Mit Leidenschaft und grossem Willen
Andreas Tanner hat 2014 das Bachelorstudium Multimedia Production an der FH Graubünden abgeschlossen. Danach ist einiges passiert. Wir reden mit ihm über Zufälle, Illusionen, Filmfestival‐Preise und Netzwerke.
Text: Petra Caviezel / Bild: Petra Caviezel, Sergio Herencias / Film: Andreas Tanner
Petra Caviezel: Herr Tanner, Ihr Berufsleben ist vielseitig. Sie sind Motion Designer bei Guave Motion, Sie bieten über Ihre eigene Firma Kurse im Bereich Animation und Film an und Sie sind Lehrbeauftragter an der FH Graubünden. Wie sieht Ihr Alltag aus?
Andreas Tanner: Regelmässigkeit gibt es keine – jede Woche sieht komplett anders aus. Ich bin froh, dass mein Arbeitgeber Guave Motion, bei welchem ich zu 80 Prozent angestellt bin, so flexibel ist. Es kommt vor, dass ich fünf Tage im Geschäft bin oder ganze Wochen am Stück unterrichte. Dazu kommen dann noch die Kurse, die ich anbiete. Und die oft engen Deadlines, die bei Produktionen eingehalten werden müssen. Nachtschichten sind zum Glück selten. Langeweile gibt es bei mir aber definitiv keine.
2014 haben Sie Ihr Bachelorstudium Multimedia Production abgeschlossen. Denken Sie gerne an die Zeit in Graubünden zurück?
Ja, aber ich muss die FH Graubünden und Graubünden nicht vermissen, weil ich oft zum Unterrichten da bin. Was ich ab und zu vermisse, ist das Studentenleben, den Alltag von damals. Die Unbeschwertheit, die geregelten Zeiten – das gibt es nicht mehr. Jetzt gibt es den doch sehr durchgeplanten Terminkalender. Trotzdem kann ich sagen, dass ich mich wunderbar eingefunden habe in meinem Rhythmus; auch mit meiner Familie klappt das super.
Welchen Mehrwert hat Ihnen das Austauschsemester in Stuttgart an der HdM (Hochschule der Medien) gebracht?
Der Mehrwert war in meinem Fall enorm. Geplant war ein Semester an der HdM. Es hat mir dann aber so gut gefallen, dass ich ein zweites Semester angehängt habe. Zum Glück hat das auch von Seiten der FH Graubünden gut funktioniert. Danach konnte ich ein Praktikum bei einer grossen Postproduktionsfirma absolvieren. Ohne diese knapp zwei Jahre in Stuttgart wäre ich nicht an dem Punkt, an dem ich heute bin. Ich konnte genau das lernen, was ich lernen wollte. An der FH Graubünden gab es damals nur einen Bruchteil der Kurse, die es heute gibt. Das ist auch einer der Gründe, weswegen ich an der FH Graubünden unterrichte: Ich kann das, was ich in Stuttgart gelernt habe, an der FH Graubünden weitervermitteln und so etwas zurückgeben.
«Ich konnte genau das lernen, was ich lernen wollte.»
Sie mussten bestimmt gut sein, um in Stuttgart angenommen zu werden ...
Ja, es war nicht selbstverständlich, dass ich genau die Module besuchen konnte, die ich mir gewünscht hatte. Am meisten profitiert habe ich von den Kursen, in welchen Studierende ein ganzes Semester lang gemeinsam an einem Projekt arbeiten, zusammen ein Ziel verfolgen. Der Lerneffekt ist dank der Zusammenarbeit über längere Zeit enorm gross. Diese Lernform habe ich sehr geschätzt. Rückblickend war das Praktikum aber mein grösster Gewinn.
Das hatte mit viel Wollen und Können zu tun. Die Praktikumsstelle wurde Ihnen wahrscheinlich nicht vor die Füsse gelegt.
Nein, dafür musste ich richtig kämpfen. Ich musste mich unzählige Male bei der Postproduktionsfirma melden, Mails gingen unter oder wurden einfach nicht beantwortet. Ich war ziemlich verzweifelt. Irgendwann hat es dann doch geklappt und alles kam gut. Die Zeit in Stuttgart war nicht nur einfach, es gab viele Unsicherheiten. Ich wusste nicht, ob ich ein zweites Semester anhängen kann, ob ich die Praktikumsstelle bekomme, wie lange ich noch weg von zu Hause bin. Das Warten auf die Praktikumsstelle hat sich aber definitiv gelohnt. Ich durfte ab Tag 1 bei grossen Projekten mitarbeiten, bin voll im kalten Wasser gelandet. Schlussendlich haben mich genau diese Erfahrungen weitergebracht, sie sind unbezahlbar und nachhaltig. Anwenden und Umsetzen geht über alles. Genau das möchte ich den Studierenden weitergeben.
Haben Sie durch das Studium Kontakte oder auch Freundschaften geschlossen, die heute noch bestehen, beruflich oder privat?
Ja, klar. Ich habe natürlich auch an der FH Graubünden Leute kennengelernt, mit denen ich heute noch in Kontakt stehe. Die Filmbranche in der Schweiz ist klein, man kennt sich. Den Kontakt pflegen wir über Treffen, beispielsweise an Filmfestivals oder MeetUps. Wir reden, essen – das gehört halt einfach dazu. Netzwerke sind überhaupt wichtig. Viele Aufträge werden über Kontakte vergeben. Auch in Stuttgart sind Freundschaften und Netzwerke entstanden. Unter anderem hat ein Stuttgarter Studienkollege die Musik für meinen Abschlussfilm «It’s a plastic world» produziert. Das hat mir sehr weitergeholfen.
Wie sieht es mit Jobs aus? Braucht man ein grosses Netzwerk, wenn man eine Anstellung sucht?
Mein Job ist schon sehr spezifisch und es ist nicht ganz einfach, eine Festanstellung zu finden. Da darf man sich keine Illusionen machen. Der Markt ist klein und nicht wenige Unternehmen vergeben ihre Aufträge ins Ausland. Aber an der FH Graubünden bilden wir Multimedia Producer aus. Die Studierenden wählen einen Schwerpunkt, je nach Richtung, in die sie beruflich gehen möchten. Engagierte Studierende finden eine Anstellung, beispielsweise bei Agenturen oder Produktionshäusern. Der Freelance‐Markt in der Schweiz boomt zurzeit sehr. Diese spezielle Arbeitsform muss man wollen. Man muss gut sein in dem, was man tut, und über eine gewisse Bekanntheit in der Branche verfügen. Gute Kontakte sind deshalb nie verkehrt.
Wenn Sie Ihr berufliches Leben heute betrachten, haben Sie es sich so vorgestellt?
Ich habe mir immer vorgestellt, dass ich vollumfänglich auf meinem Beruf arbeite. Schliesslich hatte ich das Glück, mein Hobby zum Beruf zu machen. Was ich mir nicht vorgestellt habe: Dass ich auch unterrichten würde. Das war nie der Plan. Als die FH Graubünden mich vor vier Jahren angefragt hat, wusste ich nicht, ob ich das gerne machen würde, ob ich das will und ob ich das überhaupt kann. Mittlerweile bin ich sehr involviert. Und ich unterrichte so gerne, dass ich mir sogar vorstellen kann, das Pensum weiter zu erhöhen.
«It’s a plastic world» haben Sie als Teil Ihrer Bachelor Thesis produziert. Der Film ist eindrücklich. Er kommuniziert das Plastik‐Problem klar und direkt, er informiert auf simple Art und er berührt gleichzeitig enorm. War der Film ein Herzensprojekt?
Danke. Ich persönlich habe den Film wahrscheinlich zu oft gesehen. Ich würde heute einiges anders machen, weil ich mir in der Zwischenzeit natürlich auch mehr Wissen angeeignet habe. Aber ja, der Film war ein Herzensprojekt. Ausschlaggebend war ein Tag an einem vermüllten Strand. Da ist mir bewusst geworden, wie gross das Plastik‐Problem ist. Plastik und Micro‐Plastik wurden genau in der Zeit, in der ich «It’s a plastic world» produziert habe, ein immer grösseres Thema in den Medien. Als mein Film dann veröffentlicht wurde, hat er voll eingeschlagen, hat sich extrem rasch verbreitet. Der Zeitpunkt war demnach auch ausschlaggebend für den Erfolg.
Ihr Abschlussfilm hat am Kuala Lumpur Eco Film Festival den 1. Preis für die beste Animation gewonnen. Wie wichtig war dieser Preis für Sie?
Ich bekomme heute noch wöchentlich Anfragen von interessierten Organisationen, beispielsweise von Meeresforschenden, die den Film nutzen möchten. Auch andere Interessierte im Bereich Umweltschutz oder Sensibilisierung kontaktieren mich regelmässig. Die grosse Visibilität des Films generiert natürlich auch Aufträge.
Andreas Tanner und seine Ziele: Was können Sie uns darüber erzählen?
Ich möchte nicht, wie viele andere, im Ausland arbeiten. Ich möchte in der Schweiz bleiben, mir hier einen Namen machen. Meine Festanstellung bei Guave Motion und das Unterrichten an der FH Graubünden erfüllen mich. Ich habe meine Ziele also grösstenteils erreicht, bin beruflich angekommen. Ich kann mir vorstellen, in nächster Zeit eine Weiterbildung zu absolvieren. Das ist wichtig, denn die Branche ist schnelllebig und ich möchte am Ball bleiben. Ebenfalls wichtig ist die Leidenschaft für den Beruf. Die ist bei mir da, ich bin sehr motiviert. Ich stehe am Morgen immer gerne auf, fast wie in den Ferien. Ja, jeden Tag wie «kleine Ferien», so fühlt es sich an. Und am Abend komme ich gerne wieder nach Hause.
Ein rundum zufriedener Mann ...
Ja, das kann ich im Moment wirklich sagen. Ich hoffe, das bleibt so.
Über Andreas Tanner
Andreas Tanner ist 1989 geboren. Nach seiner Ausbildung zum Mediamatiker hat er von 2010 bis 2014 Multimedia Production an der FH Graubünden studiert. Sein Film «It’s a plastic world» war Teil seiner Bachelor Thesis und hat 2014 den 1. Platz für Animation am Kuala Lumpur Eco Film Festival gewonnen. Seit 2014 arbeitet Andreas Tanner bei Guave Motion in Wädenswil als 2D-und 3D-Artist. Ausserdem bietet er über seine Firma Andreas Tanner Motion Design Kurse im Bereich Animation und Film an. Andreas Tanner lebt in Schänis, zusammen mit seiner Frau und seinen zwei Kindern.
Über Guave Motion
Guave Motion ist ein Studio für Film und Animation in der Nähe von Zürich. Die Firma beschäftigt vier Mitarbeitende und ist auf 2D‐ und 3D‐Animation sowie visuelle Effekte spezialisiert.