Strategien für die Zukunft
Hochschulratspräsidentin Brigitta M. Gadient und Rektor Gian-Paolo Curcio geben einen Einblick in ihre Vision für die FH Graubünden. Sie sprechen im Interview darüber, wie die Hochschule ihre Kernkompetenzen ausbauen, den zukünftigen Anforderungen gerecht werden und Innovationen vorantreiben will – von der Fachkräfteausbildung bis zur Stärkung von Forschung und Kooperationen.
Interview: Seraina Zinsli / Bild: FH Graubünden
Wenn Sie sich die Hochschule als ein lebendiges Ökosystem vorstellen: Was muss am stärksten gefördert werden, um in den kommenden Jahren zu florieren?
Gian-Paolo Curcio: Hochschulen brauchen Offenheit, Freiheit und Ressourcen. Sie müssen gegenüber gesellschaftlichen Entwicklungen und den damit verbundenen Herausforderungen offen sein. Sie betreiben Forschung, gewinnen neue Erkenntnisse und erarbeiten Lösungen für die Problemstellungen aus der Wirtschaft und Gesellschaft. Diese Ergebnisse bringen sie in die Lehre und Weiterbildung ein, lassen das Wissen zirkulieren und dienen damit der Gesellschaft. Forschung, Lehre und Weiterbildung benötigen Gestaltungsfreiraum, indem man ihnen die nötigen Ressourcen, namentlich qualifiziertes Personal, moderne Infrastrukturen und ausreichend finanzielle Mittel, zur Verfügung stellt.
Brigitta M. Gadient: Genau, ein Ökosystem lebt von allen Teilen; das eine geht nicht ohne das andere. Um als Hochschule höchste Qualität in der Wissensvermittlung umzusetzen, bedarf es neben modernen Infrastrukturen und qualifiziertem Personal auch einer werteorientierten Hochschulkultur. Es geht dabei um die Ausrichtung an den Zielen zu einer nachhaltigen Entwicklung und um die Einhaltung ethischer Grundsätze.
Einen Beitrag zu Gunsten der Gesellschaft leisten hat also oberste Priorität. Welche langfristigen Ziele verfolgt der Hochschulrat diesbezüglich mit der neuen Strategieperiode, die Anfang Jahr gestartet ist?
Brigitta M. Gadient: Die Strategie orientiert sich an den Bedürfnissen der Region und fokussiert in den nächsten vier Jahren auf vier Entwicklungsschwerpunkte. Zum einen wollen wir die Technik und Informatik weiterentwickeln und über die Landesgrenzen hinaus sichtbarer werden. Zum anderen wollen wir die wirtschaftliche Entwicklung alpiner Regionen, insbesondere im Tourismussektor, stärken. Angesichts der demografischen Entwicklung des Kantons wird sodann die integrierte Versorgung wichtiger werden: Deshalb bauen wir einen Fachbereich Gesundheit und Soziales auf. Und natürlich streben wir an, in allen Bereichen noch attraktiver zu werden.
Kurz: Die FH Graubünden trägt einen wichtigen Teil dazu bei, den Hochschulbildungs- und Forschungsstandort Graubünden weiter zu stärken, die Regionen mit ausgezeichneten Fach- und Führungskräften zu versorgen sowie der Wirtschaft und der Bevölkerung einen unmittelbaren Nutzen aus der angewandten Forschung zu bieten.
Wie stellen Sie sicher, dass das Wachstum der Hochschule nicht nur quantitativer Natur ist, sondern eben auch qualitativ?
Gian-Paolo Curcio: Hochschule ist ‹People Business›. Ohne qualifizierte und motivierte Menschen kann eine Hochschule ihren Auftrag nicht oder nur bedingt in hoher Qualität erfüllen. Darum ist es wichtig, in Personalgewinnung, -pflege und -entwicklung zu investieren. Insbesondere durch eigene Lehr- und Weiterbildungsangebote können Hochschulen Entwicklungsmöglichkeiten schaffen. Zum Beispiel ist es sinnvoll, nicht nur Bachelor-, sondern auch Masterangebote sowie kooperative Doktoratsprogramme anzubieten, um Fach- und Führungskräfte zu fördern und gleichzeitig den Personalpool für akademische Funktionen zu erweitern.
Wie kann die FH Graubünden die notwendige Stabilität gewährleisten und gleichzeitig Flexibilität bewahren?
Brigitta M. Gadient: Nur durch Agilität und die Ausrichtung unserer Angebote an den Bedürfnissen von Wirtschaft und Gesellschaft können wir eine Ausbildung von Fach- und Führungskräften auf höchstem Niveau anbieten. Unsere Verankerung im Kanton ist dabei eine wichtige Konstante: Reallabore, Start-up-Programme und praxisnahe Kooperationen fördern die Entwicklung. Als regional verwurzelte Fachhochschule unterstützen wir so auch die Zuwanderung von Talenten und Fachkräften. Wir müssen insgesamt rasch auf Veränderungen reagieren und Lösungen entwickeln. Innovationen und das frühzeitige Erkennen von Trends sind dabei entscheidend.
Die Professionalisierung der Hochschule wird oft als Schlüssel zur Sicherung von Qualität und Wachstum genannt. Welche Schritte sind diesbezüglich notwendig?
Gian-Paolo Curcio: Professionalisierung ist ein Prozess, der sich sowohl auf Individuen als auch auf Gruppen bezieht. Beim Individuum geht es um die berufsbiografische Qualifizierung und die Erlangung von Professionalität. Auf kollektiver Ebene beschreibt Professionalisierung die fachliche Weiterentwicklung einer Berufsgruppe oder eines Handlungsfeldes. In beiden Fällen geht es darum, die Qualität der Handlung zu sichern bzw. zu erhöhen und damit effizienter zu werden. Die Professionalisierung des Hochschulpersonals ist von grosser Bedeutung, da sich die Funktionen an Hochschulen in den letzten Jahren stark verändert haben. Während klassische Professionen an Hochschulen nach wie vor ‹Wissenschaft als Beruf›, wie es der Soziologe Max Weber 1917 in einem berühmten Vortrag formuliert hat, beinhalten, wurden in den letzten Jahren vor allem auch Professionen entlang der Führungs- und Unterstützungsprozesse weiterentwickelt und den Bedürfnissen der Hochschule angepasst. Wer hätte zur Zeit von Max Weber gedacht, dass an Hochschulen die Qualitätssicherung, die Organisationsassistenz oder das Rektorat im Sinne der kollektiven Ebene professionalisiert würden? Dieser Prozess wird durch Kooperationen, Weiterbildung und gezielte Hochschulprojekte unterstützt.
Was sind in den nächsten Jahren die grössten Herausforderungen für die FH Graubünden?
Brigitta M. Gadient: Es geht darum, die langfristige Stabilität unter zunehmend schwierigen Bedingungen, wie dem demografischen Wandel, dem steigenden Finanzbedarf und dem stärkeren Wettbewerb zwischen den Hochschulen, zu sichern. Dies erfordert eine gezielte strategische Ausrichtung, die Antizipation von Entwicklungen in der Gesellschaft im Allgemeinen sowie der Hochschullandschaft im Speziellen und das Eingehen von wirksamen Kooperationen im In- und Ausland.
Wie soll die FH Graubünden diesen Herausforderungen begegnen?
Gian-Paolo Curcio: Mit der Fokussierung auf das, was wir am besten können: Hochschulbildung – bestehend aus Lehre, Forschung, Weiterbildung und Dienstleistungen. Um die Herausforderungen, welche die Präsidentin skizziert hat, zu bewältigen, brauchen wir ausreichende Mittel für Innovationen, kluge Köpfe, schnelle Reaktionen auf Herausforderungen und eine Stärkung der Forschung.
Was ist Ihre persönliche Vision für die FH Graubünden? Was soll bis Ende 2028 erreicht sein?
Gian-Paolo Curcio: Die FH Graubünden stärkt ihre Kernkompetenz Hochschulbildung und strebt Exzellenz in Lehre und Forschung an. Dies zeigt sich in ihren spezifisch konzipierten Angeboten, in den akquirierten Projekten, in den zweckmässigen und modernen Strukturen sowie Prozessen und in ihrer klaren Vision in Bezug auf die Weiterentwicklung von Lehre und Forschung. Das neue Fachhochschulzentrum bietet ab 2028 in diesem Zusammenhang zusätzliche Möglichkeiten und Chancen.
Brigitta M. Gadient: Die FH Graubünden nimmt eine zukunftsfähige und stabile Position im Schweizer Hochschulraum ein – mit einer starken regionalen, nationalen und internationalen Verankerung sowie weiteren attraktiven nationalen und internationalen Kooperationen mit der Wirtschaft und anderen Hochschulen. Wie der Rektor schon gesagt hat, wird das Fachhochschulzentrum den Vollbetrieb aufnehmen. Der neue Fachbereich Gesundheit und Soziales ist eingeführt, und Ideen für den Ausbau von Life Science werden entwickelt. Das neue Forschungsoffice soll sich etablieren und bereits Wirkung zeigen. Und mein persönlicher Wunsch: Lösungen für das studentische Wohnen finden. Hier besteht grosser Handlungsbedarf, und neue Konzepte sind dringend notwendig.
Unser neuer Rektor
Gian-Paolo Curcio: «Die Aufgabe, die Hochschule zusammen mit den Hochschulangehörigen weiterzuentwickeln, hat mich motiviert, Rektor der FH Graubünden zu werden. Zuvor war ich mehr als zehn Jahre lang Rektor der Pädagogischen Hochschule Graubünden (PHGR). Ich kann nun von diesen Erfahrungen profitieren; auch wenn sich die beiden Hochschultypen PH und FH in der Führung kaum voneinander unterscheiden; in Bezug auf den Inhalt und die Kultur stelle ich allerdings Unterschiede fest und darauf freue ich mich. Meine Erfahrungen als Rektor einer PH haben mich geprägt, insbesondere, und ohne Anspruch auf Vollständigkeit, möchte ich hier den Umgang mit den Hochschulangehörigen, den Austausch und die Zusammenarbeit mit verschiedenen Anspruchsgruppen, die Entwicklung der Hochschulstrategie, Verfahren der Akkreditierung sowie Anerkennung, die Konzeption von Evaluationen, die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses, den Aufbau von Kooperationen mit der Wirtschaft und anderen Institutionen, die Entwicklung sowie Implementierung von neuen Studiengängen, den Aufbau von (Sonder-)Professuren sowie den Diskurs mit der Trägerin nennen. Ich freue mich, die an die FH Graubünden gestellten Anforderungen und Herausforderungen gemeinsam mit den Hochschulangehörigen, der Unterstützung des Kantons Graubünden sowie in Kooperation mit Partnern aus Wirtschaft und Bildung angehen und bewältigen und damit den Bildungsstandort Graubünden gemeinsam stärken zu können.»
Beitrag von
Seraina Zinsli, Redaktionsleiterin, Projektleiterin Hochschulkommunikation