Möglichst langfristigen Nutzen stiften
Die FH Graubünden orientiert sich am Drei-Säulen-Modell der nachhaltigen Entwicklung, welches wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, gesellschaftliche Solidarität und ökologische Verantwortung in den Fokus rückt. Simon Dalcher, Teamleader des Student Hub Chur, befragt Prof. Dr. Lutz E. Schlange, Vorsitzender der Nachhaltigkeitskommission der FH Graubünden, zum Verständnis und zu den Aktivitäten im Bereich Nachhaltigkeit der Bündner Fachhochschule.
Text: Simon Dalcher, Prof. Dr. Lutz E. Schlange / Bild: Sandra Savin, Kyle Smith
Wie sieht eine nachhaltige Hochschule aus?
Eine nachhaltige Hochschule ist sehr langfristig in die Zukunft orientiert. Sie erkennt die grösseren Zusammenhänge auf ganzheitliche Weise und setzt ihre eigenen Aktivitäten so in Wert, dass sie langfristig für die Region, für die Wirtschaft, aber auch für die Umwelt und die gesamte Gesellschaft einen möglichst grossen Nutzen stiften.
Was sind die Vorzüge einer nachhaltigen Hochschule?
Eine nachhaltige Hochschule steht dafür ein, dass eine langfristige Perspektive in das Denken und Handeln Einzug hält und wir uns gemeinsam im Sinne der nachhaltigen Entwicklung vorwärts bewegen – also gleichermassen in der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, der gesellschaftlichen Solidarität und der ökologischen Verantwortung. Wie mit einem Frühwarnsystem können wir so auch die langfristigen Entwicklungen in unserem Umfeld wahrnehmen, was der Hochschule nutzt, weil sie sich rechtzeitig darauf einstellen kann.
Wie sieht die aktuelle Strategie der FH Graubünden in Sachen nachhaltige Entwicklung aus?
In ihrer Strategie hat sich unsere Fachhochschule pionierhaft zur Nachhaltigkeit bekannt, sowohl in ihrer Mission als auch in ihrem Leitbild – und damit in ihren Grundwerten. Ebenso wichtig für die Grundausrichtung ihres Wertesystems ist der Begriff der «Verantwortung» im Sinne des ethisch vorausschauenden Handelns.
Wer an der FH Graubünden und welche Organe sind dafür verantwortlich?
Alle Hochschulangehörigen! Im Einzelnen hat der Hochschulrat die Kompetenz, langfristig wirksame Entscheide zu treffen, welche die Positionierung und das Verhalten der Fachhochschule nachhaltig beeinflussen. In der strategischen und operativen Umsetzung muss die Hochschulleitung dafür sorgen, dass sich alle im Sinne der nachhaltigen Entwicklung ausrichten. Sie muss ein klares, in sich stimmiges Zielsystem vorgeben, das alle dazu motivieren kann, sich auch persönlich dafür einzusetzen. Als Mitwirkungsgremium gibt es eine Nachhaltigkeitskommission, die diesen Prozess förderlich gestalten hilft.
Was muss man sich unter dieser Nachhaltigkeitskommission konkret vorstellen?
Indem die Kommission Themen aufgreift, Aufgaben definiert und in konkrete Projekte umsetzt, übernimmt sie die Rolle eines Katalysators für die angestrebte nachhaltige Entwicklung unserer Hochschule. Dies im Sinne einer beratenden und vorbereitenden Funktion zuhanden der Hochschulleitung, welche dann die Vorschläge auf Kompatibilität mit der Strategie prüft und die Umsetzung vorantreibt. Wenn es darum geht, die Vorhaben möglichst handfest in die Realität an unserer Hochschule umzusetzen, kann die Kommission auch eigene Nachhaltigkeitsprojekte in Gang setzen, zum Beispiel mit Studierenden.
Wer sind die wichtigsten Stakeholder der Nachhaltigkeitskommission?
Ich beginne mit der Gruppe, die für uns ganz unverzichtbar ist: Unsere Studierenden, die wir mit unserer Botschaft erreichen wollen. Damit möchten wir sie motivieren, sich auch selbst für eine nachhaltige Entwicklung einzusetzen. Als weitere Gruppen nenne ich unsere Mitarbeitenden, also das wissenschaftliche Personal und die Dozierenden, die sich gemeinsam mit den Studierenden auf diesen Weg begeben, sowie die Mitarbeitenden der Zentralen Dienste, die einen «nachhaltigen Campus» betreiben.
Und wer sitzt in dieser Nachhaltigkeitskommission?
Alle relevanten Anspruchsgruppen. Derzeit sind es sechs Mitglieder, ein Vertreter der Studierenden und je ein Vertreter aus der Lehre und der Forschung. Auch die Zentralen Dienste sowie die Weiterbildung und die Dienstleistungen sind vertreten. Dieses Kernteam lässt sich situativ ergänzen aus einem erweiterten Kreis von Experten und Expertinnen, auf die wir zurückgreifen können.
Wann wurde die Kommission ins Leben gerufen?
Unter Beteiligung der verschiedenen Anspruchsgruppen hat eine Task Force rund zwei Jahre darüber beraten, wie sich das konkret in Form einer Weisung installieren liesse. Ein Wahlverfahren wurde entwickelt und Hochschulangehörige konnten ihr Interesse an einer Mitarbeit bekunden. Schliesslich hat es einen Vorschlag zuhanden der Hochschulleitung gegeben und diese hat dann die Mitglieder berufen. Seit Ende 2015 ist die Kommission aktiv.
Wie oft kommt die Nachhaltigkeitskommission zusammen und wie wird sie finanziert?
Wir haben sechs ordentliche Sitzungen im Jahr, die sich am Terminplan der Hochschulleitung orientieren. Zudem können wir nach Bedarf ausserordentliche Sitzungen einberufen. Für ihre Standardaufgaben erhält die Kommission Mittel aus dem Hochschulbudget, deren Grössenordnung sich an den Vorgaben anderer FH Graubünden-Kommissionen orientiert.
Als Student interessiert mich natürlich, wie ich von der Nachhaltigkeitskommission profitieren kann. Wie kann ich mit ihr in Kontakt kommen?
Der Kontakt ist jederzeit möglich, da die Studierenden unsere Hauptzielgruppe sind. Auch in der Mission und Strategie der FH Graubünden haben wir uns das auf die Fahne geschrieben: Wir wollen unsere Studierenden zu verantwortungsbewussten und nachhaltig denkenden und agierenden Menschen ausbilden, die ihre Rolle als Fachleute in Wirtschaft und Gesellschaft einnehmen. Von daher ist es stets von Interesse, wenn Studierende konkrete Anliegen haben.
Principles for Responsible Management Education
Wie lässt sich das komplexe Thema der Verantwortung für nachhaltige Entwicklung an einer Hochschule praktisch umsetzen? Dazu hat sich die FH Graubünden als erste öffentliche Schweizer Hochschule den Principles for Responsible Management Education (www.unprme.org) verpflichtet. In ihren regelmässigen Fortschrittsberichten zuhanden des Global Compact Office bei den Vereinten Nationen lässt sich die Entwicklung hin zu einer «nachhaltigen Hochschule» an vielen Beispielen nachverfolgen (Download). Auf Ko-Initiative der FH Graubünden gründeten 15 deutschsprachige Hochschulen das PRME Regional Chapter DACH, welches sich seit 2014 regelmässig zur koordinierten Förderung der universitären Aus- und Weiterbildung gesellschaftlich verantwortungsbewusster Führungskräfte trifft. Initiiert von der FH Graubünden, findet am 9. und 10. November 2016 bereits die dritte internationale PRME Forschungskonferenz an der FH Krems in Österreich statt. Studierende und Forschende sind herzlich eingeladen, ihre Initiativen und Projekte zur nachhaltigen Entwicklung bei der Konferenz einzureichen (Kontakt: Prof. Dr. Lutz E. Schlange). Diese Erfolgsgeschichte gründet auf dem klaren Bekenntnis der Hochschulleitung und dem Einsatz der Hochschulangehörigen für die daraus abgeleiteten Zielsetzungen. Als Anerkennung ihres grossen Engagements wurde die FH Graubünden 2014 in die PRME-Champions-Gruppe aufgenommen und gehört damit zum Kreis der fortschrittlichsten PRME-Hochschulen weltweit. Seit diesem Jahr koordiniert der PRME Hub alle Aktivitäten an der FH Graubünden (Kontakt: Silke Zöllner).
Aufbruch in der Forschung: Wer, wenn nicht wir?
Bislang haben nur eine Handvoll Hochschulen die Chance genutzt, sich auch in Bezug auf ihren wissenschaftlichen Output auf die Megatrends «nachhaltige Entwicklung» und «gesellschaftliche Verantwortung» zu konzentrieren. In ihrer Forschungsstrategie hat die FH Graubünden wegweisende Entscheide getroffen und in ihrer Forschungslandkarte klare Schwerpunkte diesbezüglich gesetzt. Der Leistungsausweis der Forschenden darf sich sehen lassen und hat bereits zu beachtlicher nationaler und internationaler Anerkennung der FH Graubünden geführt. So hat sich die Forschung zur Korruptionsbekämpfung inzwischen zu einem festen Standbein entwickelt; das Schweizerische Institut für Entrepreneurship SIFE baut dieses Thema mit der Einrichtung des ersten europäischen «Business Integrity Action Centers» durch themenspezifische Kooperationen mit weiteren FH Graubünden-Instituten weiterhin aus. Das Zentrum für wirtschaftspolitische Forschung ZWF ist auf dem Gebiet der nachhaltigen Energieökonomie und -politik ein innovativer Kooperationspartner. Das Institut für Tourismus und Freizeit ITFbefasst sich in einer grossen Vielfalt an Projekten mit der Nachhaltigkeit der Tourismus- und Freizeitindustrie. Auf dem Gebiet der Dienstleistungsforschung sind wichtige Erfolge zur Gestaltung nachhaltiger Serviceinnovationen zu verzeichnen, welche mit der Eröffnung des Service Innovation Lab SIL weiter verstärken werden. Diese kurzen Beispiele zeigen, dass Verantwortung für Nachhaltigkeit die Forschungsaktivitäten der Bündner Fachhochschule mitbestimmt und als Querschnittsthema durchdringt. Die Megatrends liefern uns dafür den erwünschten Rückenwind. (Kontakt: Prof. Josef Walker)
Wie würde die Kontaktaufnahme konkret vor sich gehen?
Eine schriftliche Eingabe kann zum Beispiel über das Kommissionssekretariat erfolgen. Wir schalten uns mit ihnen zusammen und arbeiten gemeinsam heraus, was das Anliegen konkret beinhaltet. Dann laden wir sie dazu ein, ihr Anliegen an einer Kommissionssitzung vorzustellen, um gemeinsam darüber zu beraten. Im Intranet haben wir eine Prozessorganisation aufgeschaltet, die das Vorgehen genau erläutert.
Kommuniziert die Nachhaltigkeitskommission auch proaktiv mit den Studierenden?
Weil ein Vertreter der Studierenden bereits Mitglied der Nachhaltigkeitskommission ist, ist dies ohne Weiteres möglich. Darüber hinaus entscheiden wir im Einzelfall, inwieweit die Kommission selbst aktiv auf die Studierenden zugehen möchte.
Was ist der grösste Einfluss dieser Kommission auf mein Studium?
Auf Basis unserer Verpflichtung gegenüber den Principles for Responsible Management Education (PRME) wollen wir insbesondere in der Lehre unseren Studierenden Themen aufzeigen, die ihre Verantwortung für Nachhaltigkeit stärker berücksichtigen und weiterentwickeln. Demzufolge achten wir darauf, dass sich neue Lehrangebote und insbesondere neue Studienprogramme auf diese Aspekte fokussieren und diese idealerweise von Beginn an in ihrem Design berücksichtigen. Ein Beispiel: Wir haben uns kürzlich mit dem Vertreter des neuen Bachelor-Studiengangs Architektur darüber unterhalten, wie nachhaltige Entwicklung von Beginn an integral darin eingebaut werden kann. Wir waren beeindruckt von der vorbildhaften Herangehensweise und werden das sicher weitergeben als Learning für weitere derartige Projekte.
Allgemein gefragt: Was hat sich an der FH Graubünden in den letzten Jahren in diesem Themenbereich getan?
Wir haben uns stark voranbewegt. Das ist sicherlich ein Ausfluss unseres klaren Bekenntnisses in der Hochschulstrategie. Das national Hochschulförderungs- und Koordinationsgesetz (HFKG) verlangt von uns, die strategischen Zielsetzungen zur nachhaltigen Entwicklung über das Qualitätssicherungssystem messbar zu machen. Damit gilt es jetzt auch, allen klar zu machen, was unsere Hochschule in den kommenden Jahren effektiv erreichen will, damit wir auf diesem Weg weiter erfolgreich voranschreiten können. Auch für unsere neuen Studiengänge wäre es unvorteilhaft, wenn das Thema erst im Nachhinein gesetzeskonform eingebaut werden müsste.
Sie haben die Zukunft jetzt schon mehrere Male angesprochen. Wäre die Planung der nächsten Strategieperiode eigentlich der nächste Meilenstein oder gibt es da noch etwas anderes?
Die Strategie der FH Graubünden ist in Vierjahres-Zyklen definiert. Das erscheint zunächst relativ langfristig. Eine nachhaltige Hochschulentwicklung blickt allerdings mindestens fünfzehn Jahre in die Zukunft. Für das Zwischenziel 2020 müssen wir dazu in unserem erweiterten Leistungsauftrag klare Erfolge bei der Umsetzung ausweisen. Insofern sind die strategischen Ziele natürlich sehr erfolgskritisch. Das kommende Jahrzehnt wird uns mit der Aufgabe konfrontieren, die FH Graubünden wirklich zu einer der prominenten Institutionen in Bereich der nachhaltigen Entwicklung werden zu lassen, sodass wir die Früchte auch ernten können.
Beitrag von
Professor für Entrepreneurial Marketing, Leiter Vertiefung Marketing, Zentrum für Betriebswirtschaftslehre (ZBW)