Die Heimwehbündnerin
Viele stehen vor der Herausforderung, den Ausgleich zwischen beruflichen Verpflichtungen und privaten Interessen zu schaffen und dabei genügend Zeit für die eigene Erholung zu finden. Die ehemalige Studentin der FH Graubünden, Sandra Felix, hat für sich selbst die optimale Balance gefunden – trotz viel Verantwortung im Job und eines privaten Umfelds, das räumlich weit von ihrem Arbeitsalltag entfernt ist.
Text: Seraina Zinsli / Bilder: Sandra Felix, Peter Indergand / Video: Peter Indergand, Flurina Simeon
Freitagnachmittag kurz nach Mittag: Ich treffe Sandra Felix in einem Churer Restaurant. Obwohl ich einige Minuten zu früh dort ankomme, bin ich gespannt, ob die ehemalige Studentin der damaligen Höheren Wirtschafts- und Verwaltungsschule Chur drinnen bereits auf mich wartet. Und tatsächlich: Frau Felix sitzt an einem Tisch ganz hinten im Raum. Aber sie ist nicht allein. Eine Frau sitzt bei ihr. Ich nähere mich dem Tisch und gebe mich zu erkennen. Sofort stehen Sandra Felix und ihre Begleiterin auf und begrüssen mich. Die leeren Teller und Gläser auf dem Tisch lassen vermuten, dass die beiden sich zu einem gemeinsamen Mittagessen verabredet hatten. Wie ich im Verlauf unseres Gesprächs erfahren werde, war dies ein typisches Freitag-Mittag-Treffen für Sandra Felix – einer Frau, die grossen Wert darauf legt, ihr soziales Umfeld in Graubünden bestmöglich zu pflegen. Nach einem kurzen Smalltalk verabschiedet sich die Freundin und lässt uns für das anstehende Interview allein.
Die Karriere – ein Selbstläufer?
Sandra Felix ist seit rund zweieinhalb Jahren stellvertretende Direktorin des Bundesamtes für Sport, kurz BASPO. Eine Funktion, die sie zusätzlich zu ihrer Aufgabe als Chefin Sportpolitik und Ressourcen übernommen hat. «Ich betrachte meinen Werdegang nicht als Karriere. Ich habe beruflich einfach immer das gemacht, was mich am meisten interessiert hat», erzählt sie und nippt am Verveine-Tee, den sie eben bestellt hat. So habe sich ihre Karriere von selbst entwickelt. Nach ihrem Betriebsökonomie-Abschluss im Jahr 1997 absolvierte die gebürtige Haldensteinerin verschiedene Weiterbildungen, etwa im Bereich Qualitätsmanagement. Ihre berufliche Erfahrung in Kader- und Führungsfunktionen sammelte sie in der Bau- und Maschinenindustrie und ab 2005 in der öffentlichen Verwaltung. So war sie sechs Jahre im Finanzdepartement des Kantons Graubünden tätig und anschliessend weitere sechs Jahre im Departement für Volkswirtschaft und Soziales, wo sie Departementssekretärin war, bevor sie zum Bund wechselte. «Es war nicht so, als hätte ich den konkreten Plan gehabt, eines Tages beim BASPO zu landen, wo ich ein Team von rund 30 Mitarbeitenden leite.» Doch das Angebot im Bereich Sportpolitik und Ressourcen sei für sie eine sehr spannende Herausforderung gewesen, der sie sich stellen wollte. Ihr sei aber sofort klar gewesen, dass der Wechsel nicht einfach sein würde. Nicht zuletzt aufgrund der Distanz. Das BASPO hat seinen Sitz in Magglingen im Kanton Bern. Den Wohnsitz dorthin zu verlegen kam für Sandra Felix nie in Frage. So lebt sie seit rund sechseinhalb Jahren als Wochenaufenthalterin in der Nähe von Magglingen und kommt praktisch jedes Wochenende nach Graubünden. «Was mir dabei fehlt, ist das Spontane. Dass ich beispielsweise in der Stadt zufällig jemanden treffe und mit dieser Person spontan einen Kaffee trinken kann.» Das mache es schwierig, Freundschaften aufrechtzuerhalten. Entsprechend sei ihr Wochenende in Graubünden oft «vollgepackt» mit Verabredungen, wie etwa an diesem Freitag zu einem Mittagessen mit einer Freundin in Chur.
In Magglingen hat sich Sandra Felix bewusst kein grosses soziales Umfeld aufgebaut, wie sie sagt. «Ich investiere lieber in mein soziales Netzwerk in Graubünden. Denn für mich ist klar, dass ich irgendwann hierher zurückkehren werde.» Ausserdem sei der Berufsalltag in Magglingen sehr intensiv. Deshalb benötige sie unter der Woche abends oft Zeit für sich.
Arbeiten auf dem Maiensäss – ein «No Go»
Es ist ein Spagat zwischen Magglingen und Chur, zwischen Berufs- und Privatleben, den Sandra Felix seit sechseinhalb Jahren macht. Ein Leben in zwei Welten, die sie bewusst voneinander trennt, wie sie mir erzählt. Besonders wichtig sei ihr diese Trennung, wenn es um ihren ganz persönlichen Rückzugsort gehe: das Maiensäss ihrer Schwester auf rund 1400 Meter über Meer in der ehemaligen Walsersiedlung Batänja. Die Siedlung besteht aus zirka zehn Häuschen und etwa gleich vielen Ställen. «Es ist ein Ort der Ruhe, ein Ort der Selbstreflexion», sagt Sandra Felix. Ihre Augen leuchten beim Gedanken daran. Jeden Tag am Brunnen Wasser zu holen, mit Holz zu heizen und zu kochen und das auch noch vor einer wunderschönen Bergkulisse – da schalte sie automatisch ab.
Der Alltag auf dem Maiensäss rufe in Erinnerung, dass man sich nicht von der Hektik treiben lassen, sondern zwischendurch mal einen Schritt zurück machen sollte. «Das hilft mir, Probleme besser anzugehen, und relativiert viele berufliche Herausforderungen, mit denen ich konfrontiert bin.» Und das ist auch schon der einzige Berührungspunkt mit der Arbeit, den Sandra Felix an ihrem Rückzugsort oberhalb von Haldenstein zulässt. Obwohl sie einmal einen Versuch gestartet habe, im Maiensäss zu arbeiten, gibt sie lächelnd zu. «Ich habe jedoch gemerkt, dass es nicht wirklich funktioniert. Zum Glück – kann ich im Nachhinein sagen. Denn auf dem Maiensäss ist Feierabend.»
3 Fragen an…
Was ist deine schönste Erinnerung, wenn du an deine Zeit an der FH Graubünden (der damaligen Höheren Wirtschafts- und Verwaltungsschule Chur) zurückdenkst?
Zum einen sind das die persönlichen Kontakte, die zum Teil bis heute bestehen. Der Klassenzusammenhalt war damals enorm. Ich denke, das ist mit ein Grund, weshalb wir unsere Kontakte noch immer pflegen. Beispielsweise treffen wir uns jährlich am Freitag vor Weihnachten und gehen zusammen essen. Zum anderen habe ich tolle Erinnerungen an den Studienbetrieb, an einzelne Exkursionen und an die Dozierenden. So denke ich in meinem Berufsalltag manchmal an bestimmte Aussagen, die Dozierende seinerzeit gemacht hatten und die auch heute noch immer ihre Gültigkeit haben.
Was ist das grösste Learning, das du aus deiner Zeit an der Fachhochschule mitgenommen hast?
Authentisch zu sein und zu wissen, wer man ist. Gerade in Bezug auf Führungsfunktionen finde ich es zentral zu erkennen, dass man auf den eigenen Stärken aufbauen sollte. Man muss sich zwar auch seiner Schwächen bewusst sein, sollte jedoch nicht seine ganze Kraft dafür aufwenden, all diese Schwächen zu beheben. Vielmehr sollte man sich auf die eigenen Stärken fokussieren. Denn meine Schwächen sind vielleicht eines Anderen Stärken. Dann sollte ich diese Person suchen, finden und in mein Team holen.
Was ist dein Rat an die heutigen Studentinnen und Studenten der FH Graubünden?
Ich würde allen raten, ihre Studienzeit zu geniessen. Denn diese hat man später im Leben nicht mehr. Ausserdem ist es wichtig, das erworbene Wissen «mitzunehmen». Trotzdem sollte man sich bewusst sein, dass viele Modelle, die man im Studium kennenlernt oder erstellt, nicht die Realität widerspiegeln. Vielmehr geht es darum, Verknüpfungen zwischen Modell («Ideal») und Realität («Praxis») herzustellen. Entsprechend rate ich allen Studierenden, Modelle auch immer wieder kritisch zu hinterfragen.
Video-Beitrag «Begegnung mit…» – Sandra Felix
Über das Bundesamt für Sport (BASPO)
Das BASPO ist dem Eidgenössischen Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport angegliedert. Es ist ein Dienstleistungs-, Ausbildungs- und Trainingszentrum für den Spitzen-, Leistungs- und Breitensport. Das BASPO fördert den Sport und die Bewegung in der Schweiz. Dies soll die positive, nützliche und notwendige Rolle von Sport und Bewegung in der Gesellschaft stärken und verankern. So sollen für alle Altersgruppen und alle Leistungsstufen bestmögliche Voraussetzungen für aktiven Sport und regelmässige Bewegung geschaffen erden. Zudem entwickelt das BASPO als Ausbildungszentrum Wissen und vermittelt Kompetenzen für die Ausübung und das Unterrichten von Sport in den Bereichen Leistungs- und Breitensport.
Beitrag von
Seraina Zinsli, Redaktionsleiterin, Projektleiterin Hochschulkommunikation