Produktbegleitende Dienstleistungen in China
Industriebetriebe sehen sich zunehmend mit fallenden Margen auf ihre Kernprodukte konfrontiert. Mit vor- und nachgelagerten Dienstleistungen lässt sich das Ertrags- und Gewinnpotenzial nachhaltig steigern. Der chinesische Markt steht hinsichtlich produktbegleitender Dienstleistungen durch Schweizer KMU allerdings erst am Anfang.
Text: Helene Blumer / Bild: FH Graubünden, ZHAW
Die Globalisierung hat den Wettbewerbsdruck in vielen Branchen erhöht. Die Margen auf den Produktverkäufen verringern sich. Innovationen werden kopiert. Die Differenzierungsmöglichkeiten verlagern sich zunehmend vom Produkt auf die damit verbundenen Services. Studien zeigen, dass die Gewinnmargen bei produktbegleitenden Dienstleistungsangeboten heute zwischen 15 und 25 Prozent liegen, während sie bei den eigentlichen Kernprodukten nur noch 7 bis 11 Prozent betragen. Bei gewissen Industriebetrieben machen vor- und nachgelagerte Dienstleistungen bereits 40 Prozent des Gewinns aus. Produktbegleitende Dienstleistungen erweisen sich überdies als konjunkturunabhängiger als die eigentlichen Produktverkäufe.
Produzenten entwickeln sich zu Dienstleistern
Es genügt deshalb häufig nicht mehr, ein Produkt (z. B. eine Maschine, Anlage oder Ausrüstung) zu verkaufen. Vielmehr erwarten die Kundinnen und Kunden im Industriebereich das Angebot einer Gesamtlösung, die vor- und nachgelagerte Dienstleistungen umfasst. Solche produktbegleitenden Dienstleistungen können Kundenschulungen, Produktinstallationen, Produktwartung, Ersatzteillogistik, Reparatur und Unterhalt sowie technischer Support sein. Während grosse, multinational tätige Industrieunternehmen wie Pilatus, Hilti, Stadler Rail und Rieter vor- und nachgelagerte Dienstleistungen bereits professionell und profitabel anbieten, fehlen bei kleinen und mittelgrossen Firmen (KMU) häufig das Know-how und die Ressourcen, um «Servitization» als gewinnbringendes Geschäft zu etablieren. Dies gilt umso mehr bei ausländischen Märkten.
Chinesischer Markt gewinnt an Bedeutung
Die asiatischen Märkte gewinnen als Wirtschaftsraum für die globale Wirtschaft zunehmend an Bedeutung. Während im Jahre 2010 die Europäische Union, die USA sowie Asien je ca. 25 Prozent zum globalen Bruttoinlandprodukt beitrugen, wird in Prognosen davon ausgegangen, dass sich der Anteil Asiens bis zum Jahr 2030 auf über 35 Prozent erhöht, während der EU-Anteil auf unter 20 Prozent fallen wird.
Die gestiegene Bedeutung asiatischer Märkte mit China als «Leading Tiger» spiegelt sich auch in der schweizerischen Wirtschaft wider. Heute exportieren rund doppelt so viele Industrie-KMU wie noch vor zehn Jahren ihre Produkte in asiatische Märkte. Aktuelle Studien gehen davon aus, dass sich die Schweizer Exporte in die grossen Schwellenländer (Brasilien, Russland, Indien, China) bis 2035 verdoppeln werden und Deutschland als wichtigster Handelspartner der Schweiz bis dahin durch China abgelöst wird. Mit dem 2014 unterzeichneten Freihandelsabkommen zwischen der Schweiz und China und dem starken Schweizer Franken gegenüber dem Euro dürfte sich dieser Trend weiter fortsetzen.
Anspruchsvolles After-Sales-Service-Geschäft in China
Ein Wandel des unternehmerischen Selbstverständnisses vom reinen Produzenten hin zu einem Dienstleister, einem Anbieter von Gesamtlösungen, sowie eine erfolgreiche Bearbeitung asiatischer Märkte – insbesondere China – werden für Schweizer Unternehmen zunehmend zu einem zentralen Wettbewerbsvorteil und ermöglichen eine ökonomisch nachhaltige Geschäftsentwicklung. Während sich in etablierten Märkten wie Europa oder den USA vor- und nachgelagerte Dienstleistungen als Geschäft erfolgreich betreiben lassen, bekunden insbesondere kleine und mittelgrosse Industriebetriebe Mühe, Dienstleistungen in China profitabel anzubieten.
Das Schweizerische Institut für Entrepreneurship SIFE der FH Graubünden untersucht in Zusammenarbeit mit dem Competence Center Asia Business der ZHAW School of Management and Law in einem bis Mitte 2017 laufenden und von der Kommission für Technologie und Innovation (KTI) unterstützten Forschungsprojekt die Servicemodelle von kleinen und mittelgrossen Schweizer Industrieunternehmen in China. Ziel des Projekts ist es zu verstehen, wie die Unternehmen produktbegleitende Dienstleistungen auf dem chinesischen Markt anbieten, welche Faktoren das Angebot dieser Dienstleistungen beeinflussen und unter welchen Umständen sich welche Angebote bewähren.
Am Forschungsprojekt beteiligt sind acht KMU aus der Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie (MEM-Industrie). Die After-Sales-Service-Geschäftsmodelle dieser Unternehmen wurden im Rahmen von Fallstudien analysiert und miteinander verglichen. Als Ergebnis resultierte daraus ein generisches International-After-Sales-Service-Modell, das aufzeigt, welche Ergebnisse KMU mit ihrem Service-Angebot in China anstreben, wie sie dieses ausgestalten und welche unternehmensinternen und -externen Faktoren die Ausgestaltung des Dienstleistungsangebots beeinflussen. In einem nächsten Schritt wird dieses Modell mit den Servicemodellen von Unternehmen verglichen, die in ihrem Servitization-Prozess deutlich weiter entwickelt sind und im chinesischen Markt bessere Ergebnisse erzielen als die untersuchten Betriebe. Abgeleitet werden daraus Möglichkeiten zur Optimierung der Serviceangebote der am Projekt beteiligten Schweizer Unternehmen.
Schweizer Unternehmen verhalten sich passiv
Die bisherigen Ergebnisse aus dem Projekt zeigen, dass der Aufbau eines Service-Geschäfts in China ein schwieriges Unterfangen darstellt. Die Gründe hierfür liegen vor allem in der geringen Zahlungsbereitschaft chinesischer Kundinnen und Kunden für Serviceleistungen, in der fehlenden Verfügbarkeit verlässlicher Servicepartner vor Ort und im Ausweichen chinesischer Unternehmen auf Serviceangebote lokaler Firmen, welche diese kopieren und zu erheblich günstigeren Konditionen anbieten. Die untersuchten Schweizer KMU sind nicht in der Lage, vor allem immaterielle Services wie Schulungen und Produktinstallationen zu verrechnen. Umsätze werden allenfalls mit materiellen Leistungen wie Ersatz- und Verschleissteilen erzielt. Die Unternehmen scheinen sich zudem in einem Teufelskreis zu bewegen. Die Rahmenbedingungen für Services in China werden negativ eingeschätzt. Entsprechend wenig wird in eine systematische Entwicklung und eine aktive Vermarktung von Serviceleistungen investiert. Die Ergebnisse fallen enttäuschend aus, was die negative Einschätzung der Rahmenbedingungen bestätigt.
Ziel der zweiten Projektphase wird es deshalb sein, die Bedingungen für das Angebot von After-Sales-Services in China zu überprüfen und Best-Practice-Fälle zu erarbeiten, die den beteiligten Unternehmen aufzeigen, wie sie ihre Service-Geschäftsmodelle weiterentwickeln und sich aus der passiven Haltung lösen können.
Beitrag von
Helene Blumer
Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Schweizerisches Institut für Entrepreneurship SIFE