Bedeutung der Integration von Unternehmen in die Angebotsentwicklung
Um langfristig als Fachhochschule erfolgreich zu sein, steht bei der FH Graubünden eine kontinuierliche Weiterentwicklung ihres Angebots im Zentrum. Auf die Bedürfnisse der Wirtschaft und der Studierenden abgestimmte und für die Schweiz einmalige Bildungsangebote haben sich gelohnt: In den letzten fünf Jahren erzielte die FH Graubünden bei den Neustudierenden einen Zuwachs von rund 70 Prozent.
Text: Prof. Jürg Kessler / Bild: Yvonne Bollhalder
In unserer Vision streben wir nationale Anerkennung als innovative und unternehmerische Hochschule an. Damit diese Vision auch gelebt wird, ist die laufende Weiterentwicklung unserer Angebote zentral. Doch dies alleine genügt noch nicht. Damit «ünschi Hochschual» auch langfristig erfolgreich bleibt, sind laufend neue Angebote zu entwickeln. Das Ziel: Dass die Fachhochschule aus Graubünden mit qualitativem Wachstum langfristig einen nachhaltigen Nutzen für die Region generieren kann.
Ist die Entwicklung erfolgreicher Angebote mit Intuition und viel Glück verbunden? Intuition und Glück spielen zwar eine Rolle, doch nur eine untergeordnete. Der Buchtitel «Hope Is Not a Method» von Gordon R. Sullivan bringt dies zum Ausdruck. Wir machen es anders: Bei der Entwicklung unserer Studienangebote ist die Marktforschung als Ausgangsbasis relevant. Dazu gehört eine Analyse, um zu erfassen, welche künftigen Bedürfnisse die Wirtschaft und die Verwaltung als Arbeitgeberinnen haben werden.
Bedürfnisgerechte Angebote
Warum «künftig»? Die Zeitspanne von der ersten Ideenentwicklung für ein neues Angebot, seiner konkreten Entwicklungsphase, den verschiedenen Genehmigungen bis hin zur Verabschiedung der ersten erfolgreichen Studienabsolventinnen und -absolventen umfasst rund fünf bis sechs Jahre. Damit das künftige Angebot bedürfnisgerecht entwickelt werden kann, sind bereits zum Zeitpunkt der Konzepterstellung Vertreterinnen und Vertreter aus den entsprechenden Wirtschaftsbranchen beizuziehen. So können die mittel- und langfristigen wirtschaftlichen Entwicklungen abgeschätzt beziehungsweise mehrere Szenarien definiert werden. Auf die wahrscheinlichste Branchenentwicklung hin wird das Angebot bedürfnisgerecht ausgerichtet. Das schlechteste Szenario dient der Entwicklung von Eventualplanungen, damit der Erfolg trotz negativer Wirtschaftsentwicklungen eintritt.
Die Angebotsentwicklung erfolgt methodisch nach dem Design-Thinking-Ansatz. Dieser stellt die Bedürfnisse der Kundinnen und Kunden ins Zentrum. Bei der Entwicklung von Studiengängen sind dies die Bedürfnisse der künftigen Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber in den Unternehmen und in der Verwaltung. Diese Methodik fördert die innovative und flexible Gestaltung der Entwicklungsprozesse und die bewusste Aufnahme von neuen Erkenntnissen, die sich während der Entwicklung ergeben.
Wachstum dank Nischenstrategie
Die innovative Fachhochschule aus Graubünden hat dieses Vorgehen bei sämtlichen Angebotsentwicklungen umgesetzt und sich inhaltlich in der Regel für Angebote entschieden, die der Region einen Nutzen liefern und zum Zeitpunkt ihrer Einführung einmalig in der Schweiz sind. Mit der beschriebenen Nischenstrategie konnte in den letzten fünf Jahren bei den Neustudierenden ein Zuwachs von rund 70 Prozent erreicht werden.
Qualität ist dabei ein fundamentaler Erfolgsfaktor ‒ und ebenso die Zusammenarbeit mit der Wirtschaft. So kam beispielsweise der Anstoss zur Entwicklung des Bachelorstudiums Photonics vom Wirtschaftsvertreter und ehemaligen Hochschulrat der FH Graubünden, Beat De Coi, und wurde in Zusammenarbeit mit rund 30 Wirtschafts-, Forschungs- und Verbandspartnern umgesetzt. Eine analoge Vorgehensweise wurde bei allen anderen neu entwickelten Studienangeboten ‒ wie Digital Business Management (vgl. folgenden Artikel), Service Design, Sport Management oder der Wiedereinführung des Architekturstudiums ‒ umgesetzt. Drei bis vier neue Varianten (Angebote) werden geprüft und das erfolgversprechendste Konzept wird schliesslich umgesetzt.
Sämtliche Studiengänge werden jährlich überprüft und gegebenenfalls weiterentwickelt. Dies erfolgt erneut mittels Integration von Vertreterinnen und Vertretern aus Wirtschaft, Verwaltung oder Forschung. In Abhängigkeit von der jeweiligen Disziplin arbeitet die FH Graubünden dabei auch mit Fachbeiräten aus der jeweiligen Branche zusammen. Hier sind Persönlichkeiten aus Wirtschaft, Hochschulbereich und Verwaltung ausgewogen vertreten.
Innovative Studienangebote als Erfolgsbasis
Die Prozesse der FH Graubünden sind partizipativ aufgebaut. So sind auch die immatrikulierten Studierenden wichtige Informations- sowie Ideenlieferanten für die Entwicklung, und insbesondere die Weiterentwicklung, des Angebots. Aufgrund von Studierenden-Zufriedenheitsanalysen und Unterrichtsbeurteilungen oder im Dialog mit Klassensprechenden erhalten wir sehr viele wertvolle Hinweise für die Weiterentwicklung der Qualität sowie Ideen für die inhaltliche Weiterentwicklung. Als Fachhochschule haben wir die Verpflichtung, mit unseren Angeboten sicherzustellen, dass sich die Studierenden eine Basis für ihren späteren Erfolg im Berufsleben aufbauen können.
Fazit: Durch das methodische Vorgehen mittels Design-Thinking-Ansatz, die Integration von Wirtschaft und Forschung und den Einbezug der Studierenden werden innovative und bedürfnisgerechte Angebote entwickelt, die den Absolventinnen und Absolventen eine grösstmögliche Chance für einen erfolgreichen Start ins Berufsleben bieten. Damit der Erfolg langfristig sichergestellt wird, ist eine strukturierte und geplante Weiterentwicklung periodisch notwendig. Die Methodik, die Integration der verschiedenen Anspruchsgruppen oder die Entwicklung innovativer Konzepte genügen jedoch noch nicht: Sie bilden nur das Fundament des Erfolgs. Letzterer tritt erst ein, wenn die Angebote mit Leidenschaft, Willenskraft und Konsequenz umgesetzt werden.
Weil die Vision der FH Graubünden, als innovative und unternehmerische Hochschule national anerkannt zu sein, konsequent verfolgt wurde und die Anspruchsgruppen aus Wirtschaft und Wissenschaft in einem partizipativen Prozess integriert wurden, konnten bedürfnisgerechte Angebote in der geforderten Qualität entwickelt und auf den Markt gebracht werden.
Wichtig ist das Vertrauen in das von Bloch beschriebene «Prinzip Hoffnung». Es ist kein Synonym für ein «hoffnungsloses Unterfangen», sondern bedeutet «ins Gelingen verliebt, nicht ins Scheitern». Mit anderen Worten: Nebst aller Methodik braucht es auch die Überzeugung und das Vertrauen ins Gelingen.