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sciencEmotion: Technik, CLIP und klar
sciencEmotion: Technik, CLIP und klar

sciencEmotion: Technik, CLIP und klar

Der sich zunehmend verschärfende Mangel an Nachwuchskräften im Bereich Technik und Naturwissenschaften ist eine Herausforderung. Die Art und Weise, wie MINT-Themen medial vermittelt werden, scheint die Zielgruppe nicht zu erreichen. Mit einem Experiment wurde untersucht, wie Videos gestaltet sein müssen, um bei jungen Leuten das Interesse für diese Themen zu wecken.

Text: Yvonne Herzig Gainsford, Prof. Dr. Amina Ovcina Cajacob / Bilder: Andrea Schädler, Manuela Pfiffner / Film: Andrea Schädler, Manuela Pfiffner

Mit dem Projekt «MINT – Ingenieurberufe in den Medien» wurde erstmals die Rolle der Medien im Kontext von MINT (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik) untersucht. Es zeigte sich deutlich, dass das MINT-Thema für die untersuchte Zielgruppe (12- bis 21-Jährige) in den Medien zu komplex dargestellt wird (FH Graubünden, 2012a; FH Graubünden, 2012b).

Die Studie «sciencEmotion» (FH Graubünden, 2016) ist eine Fortsetzung dieses Projekts und wurde, wie bereits die MINT-Studie, ebenfalls von der Gebert Rüf Stiftung gefördert. Im Zentrum steht das Medium Video. Aufgrund der Erkenntnisse soll eine den Bedürfnissen der Zielgruppe angepasste, interaktive und mobile Videoplattform entwickelt werden, die junge Menschen unterhalten und für technische Projekte, Themen und Berufe begeistern soll.

Experiment «sciencEmotion»

In der ersten Projektphase von «sciencEmotion» wurde ein Laborexperiment mit 120 Probandinnen und Probanden, ausgeglichen in Bezug auf Alter und Geschlecht, durchgeführt. Dabei wurde untersucht, welche Videoformate besonders geeignet sind, um den Jugendlichen und jungen Erwachsenen MINT-Themen näherzubringen, welche Bedeutung die Botschaft eines Videos hat und welches die relevanten gestalterischen Elemente sind. Die Teilnehmenden wurden in eine Experimental- und eine Kontrollgruppe aufgeteilt und hatten pro Gruppe sieben verschiedene Videos zu bewerten. Im Rahmen des Experiments wurden insgesamt sechs Hypothesen formuliert, die sich in inhaltsbezogene bzw. gestalterische Faktoren aufteilen lassen.

 

Infotainment als Lösung

Die Überprüfung der Hypothesen brachte interessante Resultate zutage. Bei der Gestaltung von Videos können Storytelling, Infotainment und Humor wichtige Instrumente sein, um die Rezipientinnen und Rezipienten wirkungsvoll anzusprechen. Gekonntes Storytelling weckt das Interesse, fördert die Spannung und kann inspirierend wirken. Auch Infotainment kann dafür sorgen, dass ein Video anregender wirkt. Allerdings muss darauf geachtet werden, dass mit dem Unterhaltungsfaktor nicht übertrieben wird; die Gefahr besteht, dass der Inhalt nicht mehr ernst genommen wird. Sachlich vermittelten Inhalten hingegen wird ein höherer Bedeutungswert zugestanden.

Dies zeigt sich auch beim Stimulus Humor. Es scheint, als würden Leichtigkeit, Witz und Spannung die Probandinnen und Probanden zwar ansprechen, gleichzeitig werden aber die damit vermittelten Inhalte weniger ernst genommen.

Die Herausforderung bei der Gestaltung von Videos liegt darin, Unterhaltung und Spass in ein ausgewogenes Verhältnis mit Informationsgehalt zu bringen, damit sich die Zielgruppen nicht nur amüsieren, sondern auch Wissen und Einblicke gewinnen, die sie in die richtige Richtung lenken.

Eine weitere Erkenntnis aus der Untersuchung der inhaltsbezogenen Faktoren war, dass Videos, die mit gängigen Klischees und Stereotypen arbeiten, weniger gut ankommen als Darstellungen, die ganz offensichtlich ein Klischee aufbrechen. Auch die Verwendung von vielen Fremdwörtern oder Fachausdrücken wird von den Rezipientinnen und Rezipienten eher nicht geschätzt.

 

Verpackung zählt

Die gestalterischen Faktoren wurden anhand der Stimuli «Interaktivität», «Animationen», «Musik» und «Stimme aus dem Off (Off-Text)» untersucht. Für die Bewertung des Stimulus «Interaktivität» wurde der Experimentalgruppe ein Video gezeigt, bei dem die Rezipientinnen und Rezipienten den Fortgang der Handlung interaktiv bestimmen konnten und der Kontrollgruppe ein Video, dessen Erzählstrang man linear folgen musste. Nun war es aber nicht, wie vermutet, das interaktive Video, das eher das Interesse für den Beruf zu wecken vermochte, sondern dasjenige der Kontrollgruppe. Interaktivität alleine reicht nicht, um das Publikum zu beeindrucken. Vor allem die erzählte Geschichte muss stimmen.

Die Untersuchungsergebnisse im Zusammenhang mit «Animationen», «Musik» und «Off-Text» wiesen darauf hin, dass alle drei Elemente gut ankamen. Musik schien kein besonderes Thema zu sein, sie wurde von der Kontrollgruppe, bei der sie untersucht wurde, eher nicht als störend oder ablenkend empfunden. Dass eine Stimme aus dem Off erzählt, die Person also nicht zu sehen ist, schien ebenfalls keinen negativen Einfluss auf die mit dem Video vermittelte Spannung zu haben. Darin waren sich beide Gruppen einig.

Schnell aufeinanderfolgende Bilder waren ein Gestaltungselement, das bei den Rezipientinnen und Rezipienten gut ankam. Sie wollten unterhalten werden und sich nicht mit langen Einstellungen beschäftigen müssen. Auch eine lebendige Erzählweise und bunte Farben erfüllten die Bedürfnisse der Zielgruppe.

 

MINT mittels Videos erklären

Das Experiment hat es deutlich gezeigt: Videos können ein sehr wirkungsvolles Instrument sein, um Jugendlichen und jungen Erwachsenen MINT-Themen näherzubringen. Passend eingesetzte gestalterische Elemente können dabei helfen, die Aufmerksamkeit des Publikums zu gewinnen. Wichtig dabei ist jedoch, dass dies nicht auf Kosten der Informationsvermittlung geschieht. Die grosse Herausforderung liegt darin, beide Aspekte in ein ausgewogenes Verhältnis zu bringen.

Die Erkenntnisse aus dem ersten Projektschritt flossen in die beiden Videotutorials ein. Die Tutorials sollen zeigen, wie Technikkommunikation für eine junge Zielgruppe umgesetzt werden kann. Tutorial 1 konzentriert sich auf die Themen Zielgruppe und Botschaft, Tutorial 2 auf Storytelling.

Literaturverzeichnis

FH Graubünden (2012a): Ingenieurberufe in den Medien: Wahrnehmung und Attraktivität von
Ingenieurberufen für potentielle Studienbewerber. 

FH Graubünden (2012b): Ingenieurberufe in den Medien: Wahrnehmung und Attraktivität von
Ingenieurberufen für potentielle Studienbewerber. 

FH Graubünden (2016): sciencEmotion. Oder wenn Technik Gefühle zeigt.

Beitrag von

Yvonne Herzig Gainsford

Yvonne Herzig Gainsford ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Multimedia Production (IMP).


Amina Ovcina Cajacob, Prof. Dr.

Prof. Dr. Amina Ovcina Cajacob ist Dozentin für Markt- und Medienforschung am Institut für Multimedia Production (IMP).