Als Frau in Politik und Verwaltung punkten
In einer Kursreihe des Zentrums für Verwaltungsmanagement der Fachhochschule Graubünden erhalten Frauen die Möglichkeit, an ihrer persönlichen Marke zu arbeiten. Sie erkennen, welche Leistungen sie weiterbringen, und üben gezielt, ihre Fähigkeiten bei ihrem Gegenüber klar zu positionieren – in der analogen wie in der digitalen Berufswelt.
Text und Bilder: Ruth Nieffer
«Wer alles für alle sein will, ist für niemanden das Richtige.» Autsch. Einige Teilnehmerinnen des Kurses «Personal Branding und Selbstmarketing» ziehen merklich den Kopf zwischen die Schultern. In ihrer freundlich-bestimmten Art kommt Petra Wüst direkt zum inhaltlichen Kern der zwei Kurstage. Es geht um die Frage «Wer bist Du?» und um die Chance, es erfolgreichen Marken gleichzutun: Erfolgreiche Menschen strahlen Vertrauen aus und überzeugen dank einem klarem, authentischem Profil. «Eben wie eine Marke», fügt die promovierte Psychologin lächelnd hinzu.
An der «Marke Ich» arbeiten
«Werbung machen in eigener Sache ist mir eigentlich ein Graus», meldet sich eine junge Frau zu Wort. Sie arbeitet in der Verwaltung und liebäugelt intern mit einer neuen Stelle. Petra Wüst rät ihr zu einem mehrstufigen Vorgehen und stellt allen das Self-Branding-Modell vor. Dieses dient als strategischer Begleiter auf dem Weg zu einer glaubwürdigen Marke «Ich». Vorausgesetzt allerdings, dass jede Teilnehmerin bereit ist, an sich zu arbeiten – auch nach Kursende. Es gilt, eine Markenidentität sowie ein Markenleitbild für sich als Person aufzubauen und schliesslich diese Marke zu kommunizieren.
Gut. Das hört sich ganz unaufgeregt an, so gar nicht nach «die eigene Haut zu Markte tragen zu müssen». Sichtlich erleichtert beschäftigen sich die Teilnehmerinnen in Einzelarbeit mit ihren Stärken, Werten und Leidenschaften – dem Herzstück jeder Marke. Wie bringe ich zum Ausdruck, woran ich glaube, wofür ich stehe und was mich antreibt? Durchaus eine herausfordernde Aufgabe, wie frau sich in der Kaffeepause eingesteht.
Über Stärken sprechen
«Wer von euch blickt noch kurz in den Spiegel, bevor ihr euer Zuhause verlasst?» Petra Wüst blickt fragend in die Runde. «Ertappt», meint eine Teilnehmerin trocken und lacht dann übers ganze Gesicht. Eine um die andere beteiligt sich am Gelächter. Die Stimmung in der Kursrunde ist gelöst. Die vorherige Aufgabe hatte gelautet, am individuellen Alleinstellungsmerkmal (USP) zu arbeiten – zuerst alleine, dann zu zweit und dann zu viert. Jede Teilnehmerin musste dabei über ihre grössten fachlichen, methodischen, sozialen oder individuellen Stärken sprechen. Und jede konnte es. Das hat sichtlich befreit. Die anfängliche Zurückhaltung ist einem vertrauensvollen Umgang gewichen.
«Nun, du bist ja auch eitel», zieht ihre Sitznachbarin sie auf. Wieder Gelächter. Den anderen fällt es ja im Traum nicht ein, ihr Erscheinungsbild zu prüfen, oder? Doch, natürlich. «Also, dann seid auch eitel, wenn es ums Image eurer persönlichen Marke geht», mahnt der Selbstmarketing-Profi. Das Image ist wie ein Puzzle: Sind die Teilchen richtig und satt platziert, hat das Gegenüber ein klares Bild. Sind keine Teilchen oder – schlimmer noch – Teilchen falsch platziert, ist das Bild nicht mehr erkennbar. Sagt’s und weiht daraufhin die Teilnehmerinnen ein, warum sie stets Kleidung in den Farben Rot und Schwarz trägt – in jedem Kurs, auf den Fotos ihrer Website, ihrem LinkedIn-Profil und auch in ihrem Videobeitrag auf YouTube. Wiedererkennungseffekt, ganz einfach.
Heldinnen-Reise
Am Folgetag steht Markenkommunikation auf der Kursagenda. Petra Wüst gesellt sich zu einer Gruppe Kursteilnehmerinnen, die sich angeregt unterhält: «Es geht nicht darum, ob die Politikerin Rock oder Hosen trägt, sondern wie sie darüber hinaus wahrgenommen wird.» Per Mausklick erscheint Angela Merkel auf dem grossen Bildschirm. Gewiss, sie muss niemandem mehr etwas beweisen. Doch auch sie stand einst vor der Frage: Wie stelle ich meine Qualitäten unter Beweis? «Antworten auf dieses Wie findet jede, wenn sie sich zur eigenen Heldinnen-Reise aufmacht», verspricht Petra Wüst.
Im Schulungsraum ist es still. Mithilfe einer Arbeitsvorlage überlegen sich die Frauen, welche Reise wohl am besten widerspiegelt, was jeder Einzelnen wichtig ist, woran sie gewachsen ist, welche Lösungen sie auf Herausforderungen gefunden hat. Diese Heldinnen-Taten gilt es sich zu vergegenwärtigen und dann – pointiert – immer wieder zu erzählen. «Selbstmarketing ist ein Muskel. Man kann ihn trainieren!» «Ebenso notwendig ist es», betont die Referentin, «sein relevantes Umfeld gelegentlich wissen zu lassen, womit man sich gerade beschäftigt oder was man Neues auf die Beine gestellt hat.»
Eigene PR-Agentin sein
Was für die analoge Welt gilt, kann in der digitalen auch nicht schaden. Jede hinterlässt Spuren im Netz, die Erscheinungsbild und Ruf formen. «Gestaltet und pflegt euer Online-Image – bevor andere oder die Algorithmen im Netz es tun.» Darum geht es im zweiten Kurs der ZVM-Weiterbildungsreihe: Social Media professionell nutzen. Su Franke, Fachfrau für Content-Marketing, begrüsst zum Online-Seminar. Die Massnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie zwingen die Referentin wie auch die Teilnehmerinnen mittlerweile ins Homeoffice – jede allein vor ihrem PC sitzend, vereint zu einem «Wir» über visitenkartengrosse Videoanzeigen auf dem Bildschirm.
«Wie möchtet ihr im virtuellen Raum wahrgenommen werden?» Die Teilnehmerinnen tippen. Professionell, authentisch, kompetent, interessant … eine Reihe Adjektive poppen im Chat auf. Su Franke blickt in ihre Kamera: «Und, wie erreicht ihr das?» Eine der Frauen antwortet. Ihre Lippen bewegen sich, sie gestikuliert mit der Hand. «Wir hören dich nicht», meldet sich eine andere. Ach ja, Mikrofon einschalten. Persönliche Interaktion wird zur Herausforderung, nicht nur in den sozialen Netzwerken. Dort sind ein klares Kommunikationsziel und spannende Beiträge mit Bezug zur eigenen Person gefragt. Und mindestens zehn Minuten Zeit pro Woche, rät die Fachfrau. «Es geht um die anderen, nicht um euch.» Paradox, oder? Nein. «Wer von eurer persönlichen Marke überzeugt ist, empfiehlt sie weiter – als eure PR-Agenten in eigener Sache.»
Aus der Kursreihe «Frau in Politik und Verwaltung» findet am 24. September 2020 der Workshop «Erfolgreich verhandeln» statt. Auch 2021 sind erneut Fachkurse für Frauen geplant und die erfolgreiche Zusammenarbeit mit der Stabsstelle für Chancengleicheit von Frau und Mann Kanton Graubünden wird fortgesetzt. Zudem erweitert das Zentrum für Verwaltungsmanagement (ZVM) seine Forschungsaktivitäten im Bereich «Frauen in Politik und Verwaltung» und bereitet eine Erfahrungsgruppe vor.
Beitrag von
Ruth Nieffer
Dozentin, Zentrum für Verwaltungsmanagement