«Zur richtigen Zeit am richtigen Ort»
David Hug hat an der FH Graubünden das Bachelorstudium Betriebsökonomie sowie ein Masterstudium in Entrepreneurship (heute: New Business) absolviert. Seit seinem Abschluss vor sechs Jahren ist er im Venture-Capital-Geschäft tätig, heute in leitender Funktion. Seine Laufbahn geprägt haben das Analysten-Praktikum im Silicon Valley sowie seine Mentorinnen und Mentoren.
Text: Flurina Simeon / Bild: David Hug, FAZ, Ringier AG
Sie haben an der FH Graubünden sowohl das Bachelorstudium Betriebsökonomie mit den Vertiefungen Entrepreneurship und Sports Management als auch die Masterstudienrichtung New Business absolviert. Welche Erinnerungen an Ihr Studium sind besonders präsent?
Es fällt mir schwer, Einzelheiten aus der Fülle an Erinnerungen hervorzuheben. Dank meines Studiums habe ich beispielsweise Graubünden ins Herz geschlossen. Auch die gemeinsame Zeit mit den anderen Studierenden war sehr wertvoll. Dank der überschaubaren Grösse der FH Graubünden lernte ich auch viele Studierende aus anderen Studiengängen kennen. Daraus entstand ein Netzwerk, das ich auch heute noch pflege. Zudem besteht seither ein enger Kontakt mit Professor Josef Walker, Departementsleiter Entrepreneurial Management. Es waren fünf schöne Jahre.
Gibt es Aspekte, die aus Ihrer Sicht im Studium zu wenig thematisiert wurden?
Im Bachelorstudium wurden jene betriebswirtschaftlichen Inhalte vermittelt, die für einen Generalisten notwendig sind. Ausserdem bot die FH Graubünden damals als einzige Fachhochschule für mich wirklich spannende Vertiefungen an, weshalb ich mich für ein Studium in Graubünden entschied. Die Betriebsökonomie war ein etabliertes Bachelorstudium, was sich qualitativ positiv bemerkbar machte. Beim Masterstudium gehörte ich zum zweiten Jahrgang und da gab es einige Bereiche, in welchen ich mir nachträglich mehr Tiefe gewünscht hätte. Aber auch mit dem Masterstudium war ich zufrieden. Auch dank meiner Ausbildung an der FH Graubünden bin ich heute in einer für mich sehr spannenden Position.
Was vermissen Sie aus Ihrem Studentenleben?
Eindeutig die Freizeit. Ich habe das Student-Sein sehr genossen. Dabei war mir aber auch immer bewusst, dass es einmal enden würde. Es war immer mein Ziel, nach dem Studium zu arbeiten, und ich habe mein Studium deshalb auch mit grosser Entschlossenheit absolviert.
Was war Ihre Motivation für ein Masterstudium direkt nach Abschluss des Bachelors?
Im Bachelorstudium erarbeitet man sich ein breites Wissen, erhält Einblicke in viele Bereiche und kann schlussendlich von allem etwas. Ich entschied mich für ein Masterstudium an der FH Graubünden, um mein Wissen in Entrepreneurship zu vertiefen. Dabei profitierte ich davon, dass ich das Studium in Vollzeit absolvieren konnte. Neben dem Wunsch, mein Wissen weiter zu vertiefen, haben mich auch die Entwicklungen im Schweizer Hochschulwesen beeinflusst. Ein Bachelorabschluss hat heute nicht mehr denselben exklusiven Stellenwert wie noch vor nicht allzu langer Zeit. Heute muss es schon fast ein Masterabschluss sein, um sich abzuheben. Ich möchte aber betonen, dass ich ein grosser Verfechter des dualen Bildungssystems der Schweiz bin. Mit meiner Berufslehre habe ich die Basis für meinen weiteren Bildungsweg gelegt.
Während Ihres Masterstudiums waren Sie einige Monate als Analyst in Kalifornien tätig. Inwiefern hat dieser Einblick den weiteren Verlauf Ihres Lebens geprägt?
Während meines Masterstudiums hat sich, dank des Netzwerks von Professor Walker, die Möglichkeit ergeben, sich um einen Praktikumsplatz in einem Venture-Capital-Unternehmen im Silicon Valley zu bewerben. Gross war die Freude, als ich für das Analysten-Praktikum gewählt wurde und nach Kalifornien aufbrechen konnte. Ich habe in jenen Monaten viel über Venture Capital gelernt und es sind wertvolle Kontakte und Freundschaften entstanden. Auch wenn der Unterbruch des Studiums ein Risiko sein mag, empfehle ich jeder und jedem, solche Chancen zu nutzen. Sie bringen einen sowohl menschlich als auch beruflich weiter. Seit 2010 bin ich nun im Bereich Venture Capital tätig. Dieses Praktikum hat mich auch beruflich dorthin gebracht, wo ich hin wollte.
Sie stellen sich immer wieder für Gastvorlesungen zur Verfügung, sowohl an der FH Graubünden als auch an anderen Schweizer Hochschulen. Was ist Ihre Motivation dafür und was ist das Thema Ihrer Vorlesungen?
Es bereitet mir grosse Freude, in diesem Rahmen mein Wissen und meine Erfahrungen teilen zu können. Anhand von Geschichten und Praxisbeispielen versuche ich, den Studierenden Einblicke in die Welt der Innovationsfinanzierung zu vermitteln und sie dadurch weiterzubringen. Als Student hatte ich diese Ergänzungen zur Theorie sehr geschätzt. Ausserdem kann ich mich jetzt bei der FH Graubünden und insbesondere bei meinem Mentor, Professor Josef Walker, revanchieren, denn ich habe wirklich sehr vom Studium an der Bündner Fachhochschule profitiert. Wenn ich, als Nebeneffekt, dabei die Ringier Digital Ventures AG positionieren kann, ist das natürlich auch schön.
«Die FH Graubünden bot damals als einzige Fachhochschule für mich wirklich spannende Vertiefungen im Bachelorstudium an, weshalb ich mich für ein Studium in Graubünden entschied.»
Die FH Graubünden fokussiert sich mit ihren drei interdisziplinären Themenschwerpunkten auf die Lösung relevanter gesellschaftlicher Herausforderungen. Mit der strategischen Initiative Digitalisierung baut sie die Forschungsschwerpunkte und -felder entsprechend aus und setzt sich zum Ziel, die Qualität und Effizienz über alle Leistungsbereiche hinweg zu steigern. Inwiefern erleben Sie die Bündner Fachhochschule als «digitale Hochschule»?
Die FH Graubünden ist mit der Zeit gegangen. Von aussen betrachtet kann ich erkennen, dass die Hochschule aktiv Social Media für die Akquise von Studierenden nutzt. Die Studieninhalte kann ich aus der Ferne nicht beurteilen, aber ich bin überzeugt, dass digitale Hilfsmittel, wo vorhanden und sinnstiftend, auch in der Unterrichtsgestaltung eingesetzt werden. Auch das Thema an sich wird Bestandteil des Unterrichts sein, da die digitale Transformation alle traditionellen Branchen betrifft.
Was könnte die FH Graubünden aus Ihrer Optik im Bereich Digitalisierung besser machen?
Ich sehe einen klaren Bedarf, das Verständnis für die Technologie und deren Anwendungsmöglichkeiten an der FH Graubünden zu steigern. Unabhängig von ihren Aufgaben sollten alle Mitarbeitenden der Hochschule ein tiefes Verständnis für die Thematik aufbauen, denn die digitale Transformation ist nicht die Zukunft, sondern bereits heute in allen Bereichen Realität.
Seit Ihrem Masterabschluss im Jahr 2011 waren Sie in einer Venture-Capital-Gesellschaft und einer Bank tätig, bevor Sie als Managing Director zu Ringier Digital Ventures AG stiessen. Berichten Sie bitte kurz über Ihren bisherigen Karriereverlauf.
Seit meinem Praktikum im Silicon Valley war mir klar, dass ich im Venture-Capital-Bereich tätig sein wollte. Sowohl in der Schweiz als auch im Ausland sind Stellen in dieser Branche rar. Entsprechend waren zwei Aspekte in meiner bisherigen Laufbahn wichtig: die Förderung durch unzählige Mentorinnen und Mentoren sowie die Bereitschaft, zu Beginn der Laufbahn den Rucksack zu füllen und dabei ehrliche Arbeit zu leisten. Absolventinnen und Absolventen einer Fachhochschule haben oft das Gefühl, sie seien, dank ihres praxisorientierten Studiums, direkt auch in der Praxis einsetzbar. Dabei gilt es in den meisten Fällen, zuerst Erfahrungen zu sammeln und lernbereit zu sein, sei es in Form eines Praktikums, sei es im Rahmen einer Junior-Stelle.
Die Förderung an all meinen Arbeitsstellen war äusserst wichtig für meine bisherige Karriere; insbesondere nennen möchte ich Alexander Fries, Gründer von Ecosystem Ventures, Florian Schweitzer, Mitgründer und Partner bei btov Partners, Erika Puyal, ehemalige Leiterin des Bereichs Start-up Finance der Zürcher Kantonalbank, und natürlich Josef Walker, Professor an der FH Graubünden. Sie haben alle an mich geglaubt und mir ihre Netzwerke geöffnet. Ausserdem gehört auch etwas Glück dazu, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein.
«Auch dank meiner Ausbildung an der FH Graubünden bin ich heute in einer für mich sehr spannenden Position.»
Mit 29 Jahren erhielt ich die Möglichkeit, Ringier Digital Ventures mitzugründen, das Unternehmen, welches ich seither verantworte. Dies war auch wieder so eine Chance, die mir geboten wurde und die ich auch gepackt habe. Es scheint, als sei alles so von mir geplant gewesen. Dies ist nicht der Fall. Ich habe in meiner bisherigen Laufbahn versucht, immer mein Bestes zu geben. Ich bin überzeugt, dass es nicht nur einen gut gefüllten Wissens- und Erfahrungsrucksack braucht im Berufsleben, sondern dass auch Türen aufgehen können, wenn ehrliche Arbeit geleistet wird.
Welche Aufgaben umfasst Ihre Tätigkeit als Managing Director einer Venture-Capital-Gesellschaft?
Einen typischen Alltag gibt es in diesem Geschäftsfeld nicht. Die Tätigkeit ist abwechslungsreich, auch, weil es ein «People’s Business» ist. Meine Arbeit umfasst Schwerpunkte, welche ich gerne kurz skizziere. Zu Beginn steht das Firma-Sourcing, was in unserem Fall rund 1500 Investment-Möglichkeiten pro Jahr ausmacht. Nach sorgfältiger Prüfung aller Firmen investieren wir durchschnittlich in drei bis vier. Aktuell machen elf Start-ups unser Investment-Portfolio aus. Neben der finanziellen Unterstützung stehen wir den Unternehmerinnen und Unternehmern als Sparring-Partner zur Verfügung und begleiten sie auf der Entrepreneurship-Achterbahnfahrt. Wir stehen mit jeder Firma mindestens einmal pro Monat im Austausch und begleiten die strategische Ausrichtung des Unternehmens via Verwaltungsratsmandat. Das Fund Controlling wird gemeinsam mit dem Mutterhaus Ringier und dem Investment Committee sichergestellt. Zum Venture-Capital-Geschäft gehört auch, dass Start-ups aus dem Portfolio verabschiedet werden, sei es, weil sie Konkurs gegangen sind, sei es, weil sie verkauft werden konnten, oder – was sehr selten vorkommt und der «Königsweg» ist – weil sie an die Börse gehen. Die Teilnahme an Anlässen rundet meine Tätigkeit ab.
Wie erleben Sie Schweizer Firmengründungen im Vergleich zu jenen im Silicon Valley?
Der grösste Unterschied liegt meines Erachtens in der Mentalität: Risikobereitschaft, die Bereitschaft zu scheitern und der «Think Big»-Ansatz zeichnen die Start-ups in Kalifornien und auch im Rest der Vereinigten Staaten aus. Die Venture-Capital-Industrie ist dort viel reifer, es werden auch grössere Summen investiert. Nichtsdestotrotz: Für Entrepreneurs ist auch die Schweiz aus mehreren Gründen ein gutes Pflaster. Besonders hervorzuheben sind bei uns die Rechtssicherheit, die ausgezeichnete Hochschullandschaft und die bestehenden Unterstützungsmöglichkeiten.
Mit welchen Herausforderungen sehen sich Entrepreneurs in der Schweiz konfrontiert?
In der Schweiz bestehen nach Studienabschluss gute Anstellungsmöglichkeiten, welche Sicherheiten bieten. Deshalb versuchen viel weniger junge Menschen hierzulande, den Weg in die Selbstständigkeit zu gehen, denn ein Start-up bedeutet mehr Risiko und Arbeit bei tiefem Lohn. Auch die vergleichsweise langsamen Mühlen der Politik sind manchmal hinderlich, wobei die politische Stabilität des Landes klar als Pluspunkt genannt werden muss. Für die Internationalisierung eines Unternehmens sind die Hürden klar höher als in den benachbarten Ländern, da in der Schweiz als Nicht-EU-Mitglied ein anderes Rechtssystem und eine andere Währung bestehen. Auch die hohen Lohnkosten sind für Jungunternehmerinnen und -unternehmer eine Herausforderung. Wobei interessanterweise genau dieser Aspekt zu Innovationen führt, da aus diesem Grund in der Schweiz vermehrt auf Automationsmöglichkeiten gesetzt werden muss.
Aus Start-up-Perspektive ist die Schweiz aber auch ein spannender Kosmos, in welchem sich sogenannte «Local Champions» gegen globale Player durchzusetzen vermögen. Als Beispiele können Ricardo, DeinDeal oder Movu genannt werden – und als Erfolgsgründe die geringe Marktgrösse aber doch hohe Kaufkraft, die Mehrsprachigkeit und die Währung.
Sie wurden im Herbst 2016 von «Bilanz» in die Top Ten der Schweizer Geldgeber gewählt.
Es ist mir eine Ehre, gemeinsam mit solch erfahrenen Investoren genannt zu werden. Mir ist wichtig zu betonen, dass ich als Gesicht für Ringier Digital Ventures fungiere, doch dass die geleistete Arbeit ohne meinen wichtigen Teamkollegen Benjamin Solenthaler, ohne unser Investment Committee, unseren Partner btov und letztendlich das Vertrauen von Ringier nicht möglich gewesen wäre. Nun ist es an uns, den Beweis zu erbringen, dass diese Wahl auch gerechtfertigt war.
Mit welchen Mitteln versuchen Sie, mit Ihrer Tätigkeit die digitale Transformation zu fördern und weiterzuentwickeln?
Die gesamte bisherige Entwicklung verlief parallel zur Entwicklung der Technologie und des Internets. Start-ups kreieren oder verwenden diese Anwendungen und wir stellen Ihnen dafür Kapital zur Verfügung. Die von uns unterstützten Unternehmen gehen entweder mit ihrem Offline-Geschäft online oder, wenn dieses bereits online ist, entwickeln es dort weiter. Die Zugehörigkeit zu Ringier ist für uns ein grosser Vorteil. Als klassisches Medienunternehmen sah sich Ringier schon früh mit der Digitalisierung konfrontiert und musste sein Geschäftsmodell adaptieren. Diese Erfahrung hilft uns, Firmen in anderen traditionellen Branchen zu helfen.
Wie stark nützt Ihnen das im Studium erlangte Wissen bei Ihrer heutigen beruflichen Tätigkeit?
Ich kann sehr Vieles – sowohl aus dem Bachelor- als auch Masterstudium – heute anwenden, zum Beispiel in Bezug auf Methoden oder Theorien. So habe ich gelernt, wie Marktsituationen erkannt werden, bin geschult im Lesen einer Erfolgsrechnung und besitze das Know-how zu Teamdynamiken. Auch wenn ein Firmen-Investment kein Roulette sein darf, gehört etwas Glück dazu. Umso wichtiger, dass alle Aspekte, welche überprüft werden können, auch erkannt und richtig eingestuft werden.
Wie sehen Ihre Zukunftspläne aus?
Mein Fokus liegt klar auf der Weiterentwicklung der Ringier Digital Ventures AG. Es gibt uns erst seit etwas mehr als zwei Jahren und heute sind zwei Personen für das Unternehmen tätig. Es ist quasi mein Start-up und liegt mir sehr am Herzen. Damit möchte ich auch in Zukunft gute Investments tätigen.
Über David Hug
David Hug ist im Zürcher Oberland aufgewachsen. Nach einer erfolgreichen Lehre als Bankkaufmann absolvierte er eine interne Weiterbildung zum Firmenkundenberater. 2006 nahm er sein Vollzeitstudium in Betriebsökonomie an der FH Graubünden auf und schloss es 2011 mit dem Master ab. Danach war Hug für verschiedene Venture Capital Funds (btov Partners und ZKB Start-up Finance) tätig. 2015 startete er mit Ringier Digital Ventures, das er seither als Managing Director verantwortet. Seine Freizeit verbringt David Hug am liebsten mit seiner Familie oder beim Sport (Eishockey).
Über Ringier Digital Ventures
Die Ringier Digital Ventures AG ist ein Unternehmen der Ringier AG. Der Fokus der im Januar 2015 gegründeten Venture-Capital-Gesellschaft liegt auf Investitionen in innovative, digitale Start-up-Unternehmen, die von der grossen Medienreichweite und der Expertise erfolgreicher Unternehmen aus dem Ringier- und dem Partnernetzwerk von btov profitieren.
Beitrag von
Flurina Simeon ist Chefredaktorin des FH Graubünden-Magazins «Wissensplatz» und Kommunikationsverantwortliche an der Fachhochschule aus Graubünden.