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«Nicht nur die Technik, sondern auch die Prozesse müssen neu gestaltet werden»
«Nicht nur die Technik, sondern auch die Prozesse müssen neu gestaltet werden»

«Nicht nur die Technik, sondern auch die Prozesse müssen neu gestaltet werden»

Die Expertinnen und Experten der FH Graubünden sind sich einig: Digitalisierung ist auch in der öffentlichen Verwaltung nicht aufzuhalten. Ursin Fetz leitet das Zentrum für Verwaltungsmanagement (ZVM) der FH Graubünden, Niklaus Stettler das Schweizerische Institut für Informationswissenschaft (SII).

Text: Antonia Hidber / Bild: Yvonne Bollhalder

Die Digitalisierung ist in aller Munde. Wann schwappt die Digitalisierungswelle auf die öffentliche Verwaltung über? Oder ist dies bereits geschehen?

Niklaus Stettler: Digitalisierung beginnt dort, wo man anfängt, mit digitalen Objekten zu operieren. Begonnen hat dieser Prozess in den Gemeinden schon vor zehn Jahren, meist mit der Einführung von Geschäftsverwaltungssystemen. Die Gemeinden verneinen zwar immer noch, dass sie digital arbeiten – das Papier ist aber schon längst nicht mehr ihr Leitmedium.

Ursin Fetz: Die Digitalisierung hat die öffentliche Verwaltung längst erreicht. Beispiele reichen von der einfachen Website der Kleingemeinde bis hin zum komplexen nationalen eUmzugCH-Projekt.

 

Was sind die nächsten Schritte?

NS: In einem nächsten Schritt geht es darum, Bestehendes und vorhandene Daten zu integrieren. Daten aus einem System sollen mit denjenigen aus anderen Systemen vernetzt werden. Genau diese Datenintegration führt schlussendlich zu einem grossen Rationalisierungsschritt. Der Anfang dafür ist gemacht, jährlich werden dann neue Schritte hinzukommen.

UF: Die öffentliche Verwaltung muss sich vermehrt konzeptionelle Gedanken machen. Eine Digitalisierungsstrategie ist angesichts des immer grösser werdenden technischen Fortschritts und der dabei entstehenden Datenmengen für jede Gemeinde ratsam. Jede Gemeinde sollte sich die Frage stellen: Wohin möchten wir uns entwickeln und wie verwenden wir all diese Daten?

«Sobald Vertrauen in die Sicherheit und in den Prozess da ist, spricht nichts mehr dagegen, Abstimmungen und Wahlen künftig elektronisch durchzuführen.»
Niklaus Stettler, Leiter, Schweizerisches Institut für Informationswissenschaft (SII)

Gilt es, besondere Rahmenbedingungen im Umgang mit öffentlichen Daten zu beachten?

UF: Das vielerorts in der Verwaltung geltende Öffentlichkeitsprinzip will das Handeln der staatlichen Behörden und Ämter für Aussenstehende nachvollziehbar und transparent gestalten. Dies ist dank der durch die Digitalisierung vorhandenen Datenmengen einfacher und sogar in Echtzeit möglich. Auf der anderen Seite regelt bzw. beschränkt das Datenschutzgesetz den Umgang mit Personendaten. Dies stellt die öffentliche Verwaltung vor neue Herausforderungen.

 

Was soll künftig mit öffentlichen Daten passieren, nachdem sie in einer Gemeinde erhoben wurden?

NS: Die Idee hinter «Open Government Data» ist, wie es der Name schon sagt, dass der Staat Daten nach der Erfassung der Öffentlichkeit zur Verfügung stellt, damit sie ausgewertet und verknüpft werden können. Und genau diese Datenverknüpfung ist der grosse Gewinn von Open Government Data.

«Die Digitalisierung bietet auch neue Chancen für die Partizipation bzw. Identifikation mit der eigenen Geschichte.»
Ursin Fetz, Leiter, Zentrum für Verwaltungsmanagement

Die Kommunikation mit Einwohnerinnen und Einwohnern via App und Web ist immer mehr im Kommen.

UF: Apps wie «Züri wie neu» bieten die Möglichkeit, der Verwaltung via Smartphone eine Mitteilung zu senden, wenn Schwachstellen an der öffentlichen Infrastruktur, beispielsweise eine lädierte Parkbank oder Belagsschäden, festgestellt werden. Eine zeitnahe Behebung des Mangels und die entsprechende Nachricht an die meldende Person seitens der Gemeinde zeigen, dass Anliegen ernst genommen werden und die Verwaltung agil agiert. Die Digitalisierung bietet also auch neue Chancen für die Partizipation bzw. Identifikation mit der eigenen Gemeinde.

 

Wie realistisch ist die Einführung von e-Voting?

NS: Es ist eine Frage von wenigen Jahren, bis e-Voting eingeführt wird. Technisch ist die Lösung dafür bereits vorhanden. Sobald das Vertrauen in die Sicherheit und in den Prozess gefestigt ist, spricht nichts mehr dagegen, Abstimmungen und Wahlen künftig elektronisch durchzuführen.

UF: Gerade das e-Voting zeigt eine weitere Herausforderung der Digitalisierung: Es wird die Stimmurne und den Abstimmungsbrief noch eine Zeitlang nicht ablösen, sondern vorerst nur ergänzen.

NS: Wichtig ist, dass die Gemeinden nicht nur Kommunikationskanäle via Website oder App einrichten, sondern sich auch über die im Hintergrund ablaufenden Prozesse Gedanken macht. Diese Prozesse den digitalen Möglichkeiten anzupassen und sie neu zu gestalten, ist eine der grossen Herausforderungen. Stimmen die Abläufe in der Verwaltung nicht, kann das Bild einer kundenorientierten Verwaltung nicht vermittelt werden.

UF: Die öffentliche Verwaltung muss ihre Prozesse optimieren. Dies galt schon bisher – und dies gilt in verstärktem Masse auch im Zuge der Digitalisierung.

 

Inwiefern können Sie als ZVM resp. SII die Gemeinden im Bereich der Digitalisierung unterstützen?

UF: Wir stehen Gemeinden beratend zur Seite, wenn es darum geht, die soeben angesprochenen Prozesse anzupassen. Daneben helfen wir, Digitalisierungsstrategien oder -konzepte zu entwerfen oder generell Strategieprozesse zu begleiten. Im Bereich Forschung haben wir mit dem sogenannten «Fusions-Check» ein Wirkungsmesssystem entwickelt. Ich kann mir gut vorstellen, dass solche Messinstrumente dank der Digitalisierung und der dadurch gewonnenen Daten in Zukunft vermehrt nachgefragt sein werden.

NS: Wir unterstützen die Gemeinden beim Entwerfen der Architektur und analysieren, wie verschiedene Informationssysteme zusammenspielen können. Dies kann Open Go­vernment Data betreffen, aber auch Daten in der Gemeindeverwaltung selbst.

UF: Nicht zuletzt lassen wir das Thema «Digitalisierung» in unser Weiterbildungsangebot einfliessen. Bei unserem CAS in Führung öffentliche Verwaltung und NPO werden die Digitalisierung und ihr Einfluss auf die Führung im politischen Kontext – aber auch auf die Kommunikation – beleuchtet und diskutiert.