«Wow-Effekt» für die Praxis
In Unternehmen werden Aufgaben zunehmend in Projekten umgesetzt. Die projektorientierte Arbeit erfordert ein hohes Mass an fachlichen, methodischen und sozialen Kompetenzen. Im Bachelor-Studiengang Betriebsökonomie der FH Graubünden wird Projektmanagement zunehmend als Schlüsselqualifikation erachtet, die in vielen Unternehmen grundsätzlich vorausgesetzt wird. Es ist ein grosser Vorteil, dass Unternehmen Aufgabestellungen an die Bündner Fachhochschule herantragen, im Rahmen derer Studierende ihre erlernte Theorie in die Praxis umsetzen können.
Text: Prof. Dr. Ivan Nikitin / Bild: @fredheimfotos, Hotel Schweizerhof Lenzerheide
In vielen Unternehmen wird meist davon ausgegangen, dass Mitarbeitende Projekte managen können. Deshalb sollen die Betriebsökonomie-Studierenden an der FH Graubünden die erworbenen Theoriekenntnisse in konkreten Aufgabestellungen, sogenannten Praxisprojekten, anwenden. Die Studierenden können ihr Projektthema aus einer mit Praxispartnern und -partnerinnen vereinbarten Themenliste wählen. Diese Wahlmöglichkeit erlaubt es, dass die Studierenden ihre beruflichen und persönlichen Interessen mit dem Modulinhalt verbinden können. Zum gewählten Projektthema bilden die Studierenden Teams von vier bis sieben Personen. Für die Projektarbeit sind pro Person etwa 50 Stunden vorgesehen, die bis zum Semesterende zu erbringen sind. Im Herbstsemester 2015/16 befassten sich zwei Gruppen von Studierenden mit Aufträgen des Zauberwalds in Lenzerheide.
Vorweihnachtliches Lichterfest
Mit viel Herzblut engagieren sich Claudia Züllig-Landolt, Giancarlo Pallioppi, Primo Berera und das gesamte Organisationskomitee des Vereins «Zauberwald Lenzerheide» für ihren Event. Der «Zauberwald» findet seit 2013 jährlich während der Weihnachtszeit in der Bündner Destination statt. Als einzigartiges Sinnesfestival mit Lichtinstallationen, Live-Konzerten und dem Marktdörfchen mit regionalen Spezialitäten berührt der Zauberwald in der Advents- und Weihnachtszeit die Herzen von Gross und Klein. Im Jahr 2015 liessen sich rund 29 000 Besucherinnen und Besucher begeistern.
Das Hauptziel beider Aufträge an die Studierenden war es, mögliche Erweiterungen für die Zukunft des Zauberwaldes zu untersuchen und konkrete Vorschläge auszuarbeiten. Bei der Erarbeitung galt es zu beachten, dass die bisherige Wahrnehmung des Zauberwalds Lenzerheide als einzigartiges Lichtspektakel gewährleistet sein musste. Alle denkbaren Vorschläge sollten zum bestehenden Konzept passen und auf ein dauerhaftes Bestehen der Veranstaltung abzielen.
Im folgenden Interview gibt Claudia Züllig-Landolt, langjährige Hotelière in der Lenzerheide und Vizepräsidentin des Zauberwald-Organisationskomitees, Rückmeldung zur Zusammenarbeit mit den angehenden Betriebsökonominnen und -ökonomen. Das Interview führte Prof. Dr. Ivan Nikitin.
Was ist Ihre Haupttätigkeit als Vizepräsidentin des Vereins «Zauberwald Lenzerheide»?
Die Aufgabenbereiche haben sich während der letzten drei Jahre stark verändert. Als Giancarlo Pallioppi – er ist der «geistige Vater» dieser Idee – auf mich zukam, brauchte es vor allem viel Mut. Danach gründeten wir einen Verein, um die Idee in die Tat umzusetzen. In den vergangenen Jahren haben sich unsere Tätigkeiten und Aufgabenbereiche immer wieder verändert. Aktuell bin ich zu einem grossen Teil für das Sponsoring zuständig, wobei Giancarlo und ich, gemeinsam mit Primo Berera als künstlerischem Leiter, noch immer die Gesamtverantwortung für den Event tragen. Unser anfängliches Budget von ca. CHF 150 000 hat sich mittlerweile mehr als vervierfacht. Seit diesem Jahr dürfen wir uns zudem auf die professionelle Unterstützung von Lenzerheide Marketing Support verlassen.
Der Zauberwald war in den letzten Jahren sehr erfolgreich. Welche Ziele haben Sie sich für die Zukunft gesetzt?
Wir wollen uns keine quantitativen Ziele setzen, sondern vor allem auf eine nachhaltige Entwicklung und auf Qualität setzen. Der Lenzerheidner Zauberwald wird hauptsächlich im Eichhörnliwald durchgeführt. Wir sind von den Platzverhältnissen her glücklicherweise etwas beschränkt, sodass der Event seine Ausstrahlung nicht verlieren kann. An den Konzertabenden können wir maximal 4 000 Menschen im Wald begrüssen. Eine Erweiterung in Richtung Dorf oder Berg ist aber für die Zukunft geplant.
Welche sind die Verbindungen zwischen dem Zauberwald und Ihrer Hotelière-Tätigkeit?
Wir führen diesen Event nicht aus Eigeninteresse durch, sondern tun dies für die Ferienregion Lenzerheide. Aber natürlich gibt es auch das gemeinsame Interesse aller Hoteliers der Region hinsichtlich einer besseren Auslastung der Hotelbetten in der Vorweihnachtszeit. Insbesondere in den letzten drei schneearmen Wintern war das Lichtfestival in dieser Zeit das Highlight der Region. Da man sich heutzutage nicht mehr auf die Saisonalität bzw. den Schnee verlassen kann, sind wir in den Bergregionen gefordert, die Gäste mit innovativen und kreativen Ideen für uns zu gewinnen.
Warum haben Sie die FH Graubünden gewählt, um das Projekt Zauberwald weiterzuentwickeln?
Die FH Graubünden kenne ich schon lange, da ich schon mehrere Bachelor-Arbeiten betreut habe. Ausserdem betreue ich als Mentorin jedes Jahr eine Studentin. Von einer Bekannten habe ich vernommen, dass die Studierenden auch Praxisprojekte erarbeiten. Das war mir vorher nicht bewusst gewesen und so bin ich über Brigitte Küng, FH Graubünden-Projektleiterin, mit der ich im Rahmen des Mitarbeiter-Sharing-Projekts zusammenarbeite, zu Ihnen, Herr Nikitin, gekommen.
Welchen Mehrwert haben Sie sich von der Zusammenarbeit mit den Studierenden versprochen, im Gegensatz zu einem Beratungsunternehmen?
Einer Beratungsfirma sagt man, was man möchte, sie bringt es in einen schönen Kontext und verrechnet viel Geld. Das wollen und können wir uns nicht leisten. Wir sind ein Start-up und müssen mit unseren Finanzen behutsam umgehen. Zudem waren wir natürlich gespannt auf die Zusammenarbeit mit jungen Studierenden, welche über das neuste Wissen und die besten Technologien verfügen.
Zwei Studierendengruppen bearbeiteten Zauberwald-Aufträge. Können Sie etwas zu den Zielsetzungen der beiden Projekte sagen?
Die eine Gruppe hatte mit der Untersuchung einer Erweiterung des Zauberwaldes in Richtung Dorf bzw. Berg ein schwierigeres Thema. Die Erweiterung des Anlasses ist eines unserer langfristigen Ziele, ohne dass der Zauberwald seinen heutigen Charme dabei verlieren darf. Es hiess also zu untersuchen bzw. zu klären, wo auf dem Berg oder im Dorf eine Lichtinstallation bzw. ein Zusatzevent realisiert werden könnte.
Das andere Projekt war konkreter formuliert: Es ging darum, wie Familien mit Kindern, die einen Grossteil unserer Besucher im Zauberwald ausmachen, noch besser betreut werden können. Die tiefen Temperaturen sind für Familien eine Herausforderung und trotzdem möchten wir diese Zielgruppe weiterhin ansprechen, denn die Kinder sind unsere zukünftigen Gäste. Wir möchten eine Kinderbetreuung anbieten, damit die Eltern den Zauberwald auch mal für sich geniessen können.
Wie haben sich die beiden Gruppen aus Ihrer Sicht geschlagen?
Beide Gruppen haben extrem professionell und gut mit uns zusammengearbeitet. Sie haben eine tolle und terminlich sehr verlässliche Leistung erbracht. Und sie verdienen unsere Hochachtung, denn bei beiden Gruppen handelte es sich um Teilzeitstudierende, die auch einem Beruf nachgehen. Aber genau dies war bei der Umsetzung der Projekte wohl auch von Vorteil, denn die Studierenden hatten eine Vernetzung mit der Arbeitswelt und kannten auch deren Mechanismen (Zeitdruck etc.). Sie nutzten ihre und unsere Zeit sehr effizient und wir wurden nur dann kontaktiert, wenn es auch notwendig war.
Wie wurden die inhaltlichen Aspekte der Projekte erarbeitet?
Die Frauengruppe hatte mit der Erweiterung in Richtung Dorf oder Berg die schwierigere Aufgabe zu lösen. Hier wurden unsere inhaltlichen Erwartungen nicht ganz erfüllt. Das hat aber nichts mit der Qualität der Arbeit zu tun. Meines Erachtens hat diese Gruppe sich zu sehr im Detail verloren, anstatt eine gewisse Flughöhe beizubehalten. Diese wäre aber notwendig gewesen, um eine eher langfristigere Perspektive des Projekts zu entwickeln.
Die zweite Projektgruppe hatte den Vorteil, dass genau diese Tiefe gefragt war. Die Männergruppe hat inhaltlich so ein tolles Projekt erarbeitet und präsentiert, dass wir es 1:1 übernehmen und umsetzen können. Die Studenten haben uns einen echten «Wow-Effekt» präsentiert! Ich möchte aber nochmals betonen, dass die beiden Projekte sehr unterschiedlich waren.
Wenn Sie gesamthaft die Ergebnisse der Projektgruppen anschauen, was hat Sie besonders überzeugt?
Bei der Damengruppe hat mich vor allem begeistert, dass sie sofort den Lead übernommen haben. Die Männergruppe konnte anfänglich etwas in ihrem «Windschatten» mitlaufen. Bei der geforderten Gästebefragung im Zauberwald haben die Studentinnen ganz stark die Führung übernommen. Manchmal haben sie sich jedoch auch hier schon im Detail verloren. Ich bin aber der Überzeugung, dass solche Erfahrungen zu Praxisarbeiten gehören, denn genau daraus lernt man am meisten für die berufliche Zukunft.
Wenn man dann konkret die Ergebnisse der beiden Projektgruppen betrachtet, so ist es das Projekt der Herrengruppe, das uns enorm überzeugt hat und das wir im Zauberwald 2016 implementieren werden. Dadurch können wir im kommenden Winter eine Neuheit präsentieren, die Familien mit Kindern einen echten Mehrwert bietet und für den Zauberwald eine zusätzliche Attraktion darstellt.
Sind Sie auch nach Beendigung der beiden Projekte in Kontakt mit den Studierenden?
Wir haben die männliche Studentengruppe zu einer OK-Sitzung eingeladen und sie haben uns ihr Projekt präsentiert. Anlässlich dieser Präsentation sind die Studenten erneut sehr professionell vorgegangen und haben das OK Zauberwald begeistert. Wir konnten Daniel Horber, einen der Studenten, dafür gewinnen, als Projektleiter die «Zauberjurten» umzusetzen. Er wird gemeinsam mit der Pädagogischen Hochschule Graubünden (PHGR) sowie der Kinderkrippe Kimi Daleu in Chur das Konzept für die Kinderbetreuung implementieren. Uns hat vor allem auch der Ansatz einer gemeinsamen Kooperation mit anderen Partnern beeindruckt und sehr positiv überrascht. Sie wollten nicht alles selber erarbeiten, sondern haben sich Experten und Expertinnen gesucht, welche ihnen wertvolle Inputs für ihre Projektarbeit geben konnten.
Als Fazit kann gesagt werden, dass beide Projekte grundsätzlich erfolgreich waren.
Das ist so. Ob es jedoch ein Erfolg bei den Besucherinnen und Besuchern des Zauberwaldes wird, wird sich erst noch erweisen. Die Projektplanung läuft erfolgreich. Die PHGR befasste sich im Juni 2016, anlässlich einer Projektwoche, mit der konkreten Umsetzung der Kinderbetreuung. Ich finde es einzigartig, dass ein Student der FH Graubünden eine Studierendengruppe der PHGR betreut. Ich bin überzeugt, dass daraus eine spannende Dynamik entsteht.
Über Claudia Züllig-Landolt
Claudia Züllig-Landolt ist Gastgeberin im Hotel Schweizerhof in Lenzerheide. Gemeinsam mit ihrem Mann und den Mitarbeitenden führt sie das Hotel nun seit 25 Jahren. Zusätzlich übt sie noch Nebentätigkeiten im Berufsbildungsbereich aus, beispielsweise als Mitglied der Berufsbildungskommission von hotelleriesuisse. In dieser Funktion ist sie auch für die Nachwuchsförderung der Branche im Kanton Graubünden zuständig. Ausserdem ist Züllig-Landolt Vizepräsidentin des Vereins «Zauberwald Lenzerheide».
Beitrag von
Professor für Projektmanagement, Zentrum für Betriebswirtschaftslehre ZBW