Digitale Transformation an der FH Graubünden
Die digitale Transformation eröffnet Graubünden grosse Chancen, denn durch sie kann der Anschluss an Metropolitanräume sichergestellt werden. Die FH Graubünden hat die Wichtigkeit der digitalen Transformation früh erkannt und als strategische Initiative entwickelt. Die Megatrends «Neues Lernen», «Konnektivität» und «New Work» werden durch die Hochschule mittels Blended Learning aufgenommen und Studierende gezielt in der Digitalisierung ausgebildet. Auch in der Forschung ist die Digitalisierung als Querschnittsthema präsent.
Text: Prof. Martin Studer / Bild: Prof. Martin Studer, FH Graubünden
Was verstehen wir unter «Digitalisierung» beziehungsweise «digitaler Transformation»? Nähern wir uns dem Thema über eine Definitionen an: Das MIT Center for Digital Business definiert «digitale Transformation» wie folgt: «We define Digital Transformation as the use of new digital technologies (social media, mobile, analytics or embedded devices) to enable major business improvements (such as enhancing customer experience, streamlining operations or creating new business models).» (Ruoss, 2015)
Digitalisierung und digitale Transformation
Voraussetzung für die digitale Transformation ist die fortschreitende technologische Entwicklung – vor allem im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologien (ICT). Das Internet sowie Smartphone sind aus unserem heutigen Lebensalltag nicht mehr wegzudenken und die junge Generation, die «digital natives», wachsen mit den digitalen Technologien auf. Vergessen geht dabei, dass die Entwicklung noch relativ jung ist: Das Smartphone-Zeitalter begann erst vor rund zehn Jahren mit dem iPhone von Apple. Und aktuell steht mit dem Internet of Things möglicherweise die nächste technische Entwicklung mit grossem Potenzial in den Startlöchern.
Durch die digitale Transformation ergeben sich für Unternehmen Chancen zur Verbesserung der bisherigen Geschäftsmodelle, aber auch Möglichkeiten, ganz neue, «disruptive» Geschäftsmodelle zu entwickeln: Plattformen wie Airbnb oder Booking.com verändern den Tourismussektor, Amazon hat heute die weltweite grösste Auswahl an Büchern und elektronische Zahlungssysteme wie ApplePay verdrängen die Banken als traditionelle Dienstleister.
Es gibt kaum eine Branche, die nicht von der Digitalisierung betroffen ist. Diese aktuellen Entwicklungen wirken sich sowohl auf die Geschäftsmodelle, die Strategien, die Märkte und die Produkte als auch auf die Prozesse und Instrumente in Unternehmen aus. Der richtige Umgang mit dem digitalen Wandel wird für viele Unternehmen überlebenswichtig.
Digitale Transformation an der FH Graubünden
Auch Bildungsinstitutionen wie die FH Graubünden sind vom digitalen Wandel betroffen. Der NMC Horizon Report 2014 zum Thema Higher Education Edition (Johnson et al., 2014) identifiziert beispielsweise die zunehmende Nutzung von MOOCs (Massive Open Online Courses) als besondere Herausforderung der traditionellen Hochschulen und stellt fest, dass sich auch der Hochschulsektor den Veränderung stellen muss. Wie eignen sich Studierende und der Rest der Gesellschaft heute Wissen an? Die Studierenden gehen ins Internet, um Informationen und Nachrichten abzurufen, und verbringen dort mehr Zeit als im Unterricht. (Johnson et al., 2014)
Die FH Graubünden hat bereits früh die Chancen der digitalen Transformation erkannt und die Digitalisierung – neben Innovation und Nachhaltigkeit – als strategische Initiative unter dem Motto «Wir entwickeln uns mit der digitalen Zukunft» definiert.
Stärkung der digitalen Expertise der Studierenden
Die Stärkung des digitalen Lehr- und Lernangebots erfolgt an der FH Graubünden insbesondere durch das Blended Learning Center (BLC). Die an der FH Graubünden eingesetzte Lernplattform Moodle ermöglicht eine Reihe von Auswertungen, um den individuellen Fortschritt sowie die Teilnahme der Studierenden via Plattform in Echtzeit zu erfassen. Somit können die Dozierenden beispielsweise überprüfen, ob die Studierenden ihre Vorbereitungen rechtzeitig durchgeführt haben – und falls nicht, gegebenenfalls Massnahmen treffen. Diese Daten entfalten ihr volles Potenzial bei der automatischen Personalisierung der Lernangebote und den automatischen Rückmeldungen via Plattform an die Studierenden, ohne dass die Dozierenden im Semesterverlauf eingreifen müssen. Die Aufgabe der Dozierenden ist die Gestaltung von Lernarrangements, Kennwerten und didaktischen Interventionen.
Blended Learning ist ein integriertes Lernkonzept, das die heute verfügbaren Vernetzungsmöglichkeiten via Internet oder Intranet in Verbindung mit den «klassischen» Lernmethoden und -medien als sinnvolles Lernarrangement optimal nutzt. Die FH Graubünden unterstützt die Umstellung des «klassischen» Unterrichts auf den Blended-Learning-Methodenmix durch das in Zusammenarbeit mit den Studienleitungen und dem Blended Learning Center entwickelte Blended-Learning-Konzept sowie das Blended-Learning-Handbuch.
Mittels technischer Hilfsmittel wird es auch jenen Studierenden ermöglicht, welche nicht vor Ort sind, am Unterricht teilzunehmen. Mit dem Telepräsenzraum bietet die FH Graubünden den Dozierenden eine einfach zu bedienende Möglichkeit an, den Unterricht übers Internet zu streamen resp. aufzuzeichnen. So können die Studierenden ortsunabhängig dem Präsenzunterricht folgen. Im Telepräsenzraum können einzelne Unterrichtseinheiten in authentischem Umfeld mit hoher Qualität aufgezeichnet werden. Diese Aufzeichnungen können dann den Studierenden in Inverted-Classroom-Szenarien zur Verfügung gestellt werden. Damit können die Studierenden zeitlich flexibel die Inhalte der Dozierenden abrufen und sich auf die Präsenzeinheiten vorbereiten. Die FH Graubünden wird per Herbstsemester 2017 mit einem zweiten Telepräsenzraum die Kapazitäten weiter ausbauen.
Ausbau der Forschungsschwerpunkte und -felder im Bereich Digitalisierung
Die Digitalisierung ist in den Forschungsprojekten der FH Graubünden unter den Stichworten «Big Data», «Industrie 4.0» und «Digitalisierung im Tourismus» omnipräsent. Dies illustrieren die nachfolgend aufgeführten, von der Kommission für Technologie und Innovation (KTI) des Bundes geförderten Forschungsprojekte.
Das Projekt WISDOM des Schweizerischen Instituts für Informationswissenschaft (SII) kombiniert Daten von Online-Nachrichtenseiten, Blogs und sozialen Quellen, um mittels Methoden aus den Bereichen Web Intelligence und Information Extraction relevante Akteure, Themen und Trends zu identifizieren und diese in Metriken zur Unterstützung von Entscheidungsträgern zu integrieren. Dies ermöglicht es der Anwendungspartnerin Orell Füssli Wirtschaftsinformationen AG, Verflechtungen von Firmen zu erkennen und ihren Kundinnen und Kunden exaktere Angaben bezüglich deren Bonität zur Verfügung zu stellen.
Unter dem Stichwort «Industrie 4.0» stellt die Digitalisierung und die Vernetzung eine der grössten Herausforderungen dar. Gleichzeitig bieten sie ihnen aber auch die Chance, Wettbewerbsvorteile zu erlangen. Das Schweizerische Institut für Entrepreneurship (SIFE) hat im Rahmen eines Forschungsprojekts in Zusammenarbeit mit der Universität St.Gallen eine Roadmap zu «Industrie 4.0» für Schweizer Industrieunternehmen erarbeitet. Diese ermöglicht den Industriepartnern Schöttli AG, Trumpf Laser Marking Systems sowie United Grinding eine Einschätzung bezüglich Industrie 4.0 und damit eine gezielte Weiterentwicklung.
Die Digitalisierung im Tourismus illustriert das Projekt «Buchungstool für Gruppenreisen». Es soll eine Buchungsplattform erstellt werden, die es ermöglicht, (Gruppen-)Reisen nach Graubünden online zu planen. Die Plattform soll Unterkünfte, Ausflüge usw. vorschlagen, welche mit wenigen Klicks zu buchen sind, und eine individuelle Planung im Kalender ermöglichen. Durch das Projekt erschliesst sich für den Wirtschaftspartner Graubünden Ferien, und damit für den Kanton Graubünden, das Potenzial für Vereinsreisen. Jede fünfte Person in der Schweiz ist Mitglied in einem Sportverein, von welchen 90 Prozent einmal pro Jahr mindestens eine Vereinsreise unternehmen. Diese Marktlücke möchte Graubünden Ferien mit diesem Projekt schliessen.
Die genannten Beispiele illustrieren, dass die Digitalisierung ein Querschnittsthema an der FH Graubünden ist. Auch die Forschungsstrategie der FH Graubünden reflektiert diese Entwicklung. In den Departementen Angewandte Zukunftstechnologien, Entrepreneurial Management und Lebensraum sind auf die Digitalisierung ausgerichtete Forschungsfelder definiert worden.
Im Themenschwerpunkt «Angewandte Zukunftstechnologien» werden einerseits die nötigen technischen Grundlagen wie Bildverarbeitung, Optoelektronik und Internet of Things und ICT erforscht, andererseits beschäftigt sich der Forschungsschwerpunkt «Big Data and Analytics» mit der Auswertung grosser Datenmengen. Im Rahmen der Themenschwerpunkte «Unternehmerisches Handeln» und «Lebensraum» werden einerseits digitale Strategien erforscht und der E-Tourismus weiterentwickelt.
Digitalisierung der Support- und Managementprozesse
Zur Digitalisierung an der FH Graubünden gehört selbstverständlich auch die Digitalisierung der Hochschulprozesse. Bis Ende Jahr werden der Bewerbungsprozess digitalisiert und eine Online-Anmeldung für Studieninteressierte aufgeschaltet.
Aufgrund der frühzeitigen Beschäftigung mit der Digitalisierung kann die FH Graubünden heute ein umfassendes Leistungsangebot im Bereich der digitalen Transformation in allen vier Leistungsbereichen anbieten. Die Kernangebote im Bereich Digitalisierung sind klar am Thema ausgerichtet. Starke Partnerinnen und Partner gewährleisten den Praxisbezug und ergänzen unsere Kompetenzen.
Bachelorangebot: Digital Business Management
Das praxisorientierte Studium vermittelt neben Business- und IT-Grundlagen den Umgang mit konstantem Wandel und Innovation. Die Themen sind Analyse und Bewertung von aktuellen Trends und Geschäftsmodellen, Konzeption und Umsetzung innovativer E-Business-Lösungen sowie Leitung und Koordination von Projekten im E-Business-Umfeld.
Weiterbildungsangebot: EMBA – Digital Transformation
Der Executive MBA (EMBA) – Digital Transformation richtet sich an Führungskräfte, die sich den Anforderungen des digitalen Wandels aktiv stellen wollen. Es werden insbesondere zukunftsorientierte Managerinnen und Manager angesprochen, die am Puls des Wirtschaftslebens sind und deren Aufgabe es ist, Unternehmen oder Unternehmensbereiche im digitalen Zeitalter erfolgreich zu führen.
Wissens- und Technologietransfer: Forschungsfeld Digitale Strategien
Im Kompetenzfeld «Digitale Strategien» befassen wir uns seit mehreren Jahren mit der Entwicklung und Anpassung von neuen Geschäftsmodellen sowie der Etablierung und Positionierung von Produkten und Leistungen in Online-Märkten. Ein Kerngebiet der Arbeit des Kompetenzfelds sind Analysen von Nutzer- und Käuferverhalten auf Online-Plattformen, Customer Journeys auf dem Weg zu diesen Plattformen sowie Segmentierungen von Nutzern und Käufern in Online-Infrastrukturen. Die aktuellen Projekte betreffen vor allem Plattformen, die Elemente aus Social Media und E-Commerce vereinen und offene Web-2.0-Plattformen mit kombinierten Anbieter- und Kauf-Funktionen.
Service Innovation Lab (SIL)
Dienstleistungen werden zunehmend zum erfolgskritischen Differenzierungsmerkmal von Unternehmen. Auch Industriebetriebe ändern ihre Geschäftsmodelle und konzentrieren sich auf produktbegleitende Dienstleistungen. Häufig sind die Unternehmen auf diesen Paradigmenwechsel nicht vorbereitet. Das Service Innovation Lab (SIL) der FH Graubünden hilft Unternehmen, sich mit Dienstleistungen und Dienstleistungsinnovationen auseinanderzusetzen und sich damit für die Zukunft zu rüsten.
Die FH Graubünden ist für die digitale Zukunft gerüstet. Durch die Digitalisierung in der Aus- und Weiterbildung will die FH Graubünden den Grundstein für die eigene Zukunft legen und ihr Angebot weiter ausbauen. Im Rahmen dieses Wandels, aber auch durch Forschungs- und Entwicklungsprojekte im Bereich der Digitalisierung, treiben wir die Weiterentwicklung unserer Hochschule voran – und mit ihr auch diejenige unserer Studierenden sowie Wirtschaftspartner. Schweizweit, aber mit Fokus auf unseren Kanton Graubünden.
Übersicht der Aktivitäten im Rahmen der digitalen Transformation an der FH Graubünden.
Quellen
Ruoss, Sven (2015). Teil 2: Was wird unter digitaler Transformation genau verstanden?. https://svenruoss.ch/2015/06/16/teil-2-was-wird-unter-digitaler-transformation-genau-verstanden/ (Zuletzt besucht: 28.04.2017)
L. Johnson, S. Adams Becker, V. Estrada, und A. Freeman (2014). NMC Horizon Report: 2014 Higher Education Edition. Deutsche Ausgabe. Austin, Texas: The New Media Consortium. https://www.nmc.org/publication/nmc-horizon-report-2014-higher-education-edition/