«Die Berge geben viel, sie fordern aber auch viel»
Die Münchner Architekturstudentin Marie Stockmaier hat sich entschieden, ihr obligatorisches Auslandstudium als Austauschstudentin an der FH Graubünden zu absolvieren. Fragestellungen zum Bauen im alpinen Raum spielen an der Fachhochschule in Graubünden eine wichtige Rolle in der Ausbildung. Genau dieser Aspekt hat sie überzeugt, ein Jahr in Chur zu verbringen. Ihre Erfahrungen aus dem Bachelorstudium sind vielfältig und werden sie und ihre Arbeit für immer prägen.
Text: Prof. Daniel Walser, Jutta Würth / Bild: Jutta Würth, zVg
Weshalb haben Sie sich entschieden, Architektur zu studieren?
Architektur ist alles, ausser langweilig! Sie ist eine Landschaft mit vielen Bergen und hinter jedem Hügel verbirgt sich etwas Neues. Hinter jedem Gipfel, den man erreicht, liegen viele weitere, die einen immer weitertreiben, alles zu geben, alles, was man hat und alles, was man kann. Mich reizen Praxis, Abwechslung und Kreativität, die man benötigt, um Lösungen für reale Fragestellungen zu finden und diese zu einem sinnvollen Projekt zusammenzuführen.
Wie unterscheiden sich Ihre Erfahrungen an der FH Graubünden vom Studium an Ihrer Heimathochschule TU München?
Ein Unterschied ist, dass wir in München ab dem zweiten Semester immer in Gruppen von zwei bis vier Personen an den Entwürfen gearbeitet haben. Dies hat mir immer sehr zugesagt und hier etwas gefehlt.
An der FH Graubünden gefallen mir der familiäre Umgang mit den Mitstudierenden und der unkomplizierte Umgang mit den Dozierenden. In München sind wir ein viel grösserer Jahrgang und man kennt einige nur vom Sehen. Zudem mag ich den Schwerpunkt in Chur: Bauen im alpinen Raum. Während sich das Studium hier sehr an der Schweiz und den Bergen orientiert, ist das Studium in München globaler ausgerichtet. Ich bin froh, von beidem etwas mitnehmen zu können.
Eine grosse Stärke der FH Graubünden sind die kleinen Klassengrössen. Ich habe das Gefühl, dadurch kann individueller auf den jeweiligen Entwurf eingegangen werden. In München werden aufgrund der vielen Studierenden unsere Entwürfe von Assistentinnen und Assistenten betreut; Besprechungen mit dem Professor respektive der Professorin gibt es erst bei den Zwischenkritiken. Man wird an der FH Graubünden, sowohl was das Gestalterische als auch was das Konstruktive betrifft, stark gefordert und gefördert – das sehe ich als sehr positiv.
Was zeichnet die Dozierenden der FH Graubünden aus?
Die Dozierenden der FH Graubünden sind alle sehr freundlich und hilfsbereit, haben viel Erfahrung aus der Praxis, die sie auch gerne an die Studierenden weitergeben. Sie nehmen sich Zeit für ihre Studierenden und deren Fragen.
Was finden Sie am Bauen in den Bergen spannend?
Wenn man in den Bergen baut, muss man an enorm viele Aspekte denken – Transport der Baustoffe auf die Baustelle, Naturgefahren, klimatische Gegebenheiten, Hangsicherung –und sich prinzipielle Fragen stellen: Macht das Bauwerk dort Sinn? Passt das Haus in die dörfliche Struktur? Wie sieht es mit den umliegenden Dörfern aus? Darauf müssen Antworten gefunden werden. Ziel ist es, hier nachhaltige Lösungen zu finden, die sich in die Landschaft integrieren, die vor Naturgewalten schützen und mit denen sich die Menschen identifizieren können und wollen!
Unterscheidet sich das Bauen hier in den Bergen vom Bauen in Ihrer Heimat?
Gleich ist wohl überall, dass man eine gute Konzeptidee benötigt und diese lückenlos begründen können muss. Erst dann kann ein guter Entwurf daraus entstehen, erst wenn auch Aussenstehende die Idee begreifen, verstehen, erkennen können. Man muss sich dafür – sowohl in München, als auch in Chur – sehr intensiv und lange mit der Umgebung und den Gegebenheiten auseinandersetzen. Man muss den Ort analysieren. Was braucht der Ort? Was hat der Ort? Was brauchen oder wollen die Menschen?
Was hier jedoch sehr viel wichtiger ist als in München, ist das Arbeiten mit dem Schnitt, da man in den Bergen besonders auf die Höhenlinien und das Gefälle des Grundstückes achten muss, das hatten wir bis jetzt in München nicht. Auch Klima, Windrichtung, Höhenlage und weitere Einflussfaktoren, die in den Bergen eine grosse Rolle spielen, wirken hier mit ein.
Was waren Ihre Highlights während Ihres Auslandssemesters an der FH Graubünden?
Ein Highlight waren immer die Abgaben der Projekte, für mich egal, ob in Chur oder München. Das «Werk», an dem du so lange gearbeitet hast, beendest du. Meist realisiere ich das bei der Präsentation immer noch nicht so ganz, das sickert immer erst so langsam durch. Mein Highlight in Bezug auf das Studium in Chur ist für mich wohl das ganze Auslandsjahr! Ich habe so viel in diesem Semester gelernt und geschafft, bin in den Bergen, habe viele neue Freundschaften geschlossen, die hoffentlich lange bestehen werden. Allein dafür hat es sich schon mehr als gelohnt.
Was gefällt Ihnen besonders an Chur und Graubünden?
Toll ist die Aussicht von meinem Zimmer auf die Berge und die Sonne auf dem Schreibtisch oder auf dem Balkon. Zudem schätze ich die herzliche Art, mit der ich hier aufgenommen wurde, und Gespräche mit neuen Freundinnen und Freunden, die mir oft bei der Weiterarbeit an Projekten geholfen haben. Da lernt es sich gleich viel leichter!
Wie verbringen Sie Ihre Freizeit in Graubünden?
Im Wintersemester habe ich mir nicht wirklich Zeit für ausseruniversitäre Dinge genommen. Als ich vor Kurzem gefragt wurde, was ich schon alles in der Schweiz gemacht und gesehen habe, konnte ich nicht wirklich viel erzählen. Die ersten Berg- und Skitouren habe ich erst im Wechsel vom Herbst- zum Frühjahrssemester unternommen. Dadurch habe ich gemerkt, wie sehr mir das gefehlt hat. Natürlich ist mir das Lernen an der Hochschule sehr wichtig, dennoch habe ich realisiert, dass auch ein wenig Freizeit dazugehört, allein schon dafür, um effizient arbeiten zu können.
Die Berge geben viel, sie fordern aber auch viel. Das ist das Faszinierende, auch für eine Architektin.
Projekt KuhBar in Arosa
Marie Stockmeier hat unter anderem beim Projekt KuhBar in Arosa als Studentin mitgearbeitet. Das Projekt ist insofern exemplarisch, als hier Architektur- und Tourismusstudierende gemeinsam für ein vielfältiges Après-Ski-Angebot beim Tschuggendörfli arbeiteten. Der Entwurf von Stockmeier schaffte es, die beiden Aspekte zu einer architektonisch und funktional überzeugenden Lösung zusammenzuführen.
Bericht von
Prof. Daniel A. Walser
Dozent, Institut für Bauen im alpinen Raum
Jutta Würth
Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Institut für Bauen im alpinen Raum