Menu
Wissensplatz
«Ich will Frauen dazu ermutigen, selber aktiv zu werden»
«Ich will Frauen dazu ermutigen, selber aktiv zu werden»

«Ich will Frauen dazu ermutigen, selber aktiv zu werden»

Selbstständige Kommunikationsfachfrau, Präsidentin von Chur Tourismus, FDP-Grossrätin, Verwaltungsrätin bei der Rhätischen Bahn – Vera Stifflers Kompetenzen sind vielseitig gefragt. Das lebenslange Lernen hat denn auch eine grosse Bedeutung im Leben der 47-jährigen dreifachen Mutter.

Text: Luzia Schmid / Bilder: Yvonne Bollhalder

Frau Stiffler, Sie haben an der Hotelfachschule in Lausanne studiert, sich zur Marketing-Fachfrau mit eidgenössischem Fachausweis ausbilden lassen und schliesslich noch einen Master of Science in Communication Management absolviert. Haben Sie heute ausgelernt?
Ausgelernt haben wir alle nie. Gerade auch im Zuge der aktuellen Debatte um die Erhöhung des Rentenalters ist es wichtig, sich laufend weiterzubilden. Ich würde gerne noch viel dazulernen, etwa im Bereich Controlling und Recht, meine Sprachen auffrischen oder neue in Angriff nehmen. Das heutige Weiterbildungsangebot ist sehr vielfältig – zum Glück auch punkto Form und Gestaltung. Denn für mich ist eine längere physische Präsenz kaum mehr mit Familie, Beruf und Politik vereinbar.

In dieser Ausgabe steht das lebenslange Lernen im Fokus. Sie sind mit Ihrem Werdegang ein gutes Beispiel dafür, dass man nie ausgelernt hat. Wie kam es dazu?
Lebenslanges Lernen ist in vielerlei Hinsicht wichtig: Es ist eine persönliche Bereicherung, der Kopf bleibt fit, man baut sein Netzwerk aus und erweitert den Horizont. Für mich gehört Weiterbildung einfach dazu. Wir erwarten schliesslich von unserem Umfeld auch, auf dem aktuellsten Stand zu sein. Ich habe meine Weiterbildungen nie längerfristig geplant – sie waren das Ergebnis eines momentanen Energieüberschusses oder meiner Neugierde auf Neues. Und sie waren jedes Mal eine riesige Bereicherung für mich.

Sie wurden 2018 in den Verwaltungsrat der Rhätischen Bahn (RhB) gewählt. Das war eine Art Heimkommen, waren Sie doch von 2008 bis 2012 für die RhB im Marketing tätig. Was bedeutete diese Wahl für Sie?
Für mich war diese Wahl in vielerlei Hinsicht wichtig. Da ich fast fünf Jahre bei der RhB tätig war, kannte ich das Unternehmen sehr gut. Meine Kenntnisse aus Tourismus und Marketing einbringen zu können, freute mich. Auch die Verbindungen zwischen Politik, Wirtschaft und Verwaltung sind mir vertraut. Ich finde es wichtig, dass nicht nur Ingenieurinnen und Ingenieure, Finanzfachleute sowie Juristinnen und Juristen in Verwaltungsräten einsitzen, sondern auch Fachleute, die andere Themen besetzen und bei gewissen Fragen genauer hinschauen. Im RhB-Verwaltungsrat sind aber leider erst zwei Frauen tätig – punkto paritätische Vertretung sind wir also noch lange nicht dort, wo ich gerne wäre.

Die Frauenförderung ist für Sie ein Herzensanliegen – auch als Politikerin?
Ich plädiere bei der Chancengleichheit in der Politik immer dafür, dass wir Frauen uns in den obersten Entscheidungsgremien engagieren müssen. Dass ich mich im Verwaltungsrat eines der grössten Arbeitgeber Graubündens engagieren darf, ist für mich eine grosse Ehre. Ich hoffe aber auch, dass ich mit meiner Funktion viele Frauen dazu ermutigen kann, selber in Vorständen und Verwaltungsräten aktiv zu werden. Leider geht das im Kanton nur schleppend voran: Zahlreiche Verwaltungsräte und Geschäftsleitungen bestehen ausschliesslich aus Männern oder haben oftmals nur eine (Quoten)-Frau. Ich fühlte mich zu Beginn im RhB-Verwaltungsrat auch so. Mir scheint aber, dass wir unsere Themen besser einbringen, seit wir zu zweit sind. Das Thema «Frauen in Kaderpositionen» liegt mir sehr am Herzen.

Die RhB wurde vergangenes Jahr in einer Umfrage der Handelszeitung zur besten Arbeitgeberin im Bereich «Verkehr und Logistik» erkoren. Das Unternehmen steht nicht nur für Lohngleichheit, es erhielt auch gute Noten betreffend Frauenförderung. Ist das ganz in Ihrem Sinne?
Das Umfrageergebnis bestätigt die hohe Identifikation der RhB-Mitarbeitenden mit dem Unternehmen. Der Frauenanteil beträgt – branchenspezifisch bedingt – jedoch lediglich 17 Prozent. Die Förderung der Diversität ist in der Unternehmensstrategie als wichtige Stossrichtung verankert. Ich bin überzeugt, dass Frauenförderung zur Arbeitgeberattraktivität beiträgt. Mit neuen Arbeitszeitmodellen und dem Programm «Teilzeit voran» hat die RhB zudem wichtige Weichen gestellt, um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu verbessern.

Die FDP-Grossrätin engagiert sich seit Anfang 2021 als Präsidentin von Chur Tourismus auch für die Hauptstadt.

Wie wichtig ist das lebenslange Lernen in einem Unternehmen wie der RhB?
Um zukunftsfähige Mitarbeitende auszubilden, ist lebenslanges Lernen zentral. Mit ihrer Lernstrategie will die RhB gute Rahmenbedingungen schaffen und eine lernförderliche Führung etablieren. Die Digitalisierung bietet hier grosse Chancen für die Personalentwicklung. Im letzten Jahr etwa wurden ein neues Learn-Management-System und ein e-Learning-Tool eingeführt. Auf diese Weise sind nun multimediale, immersive, personalisierte und datenbasierte Lernumgebungen möglich und die unterschied­lichen Zielgruppen können besser erreicht werden. Dies unterstützt das Unternehmen bei der Erreichung seiner HR-Vision.

«Regional verankert mit nationaler und internationaler Ausstrahlung», diesen Grundsatz verfolgt die Fachhochschule Graubünden. Er passt eigentlich genau so gut zur RhB, oder?
Diese Aussage trifft tatsächlich zu. Die RhB erschliesst den Kanton mit einem 384 km langen Schienennetz und ist somit regional bestens verankert. Sie ist ein beliebtes und verlässliches Transportmittel und als Unternehmen eine attraktive Arbeitgeberin. Als Auftraggeberin mit hoher Bautätigkeit generiert die RhB zudem eine grosse Wertschöpfung im Kanton – und mit dem gesamten Streckennetz natürlich auch touristisch. Apropos international: Mit dem Bernina Express, dem Glacier Express und dem UNESCO-Welterbe Albula/Bernina verfügen wir über Marken mit weltweiter Bekanntheit.

Die FH Graubünden setzt stark auf interdisziplinäre Partnerschaften im Kanton, so auch mit der RhB. Daraus entstand der rollende Sitz- und Innovationsraum «InnoTren», ein Zugwagen, der Teams mit bis zu 15 Personen eine kreative Arbeitsatmosphäre bietet. Welche Chancen sehen Sie in solchen Partnerschaften?
Kooperationen wie die Zusammenarbeit zwischen der Fachhochschule Graubünden und der RhB helfen, eine Brücke zwischen Wissenschaft und Praxis zu bauen. Solche Kollaborationen sind insbesondere im Rahmen der Entwicklung und Umsetzung von Innovationen wichtig. Sie bieten erhebliches Potenzial für die Zukunft, welches es systematisch weiter auszuschöpfen gilt. Die FH Graubünden ist für Wirtschaft, Verwaltung und Politik zu einem wichtigen Sparringpartner geworden.

Über Vera Stiffler
Vera Stiffler, 1974 in Chur geboren, ist seit 2013 als selbstständige Kommunikationsberaterin (Stiffler Kommunikation GmbH) tätig. Zuvor arbeitete sie fast fünf Jahre lang als Leiterin Marketingkommunikation und Events bei der Rhätischen Bahn (RhB) sowie in verschiedenen Marketingfunktionen für Firmen in ganz Europa. Nach der Hotelfachschule in Lausanne und dem Fachausweis Marketingplanerin absolvierte sie einen Master in Kommunikationsmanagement an der Universität Lugano. Stiffler ist Mutter von drei Kindern, FDP-Grossrätin und Präsidentin von Chur Tourismus. 2018 wurde sie in den Verwaltungsrat der RhB gewählt.

Über die Rhätische Bahn
Die Rhätische Bahn (RhB) ist mit rund 1500 Mitarbeitenden eine der grössten Arbeitgeberinnen in Graubünden. Sie bietet jedes Jahr rund 12 Millionen Fahrgästen eine erlebnisreiche Fahrt auf ihrem rund 384 km langen Streckennetz. Ein Drittel davon befindet sich auf über 1500 Metern über Meer, ein Drittel zählt zum UNESCO-Welterbe und ein Fünftel befindet sich auf oder in Kunstbauten. Auch bei der Rhätischen Bahn war das Geschäftsjahr 2020 stark von der Coronapandemie geprägt: Wegen ausgebliebener Passagiere erlitt die RhB einen Verlust von 6,9 Millionen Franken, nach einem Rekordgewinn von 7,1 Millionen Franken im Vorjahr.

Beitrag von

Luzia Schmid, Projektleiterin Hochschulkommunikation, Rektorat