ganz oben auf der Prioritätenliste stehen. Und weil das gezielte Partnermanagement von Unternehmen ein wichtiges Element der Hochschulstrategie der FH Graubünden ist, wurde im Jahre 2020 aktiv der Kontakt zu Andermatt Swiss Alps gesucht. Die Reaktion war von Anfang an sehr positiv, und so konnte bereits im Februar 2021 ein Kooperationsabkommen unterzeichnet werden. Für beide Seiten steht der Wissenstransfer im Zentrum; er wird durch einen regelmässigen fachlichen Austausch auf verschiedenen Ebenen und durch gemeinsame Forschungs- und Dienstleistungsprojekte getragen. Auch die Tourismusstudierenden auf Bachelor- und Masterstufe können von der Zusammenarbeit profitieren, sei es direkt durch die Bearbeitung von praxisrelevanten Themen im Rahmen ihrer Abschlussarbeiten, sei es indirekt durch den Besuch von Lehrveranstaltungen, die relevante Fragestellungen am Beispiel von Andermatt aufzeigen. Dadurch kann auch die gewünschte hohe Praxisorientierung im Unterricht sichergestellt werden, zum Beispiel in der Bachelor-Lehrveranstaltung «Built Environment and Tourism». Im Rahmen von Studierendenprojekten wurde zum Beispiel die Frage bearbeitet, welchen Einfluss der Mix von unterschiedlichen Immobiliennutzungen im neuen Feriendorf Andermatt Reuss (einerseits mit Wohnhäusern, andererseits auch mit Gastronomiebetrieben und Einkaufsmöglichkeiten) auf die Verkaufspreise von Wohnungen hat. In einer anderen Bachelorarbeit wurde die Attraktivität von Andermatt Swiss Alps als Arbeitgeberin mit der Attraktivität anderer grosser Tourismusunternehmen in Laax und auf dem Bürgenstock verglichen, was in Zeiten des Fach- und Arbeitskräftemangels sehr relevant ist. Besonders spannend war das Thema einer Masterarbeit, das einen Vergleich zwischen dem sogenannten, durch Andermatt Swiss Alps praktizierten «Community Model» und dem verbreiteten «Corporate Model» zum Gegenstand hatte. Beim Community Model wird eine Destination durch die Tourismusindustrie in enger Kooperation mit der lokalen Bevölkerung und der Wirtschaft entwickelt. Im Gegensatz zum Corporate Model, bei dem eine Destination weniger als Partnerin denn als Ressource betrachtet wird und die lokale Bevölkerung sowie die Umwelt oft eher als Kostenfaktor und Hindernis eingestuft werden.
Kooperation mit hohem Praxisbezug
Auch in den Weiterbildungsangeboten des Instituts für Management und Weiterbildung (IMW) kann die Kooperation mit Andermatt Swiss Alps genutzt werden. So findet Modul 2 des gemeinsam mit der Militärakademie an der ETH Zürich konzipierten Weiterbildungskurses «CAS Strategy with Impact – strategische Erneuerung erfolgreich managen» für hohe Berufsoffiziere und zivile Manager:innen in Kooperation mit Andermatt Swiss Alps vor Ort statt, und der «Case Andermatt» dient als spannendes Anwendungsbeispiel für eine organisationale Transformation. Während vor rund 20 Jahren noch primär die Armee das Leben in Andermatt prägte, ist es heute wieder der Tourismus, der den Ton angibt. Diese eindrückliche Transformation ist das Ergebnis des grössten touristischen Public-Private-Partnership-Projekts der Schweiz. An diesem Beispiel lassen sich die Erfolgs- und Misserfolgsfaktoren grosser Transformationsvorhaben mit jenem hohen Praxisbezug diskutieren, der die Qualität einer Managementweiterbildung ausmacht. Der «Case Andermatt» ist insbesondere für jene militärischen Teilnehmer:innen interessant, die in ihrer Erinnerung das Grün um die Ortschaft Andermatt herum mehr mit einem Schiess- als mit einem Golfplatz assoziieren.
Die Kooperation zwischen der Fachhochschule Graubünden und Andermatt Swiss Alps wird von beiden Seiten als gelungen beurteilt. In Zukunft will die Hochschule weitere Kooperationen nach diesem Modell aufbauen, das sich durch ein zentrales strategisches Partnermanagement auszeichnet, in Bezug auf seine Umsetzung jedoch dezentral und autonom ist, wie es der Kultur von Hochschulen und ihren Mitarbeitenden entspricht. Der permanente und systematische Austausch auf Managementstufe ermöglicht der Hochschule ein vertieftes Verständnis der Herausforderungen auf Unternehmensseite und macht dadurch inter- und transdisziplinäre Lösungsansätze möglich.
Beitrag von
Prof. Dr. Andreas Deuber, Leiter Internationalisierung und Hochschulkooperationen