Hochschulmanagement in der «Studierecke»
Die FH Graubünden hat viel aufgebaut und ist optimal für die Zukunft vorbereitet. Für die Hochschulleitungsmitglieder ist die selbstständige institutionelle Akkreditierung der wichtigste Schritt. Auch das Projekt Hochschulzentrum und eine ebenso nachhaltige wie innovative Entwicklung der FH Graubünden stehen im Fokus.
Text: Flurina Simeon / Bild: Larissa Langone, FH Graubünden / Film: Tanja Hess, Jürgen Müller, Raphael Diethelm
Wie soll sich die FH Graubünden positionieren und weiterentwickeln? Derzeit sehen die Hochschulleitungsmitglieder die Vorbereitungen für die selbstständige institutionelle Akkreditierung als grösste Herausforderung an. «Mit dem strukturierten Qualitätsmanagement in Lehre und Forschung, den Mitwirkungsmöglichkeiten sowie der gelebten Nachhaltigkeit ist die FH Graubünden optimal für die Zukunft vorbereitet», sagt Rektor Jürg Kessler. «Als erfolgreiche Bildungs- und Forschungsinstitution bieten wir dem Kanton Graubünden eine attraktive Wirtschaftsbranche, die wir gemeinsam weiterentwickeln möchten.»
«Das gegenseitige Verständnis mit Stakeholdern, Mitarbeitenden und Studierenden ist ein elementarer Pfeiler unserer Hochschulpolitik.»
Arno Arpagaus, Verwaltungsdirektor
In diesem Umfeld sind alle Hochschulleitungsmitglieder, welche die operative Führungsverantwortung tragen, gefordert. Neben Prof. Jürg Kessler gehören Prof. Rolf Hug (Prorektor), Arno Arpagaus (Verwaltungsdirektor), Prof. Dr. Sylvia Manchen Spörri (Leiterin Departement Lebensraum), Prof. Dr. Bruno Studer (Leiter Departement Information) und Prof. Josef Walker (Leiter Departement Entrepreneurial Management) zu diesem Gremium.
Herausforderung Selbstständigkeit
Mit dem am 1. Januar 2015 in Kraft getretenen Hochschulförderungs- und -koordinationsgesetz HFKG stellt sich für die FH Graubünden die Frage, ob auf Grundlage dieses Gesetzes und der kantonalen Gesetzgebung eine eigenständige Akkreditierung möglich ist. Zwar werde mit der Selbstständigkeit teilweise die Konkurrenz in der Ostschweiz noch verschärft, dafür erhalte die FH Graubünden eine höhere Autonomie für ihre Angebote. «Wir werden so oder so anstreben, dass die Zusammenarbeit mit der FHO Fachhochschule Ostschweiz kooperativ abläuft, und zwar im Sinne eines ‹Win-Win›», betont Jürg Kessler.
«Ein Hochschulzentrum würde durch die Selbstständigkeit noch wichtiger werden, als es ohnehin schon ist. Die Interdisziplinarität sowohl in Lehre als auch Forschung würde noch verstärkter in den Fokus rücken, daher ist ein einziger Standort so wichtig für uns», betont Arno Arpagaus. Dieses Projekt soll nun strukturiert vorwärts gebracht werden. Erste Kostenbeiträge sind zugesichert, der Rückhalt des Bündner Grossen Rates ist da.
«Als innovative Hochschule erkennen wir die wichtigen Entwicklungen der Zukunft frühzeitig und reagieren darauf mit originellen Lösungsansätzen.»
Bruno Studer, Departementsleiter Information
«Mit der Stufe ‹Recognised for Excellence› im Anerkennungsprogramm der European Foundation for Quality Management EFQM, welche die FH Graubünden derzeit durchläuft, können wertvolle Synergien mit der zukünftigen Akkreditierung abgedeckt werden», zeigt sich Rolf Hug überzeugt. «Auf Basis der gewonnen Erkenntnisse werden wir Stärken und Verbesserungspotenziale für die FH Graubünden identifizieren.»
Die Praxis einbinden
«Im Raum steht auch die nachhaltige Förderung der Entwicklung regionaler Räume», hält Sylvia Manchen Spörri fest. Sie will diese durch interdisziplinäre und einmalige Lösungen aus ihrem Departement Lebensraum weiter verstärken. «Wir fokussieren uns dabei auf nachhaltige Ansätze zur Entwicklung von Destinationen, auf innovative Konzepte für Beherbergungen und Hotelinfrastrukturen, auf das Verhalten von Gästen wie auch auf die Entwicklung von Regionen durch Innovationen im Tourismus sowie die partizipative Planung von Ortsbildern in Graubünden.»
«Ich mache den in der Forschung tätigen Kolleginnen und Kollegen Mut und anerkenne kleine Schritte, denn in der Forschung wird oftmals negativ evaluiert.»
Sylvia Manchen Spörri, Departementsleiterin Lebensraum
Prioritär ist für Bruno Studer, Departementsleiter Information, ebenso die Einführung des von der Bündner Regierung genehmigten Bachelor-Studiengangs Photonics. «Wir planen derzeit mit Digital Business Management eine weitere neue Studienrichtung».
Verantwortung wahrnehmen
Die Hochschulleitung ist stark zukunftsorientiert, wobei Bestehendes und Traditionen das Fundament für die Weiterentwicklung darstellen, wie dies etwa auch im Leitbildfestgehalten ist. «Der Schlüssel für die Zukunft ist für mich die Wahrnehmung unserer Verantwortung», so Rolf Hug, «Reflexion, Wertschätzung, Unternehmertum und Innovation sind zentrale Werte unserer Hochschule.»
«Was gibt es Erfüllenderes als junge Menschen an unserer Hochschule auf ihrem Weg zu begleiten und sich herausfordernden Fragen in der Forschung zu widmen?»
Rolf Hug, Prorektor
Im Fokus von Josef Walker steht der Aufbau eines Service Innovation Labs (SIL) in Zusammenarbeit mit dem deutschen Fraunhofer Institut. «Das SIL soll eine departementsübergreifende Forschungs- und Entwicklungsplattform werden, mit der gemeinsam mit Unternehmen neue Ideen für innovative Dienstleistungen entwickelt und getestet werden können. Zudem soll den Studierenden im Labor Methoden- und Werkzeugkompetenz für die Entwicklung von neuen Dienstleistungen vermittelt werden.»
Die Ergänzung des aktuellen Studien-Portfolios mit technischen Studiengängen ist ebenso zentral – sowohl für die Hochschulleitung als v. a. auch für die regionale Wirtschaft. «Alle unsere Studiengänge sind interdisziplinär aufeinander abgestimmt. Dem Fachkräftemangel im MINT-Bereich bieten wir damit Gegensteuer. Unsere Strategie wird von der Bündner Wirtschaft, dem Parlament und der Regierung unterstützt», erläutert Kessler. Und Hug ergänzt: «In der neuen Strategieperiode 2017–2020 werden wir auch die Frage beantworten, was Studieren im digitalen Zeitalter für die FH Graubünden bedeutet. Wie gestalten wir die ‹Vorlesungsform des 21. Jahrhunderts›?» Die Generation Y ist mit den neuen Medien aufgewachsen und bestens mit ihnen vertraut. Diese Entwicklung bedingt eine Anpassung der Lehr- und Lernformen.
«Unternehmerisch steht für uns dafür, wandlungsfähig zu sein und den sich aus Umweltentwicklungen ergebenden Herausforderungen aktiv zu begegnen.»
Josef Walker, Departementsleiter Entrepreneurial Management
Arno Arpagaus, Silvia Manchen Spörri und Bruno Studer sind überzeugt, dass die FH Graubünden mit ihrer interdisziplinären Strategie in sechs Disziplinen künftig als attraktive Arbeitgeberin im Alpenrheintal noch stärker geschätzt wird. Viel zu dieser Positionierung trügen Nischenangebote wie Multimedia Production, Informationswissenschaft und der neue Bachelor-Studiengang Photonics bei. «Dank dieses Angebots studieren noch mehr junge Menschen aus der ganzen Deutschschweiz bei uns in Graubünden und arbeiten nach dem Studium in einem regionalen High-Tech-Unternehmen. Das sogenannte ‹Internet of Things› mit vielen optoelektronischen Sensoren gehört mittlerweile zum Alltag», ergänzt Studer.
«Studieren in Graubünden kennt keine Grenzen»
Unbestritten sind regionale und nationale Kooperationen mit Bildungs-, Forschungs-, Wirtschafts- und Verwaltungspartnern. Getreu dem Jahresmotto sind der Churer Bachelor-Studiengang Multimedia Production an der Berner Fachhochschule sowie der Bachelor-Studiengang SystemtechnikNTB, der an der FH Graubünden ebenfalls angeboten wird, gute Beispiele dafür. «Wichtig scheint mir ebenfalls», so Josef Walker, «über den nationalen Tellerrand hinauszublicken und – wo sinnvoll – auf dem internationalen Parkett in Erscheinung zu treten. So, wie wir dies teilweise in Forschungsprojekten und Studiengängen bereits tun.»
«Verschiedene Innovationen machen uns auch zur akademischen Partnerin von Swiss Global Enterprises oder zur Projektpartnerin des Deutschen Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie.» Die FH Graubünden ist insbesondere in neuen, einzigartigen Studienmodellen offen und innovativ. Mit dem SIL wird zudem die Voraussetzung geschaffen, die Wirtschaft in Graubünden künftig noch stärker in Forschung und Qualifizierung ihrer Mitarbeitenden zu unterstützen, fügt Walker an. Rolf Hug weiss: «Es ist die Offenheit, die das Fundament für wirkliche Innovationen bildet. Bleiben wir wie bis anhin offen, werden wir auch in Zukunft mit Innovationen von uns reden machen.»
«Mit dem Erreichten dürfen wir nur heute zufrieden sein und damit wir das auch morgen sind, müssen wir Neues finden.»
Jürg Kessler, Rektor
Aus Graubünden national ausstrahlen
In den letzten 50 Jahren arbeitete die Hochschulleitung gemeinsam mit dem Hochschulrat und allen Mitarbeitenden daran, dem Kanton Graubünden mit der erfolgreichen Bildungs- und Forschungsinstitution FH Graubünden eine attraktive Wirtschaftsbranche zur gemeinsamen Weiterentwicklung anzubieten. Hochschulbildung und -forschung sind zu wichtigen Import- und Exportgütern geworden. «Ich erkenne Graubünden als das bevorzugte Studienzentrum im tertiären Bereich, nennen wir den Kanton doch zusätzlich ‹Die Studierecke der Schweiz›!» Heute geniesst die FH Graubünden regional und national hohe Anerkennung und ist bekannt für ihre innovativen und praxisorientierten Studiengänge sowie angewandte Forschung. Für Kessler steht fest: «Diesen Weg wollen wir weiterverfolgen».