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Die Entfaltung der Individualität fördern
Die Entfaltung der Individualität fördern

Die Entfaltung der Individualität fördern

Als Hochschule haben wir gerade in der Lehre eine besondere Verantwortung. Denn wir können junge Menschen in einer entscheidenden Phase ihrer Entwicklung fördern. Wir sollten sie darin unterstützen, die eigene Individualität zu festigen und die für ihr Leben wichtigen Entscheidungen zu treffen. So leisten wir auch einen Beitrag für die Gesellschaft.

Text: Jürg Kessler / Bilder: FH Graubünden

Die Lehre ist viel mehr als die Vermittlung von Fakten. Solche lassen sich überall abrufen. Doch was wir als Hochschule machen, sollte weitergehen. Wir sind nicht ausschliesslich eine Bildungs- und Forschungsinstitution: Wir wollen den Menschen dabei helfen, sich als Persönlichkeiten weiterzuentwickeln.

Der griechische Dichter Aristophanes (446 – 386 v. Chr.) hat es treffend formuliert: «Menschen zu bilden bedeutet nicht, ein Gefäß zu füllen, sondern ein Feuer zu entfachen.» Und so wollen wir an der FH Graubünden möglichst viele Flammen lodern sehen. Wir wollen den Studierenden – aber auch den Dozierenden, Forschenden und allen anderen Mitarbeitenden – ein Umfeld bieten, in dem sie sich entfalten können. Wenn wir ihnen dabei vorleben können, dass man Sorge zu sich selbst tragen muss, um zu wissen, was man will und wohin man geht, sind wir auf einem guten Weg. So können wir es schaffen, hoch qualifizierte, aber auch wertschätzende und verantwortungsvolle Menschen auszubilden. Wir legen eine Basis, auf der die jungen Menschen aufbauen können, um den richtigen Weg für sich und ihr Leben zu finden.

Leitsätze mit Leben füllen

In ihrem Leitbild hat die FH Graubünden festgelegt, wie sie dies erreichen will. «Wir fördern Vielfalt und Chancengleichheit, aber auch gegenseitiges Verständnis», steht da unter anderem. «Wir verhalten uns ethisch verantwortungsvoll» ist ein weiteres Ziel, das wir festgeschrieben haben. Doch was steckt hinter diesen Leitsätzen? Wie schaffen wir es, diese mit Leben zu füllen und sie zu konkretisieren?

Das sind Fragen, mit denen sich die Fachhochschule als Bildungsinstitution, Forschungsanstalt und Arbeitgeberin tagtäglich auseinandersetzen sollte. Denn wir wollen nicht nur ein Ort sein, an dem die Menschen in ihrer Persönlichkeit wachsen und sich weiterentwickeln können, wir wollen auch der Gesellschaft einen hohen nachhaltigen Nutzen bieten. Nicht Leistungen, eine erfolgreich bestandene Prüfung, ein gewonnener Forschungsauftrag oder gesammelte ECTS-Punkte sind dabei das, was wirklich zählt: Unser Engagement und Herzblut äussern sich vor allem dort, wo es um die Menschen, um die Sinnhaftigkeit geht.

Bereit sein, mehr zu leisten

Und so freue ich mich immer wieder, wenn ich sehe, wie viele Menschen an «ünschara Hochschual» bereit sind, mehr zu leisten, sich freiwillig zu engagieren oder sich solidarisch zu zeigen. Während der Coronakrise zeigte sich dies besonders stark, etwa in Form von Einsätzen für ältere Menschen, bei Bauern auf dem Feld, beim Zivilschutz oder im Militärdienst. Weitere Beispiele dafür sind auch verschiedene Vereinigungen, welche von Studierenden für unterschiedliche Zwecke gegründet wurden. Mit Wohltätigkeitsarbeit oder Nachhaltigkeitsprojekten zeigen die jungen Menschen, dass sie bereit sind, Verantwortung zu übernehmen. Auch intern wurde durch die Kolleginnen und Kollegen ein sehr hohes Engagement zur Bewältigung der Corona-Krise zugunsten der Studierenden und Projektpartnerschaften geleistet.
Das Projekt Cambiela etwa setzt sich für nachhaltige Entwicklungsprojekte in den beiden afrikanischen Ländern Ruanda und Togo ein. Mit diversen Fundraising-Events an der FH Graubünden und in der Stadt Chur sammeln Studierende jeweils Geld, um diese Projekte umzusetzen. Ein weiteres Beispiel ist der Student Hub, der sich für soziale, ökonomische und ökologische Nachhaltigkeit einsetzt. Die erste Durchführung einer «Nachhaltigkeitswoche» hatte 2018 mit verschiedenen Events – wie etwa einem Poetry Slam, dem Zero-Waste-Workshop oder dem Kleider-SWAP – rund 400 Interessierte angelockt. Dafür vergibt die FH Graubünden sogenannte Campus Credits und weist diese im Abschlusszeugnis aus. Diese Punkte belegen, dass die Studierenden bereit sind, mehr zu leisten. Diese Haltung begeistert mich und ist vorbildlich.

Solche Ideen entstehen in einem Umfeld, das anregt. Die FH Graubünden will deshalb nicht nur wissenschaftsbasiert und praxisorientiert handeln, sondern darüber hinausgehen. Sie will auch mit ihren Forschungsprojekten einen Mehrwert bieten – nicht nur für die Menschen, sondern auch für die Region. Durch unseren Beitrag kann die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des alpinen Raums, in dem wir leben, gestärkt werden.

Nachhaltigen Nutzen für die Region stiften

So haben etwa drei junge Tourismus-Studierende im Mai dieses Jahres mit der RenoRent AG ein Start-up gegründet, welches sich um die touristische Aktivierung von renovationsbedürftigen Zweitwohnungen kümmert, die von ihren Eigentümerinnen und Eigentümern nicht mehr genutzt werden und für die letztere auch keine Investitionen mehr tätigen wollen. Die Basis für das RenoRent-Modell bildet eine zeitlich begrenzte Nutzniessung durch eine Gesellschaft. Diese investiert in die kollektive und damit kostengünstigere Renovierung der Wohnungen und macht sie dadurch vermietbar. Die FH Graubünden nimmt sich so eines zunehmenden Problems an: unbewohnte Zweitwohnungen im Alpenraum.

Für unseren Kanton als wichtiges Wasserschloss der Schweiz ist auch die Wasserkraft von grosser Bedeutung. Ihre Zukunft ist eine grosse Herausforderung für die nachhaltige Entwicklung in vielen Regionen, denn die Wasserkraft stellt eine wichtige lokale Industrie und ein Rückgrat der regionalen Volkswirtschaften dar. Die FH Graubünden bietet auch in diesem Bereich wichtige Inputs für den Kanton. Mitarbeitende des Zentrums für wirtschaftspolitische Forschung (ZWF) haben zum Beispiel die regionalwirtschaftlichen Aspekte der Wasserkraft untersucht und eine integrierte Nachhaltigkeitsbeurteilung von Wasserkraftanlagen durchgeführt.

Den Rucksack mit Werten füllen

Das Übernehmen von Verantwortung und damit die Bemühungen um nachhaltige Entwicklung sind wichtige Bestandteile des unternehmerischen Handelns. Mit ihrem Forschungsfeld Corporate Responsibility leistet die FH Graubünden einen wichtigen Beitrag zu einer verantwortungsvollen Grundhaltung. Transparenz, ethisches Verhalten und Respekt werden dabei ins Zentrum gestellt – genau jene Werte, die wir unbedingt unseren Studierenden in ihre Rucksäcke packen wollen.

Und so wollen wir den Menschen an unserer Hochschule ermöglichen, ihre eigene Individualität zu entfalten und ihre Bestimmung durch unsere humanistische Bildung selbst herauszufinden. Ich hoffe, dass wir so jedes Semester von Neuem möglichst viele Feuer entfachen können.

Beitrag von

Jürg Kessler
Rektor, Vorsitzender der Hochschulleitung

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