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Wirtschaftsindikatoren mit Echtzeitdaten ermöglichen Nowcasting für Regionen
Wirtschaftsindikatoren mit Echtzeitdaten ermöglichen Nowcasting für Regionen

Wirtschaftsindikatoren mit Echtzeitdaten ermöglichen Nowcasting für Regionen

In Zusammenarbeit mit verschiedenen Wirtschaftspartnern hat ein Team des Zentrums für wirtschaftspolitische Forschung (ZWF) ein innovatives Daten-Dashboard und einen Index für die Entwicklung von Schweizer Regionen konzipiert. Dies ermöglicht es, wirtschaftliche Indikatoren in Echtzeit zu überwachen, und bietet einen fundierten Einblick in die regionale Entwicklung.

Text: Adhurim Haxhimusa, Peter Moser / Grafiken: FH Graubünden

Wie ist die Wirtschaftslage in Graubünden im Winter 2023/2024? Zeichnet sich im Kanton St. Gallen eine Rezession ab? Solche Fragen waren bislang schwierig zu beantworten, denn die Datenlage zur aktuellen wirtschaftlichen Entwicklung in Schweizer Kantonen ist sehr lückenhaft. Das Bundesamt für Statistik (BFS) liefert provisorische Daten zum Bruttoinlandprodukt (BIP) der Kantone mit etwa zweijähriger Verzögerung. Zeitnah veröffentlichte Daten über die Arbeitslosigkeit in den Kantonen laufen der aktuellen Konjunkturentwicklung typischerweise hinterher.

Daher hat ein Team des Zentrums für wirtschaftspolitische Forschung gemeinsam mit verschiedenen Wirtschaftspartnern und mit Unterstützung des FHGR-Fördervereins das Projekt «Wirtschaftsindikatoren mit Echtzeitdaten» (WIMED) gestartet. Das Projekt hat zum Ziel, eine systematische Beobachtung der regionalen Wirtschaftsentwicklung basierend auf verschiedenen Echtzeitdaten zu ermöglichen. Damit soll eine Lücke in der Wirtschaftsbeobachtung geschlossen und ein Mehrwert für öffentliche und private Entscheidungsträgerinnen und -träger geboten werden.

Der Prototyp liegt mittlerweile vor und besteht aus einem Dashboard zur interaktiven Darstellung der Daten sowie einem Index der regionalen Wirtschaftsentwicklung, dem Swiss Index of Regional Economic Development (SIRED), der eine Schätzung zur aktuellen Wirtschaftsentwicklung («Nowcast») für Schweizer Kantone bereitstellt.

Das WIMED-Projekt wird finanziell und personell unterstützt durch:

  • Amt für Wirtschaft und Tourismus Graubünden
  • BI Data Lab
  • Economiesuisse
  • Förderverein der FH Graubünden
  • Graubündner Kantonalbank
  • Handelskammer Graubünden
  • Industrie- und Handelskammer St. Gallen-Appenzell
  • Universität St. Gallen (Dr. Stefan Legge) 

Interaktives Dashboard

Im Dashboard sind verschiedene Echtzeitdaten zugänglich, darunter Verkehrsdaten, Arbeitsmarktdaten, Export- und Importdaten, Logierdaten, Stromverbrauch und Konsumausgaben. Der Nutzer oder die Nutzerin kann die Daten individuell auswählen und visualisieren. Das Dashboard ermöglicht eine Analyse der Daten ab 2019 sowie einen Vergleich zwischen den Kantonen bzw. den verschiedenen Indikatoren. Die angezeigten Daten lassen sich nach Zeitintervall (Monat, Quartal, Jahr) und teilweise nach Branche, Bildungsniveau, Geschlecht und Altersgruppe differenzieren. Sie können als absolute Werte, Veränderungsraten oder Indizes dargestellt werden.

Abbildung 1 zeigt beispielsweise den Lastwagenverkehr im Kanton St. Gallen. Alle Ansichten des Dashboards wurden Mitte Dezember 2023 erstellt. Neben dem saisonalen Muster ist ein leichter Rückgang des LKW-Verkehrs erkennbar. Unsere Analysen zeigen, dass der LKW-Verkehr stark mit dem Export und Import korreliert. Ein sinkendes Verkehrsvolumen weist auf stagnierende oder sogar sinkende Exporte hin.

Abbildung 1: Auszug aus dem Dashboard, Beispiel Lastwagenverkehr (LKW) im Kanton St. Gallen
Abbildung 1: Auszug aus dem Dashboard, Beispiel Lastwagenverkehr (LKW) im Kanton St. Gallen

In Abbildung 2 sind die monatlichen Zugänge der Stellensuchenden im Kanton Zürich ab Januar 2020 abgebildet. Deutlich erkennbar ist, dass seit Mai 2023 wieder mehr Personen auf Stellensuche sind als im Vorjahr. Möglicherweise ist das ein Anzeichen für eine konjunkturelle Abkühlung. In diesem Zeitraum stammen 19 Prozent aller Stellensuchenden aus der Branche der firmenbezogenen Dienste. Dabei ist die Altersgruppe der 25- bis 34-Jährigen am stärksten vertreten.

Abbildung 2: Auszug aus dem Dashboard, Beispiel Arbeitsmarktdaten des Kantons Zürich
Abbildung 2: Auszug aus dem Dashboard, Beispiel Arbeitsmarktdaten des Kantons Zürich

Swiss Index of Regional Economic Development (SIRED)

Zusätzlich hat das Projektteam aus den verschiedenen Daten einen Index der regionalen Wirtschaftsentwicklung für Kantone und Grossregionen entwickelt. 

Abbildung 3 zeigt den Index der regionalen Wirtschaftsentwicklung (SIRED) des Kantons Graubünden. Das entspricht einer Schätzung der Wachstumsrate des Bruttoinlandprodukts (BIP) bis Oktober 2023 (erstellt im November 2023). Der grosse Vorteil des SIRED liegt darin, dass er zeitnah verfügbar ist und gut mit den wesentlich später verfügbaren Daten des BFS übereinstimmt. Die monatlichen Daten des SIRED zeigen die Entwicklung zudem wesentlich differenzierter als jährliche Daten.

 

Abbildung 3: SIRED des Kantons Graubünden im Vergleich zur BIP-Wachstumsrate gemäss BFS
Abbildung 3: SIRED des Kantons Graubünden im Vergleich zur BIP-Wachstumsrate gemäss BFS

Als Test hat das Projektteam den SIRED auch für die Schweiz berechnet. Hier ist ein Vergleich mit den Quartalsdaten des BIP möglich. Wiederum zeigt sich, dass der SIRED auch eine gute Gegenwartsprognose («Nowcast») der nationalen Wirtschaftsentwicklung liefert.

Abbildung 4: SIRED der Schweiz im Vergleich zur BIP-Wachstumsrate gemäss SECO
Abbildung 4: SIRED der Schweiz im Vergleich zur BIP-Wachstumsrate gemäss SECO

Pionierprojekt mit Potenzial

WIMED ist das erste Projekt, das Echtzeitdaten zur Messung der wirtschaftlichen Lage in den Regionen und Kantonen erfolgreich nutzt. Die Ergebnisse sind erfreulich: Zeitnah verfügbare regionale Daten sind gut ge-eignet, um Indizes zur wirtschaftlichen Lage («Nowcasting») zu entwickeln – sowohl für die gesamte Schweiz als auch für einzelne Regionen.

Interessiert am Zugang zu diesen Daten?

Das Team des Zentrums für wirtschaftspolitische Forschung ist dabei, das Dashboard mit dem SIRED interessierten Unternehmen, Verbänden und staatlichen Organisationen zugänglich zu machen. Interessierte können sich bei den beiden Autoren melden.

Beitrag von

Dr. Adhurim Haxhimusa, Wissenschaftlicher Projektmitarbeiter, Zentrum für wirtschaftspolitische Forschung

Prof. Dr.  Peter Moser, Dozent, Wissenschaftlicher Projektleiter, Zentrum für wirtschaftspolitische Forschung