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Wissensplatz
Solarfassaden im alpinen Raum

Während Photovoltaikanlagen auf Dächern inzwischen weit verbreitet sind und bei Neubauten sowohl auf Dächern als auch an den Fassaden eingesetzt werden, gibt es bis heute nur einen geringen Anteil von Beispielen integrierter Photovoltaik in der Gebäudefassade bei bestehenden Gebäuden. Insbesondere bei Bauwerken, die nach dem Zweiten Weltkrieg errichtet wurden, fehlt eine kreative Methodik. Die Fachhochschule Graubünden unterstützt Gemeinden bei dieser Frage.

Text: Daniel A. Walser / Bilder: FH Graubünden

Gemeinden im Zugzwang

Die Nutzung von Solarenergie wird aufgrund der Ressourcenknappheit und der Klimaerwärmung immer wichtiger. Die Schweizer Regierung hat mit der Energiestrategie 2050 beschlossen, die Förderung von Elektrizität aus Photovoltaikanlagen zu verstärken. 22 Prozent des Strombedarfs werden bis 2050 wohl aus Photovoltaikanlagen gewonnen werden. Im Zusammenspiel mit Speichermöglichkeiten wie Batterien, Wasserstoff oder Methanol lässt sich mit der Photovoltaik eine autarke Strom- bzw. Energieversorgung erzielen. Im Jahr 2020 war der Anteil an Solarenergie gemessen am gesamten in der Schweiz verbrauchten Strom bei lediglich 4,66 Prozent.

Das Bundesamt für Kultur (BAK) hat 2018 die europäisch abgestützte Erklärung von Davos zur Förderung der Baukultur initiiert und hohe Bauqualität eingefordert. Sie sucht «die kulturellen Aspekte des Bewahrens, Planens und Bauens anzuerkennen und eine hohe Baukultur als vorrangiges politisches Ziel» zu etablieren.

Photovoltaikanlage bei bestehenden Gebäuden

Die Gemeinden sind heute im Zugzwang, Photovoltaikanlagen in jedem Fall zu genehmigen. Die hohen Energiepreise haben diesen Druck weiter erhöht. Technisch sind die eingesetzten Produkte ausgereift und marktfähig. Überzeugende architektonische Resultate sind für Neubauten vorhanden. Die wenigen existierenden Beispiele von Solarfassaden bei Umbauten und Sanierungen wurden aufgrund schlechter Gestaltung oft negativ aufgenommen. Erst recht, wenn der ursprüngliche Bau architektonische Qualitäten aufweist, sich die Bauten in historischem Kontext befinden oder das Dorfbild durch das Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz (ISOS) geschützt ist. Daher existieren von verschiedenen Seiten berechtigte ästhetische Vorbehalte gegenüber Sanierungslösungen mit Solarfassaden.

Gerade im alpinen Raum sind viele historische Dorfzentren durch das ISOS geschützt und die grosse Anzahl schützenswerter historischer Bauwerke sollen ihren gesellschaftlichen und architektonischen Wert nicht verlieren. Im historischen Kontext und im Bereich des ISOS kann nur mit sehr viel Fingerspitzengefühl agiert werden. Um die Klimaziele zu erreichen, muss nicht jedes Dach und jede Fassade voll eingepackt werden. Eine Konzentration auf die grossen Flächen ist sowohl gestalterisch wie auch ökonomisch sinnvoll.

 

Das Haus Seewiesen mit der projektierten neuen Fassade (Studentin: Adiana Margreth)
Das Haus Seewiesen an der Bahnhofstrasse in Davos, wie es heute ist.

Methodik mit Beispielen aus Davos

In einem Forschungsprojekt der Fachhochschule Graubünden wird die Umsetzung von Solarfassaden an der bestehenden Bausubstanz nach dem Zweiten Weltkrieg überprüft und gestalterisch weiterentwickelt. Zentral ist dabei, dass die ursprüngliche Idee eines Baus nicht durch den Einsatz der neuen Technik verloren geht, sondern weiterentwickelt wird und der Bau insgesamt an Kraft und Ausdruck gewinnt. Die «Speckgürtel» rund um die dörflichen, aber auch städtischen Zentren sind oft nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden. Gerade hier gibt es viel Potenzial für innovative Anwendungen von Photovoltaik.

In Projektarbeiten entwickelten Architekturstudierende Strategien, wie mit Solarfassaden bei einer Sanierung in der Gemeinde Davos umgegangen werden könnte. An allen von den Studierenden der FH Graubünden bearbeiteten Bauten in Davos musste der Bau neu gedacht und interpretiert werden. Eine Sanierung einer Fassade kann also die Chance bieten, den Bau auch in seinen Grundrissen auf den heutigen Stand zu bringen.

Neue Anwendungsmöglichkeiten von Photovoltaik eröffnen den Planern neue gestalterische Möglichkeiten, die es auch zu nutzen gilt. Eine Solaranlage muss heute nicht einfach eine schwarze Fläche sein. So plante die Studentin Nadja Schürmann eine Solarfassade am Hotel Waldhaus Davos aus beweglichen, verschiedenfarbigen Paravent-Elementen, die gleichzeitig Schatten spenden.

Das Hotel Waldhaus in Davos im Winter ohne schattenspendenden Elemente.
Solarfassade am Hotel Waldhaus Davos aus beweglichen Paraventelementen, um Schatten zu spenden. (Studentin: Nadia Schürmann)
Die verschiedenfarbigen Paravents eröffnen auch neue gestalterische Möglichkeiten.
Die Paraventelemente lassen sich je nach Sonneneinstrahlung bewegen.

Die Studentin Norma Müller kleidete den von Gigon Guyer errichteten Werkhof der Gemeinde Davos ganz in eine Photovoltaikfassade ein. Dieser Wechsel von einem Holzbau zu einem technischen Bauwerk ist sicherlich schlüssig und sinnvoll. Schwieriger wird es bei prägnanten Bauwerken. Neuinterpretationen sind hier nur möglich, wenn ein Bau vollkommen neu gedacht wird. Die Bahntrassen der Parsennbahn werden von den Studierenden Daniel Gander und Jan Feldmann mit Photovoltaik umhüllt. Wenn die Bahn durch den Tunnel fährt, öffnet sich die Photovoltaik dort, wo der Zug sich befindet, um Aussicht zu gewähren. Eine solche Neuinterpretation verändert einen Bau stark. Bei baulichen Leuchttürmen ist eine Neuinterpretation der baukulturell hochwertigen Bauten eher schwierig, ohne gleichzeitig einen grossen Verlust hinnehmen zu müssen.

Der Leuchtturm Parsennbahn wird mit Photovoltaik umhüllt. Wenn die Bahn durch den Tunnel fährt, öffnet sich die Photovoltaik dort, wo der Zug sich befindet, um Aussicht zu gewähren. (Studierende: Daniel Gander und Jan Feldmann)

Generell ist es wichtig, nicht auf eine einzige Massnahme zu setzen, sondern ein integrales Konzept zu entwickeln, das mehrschichtig und aus verschiedenen Blickwinkeln (Architektur, Nutzung, Technik, Ort) Nachhaltigkeit behandelt. Nur so können für spezifische Situationen auch individuelle Lösungen entwickelt werden. Diese Lösungen sind nie rein technischer Natur und müssen den vorgegebenen Situationen angepasst werden.

Baukultur ernst nehmen

Gemeinden sind oft überfordert mit den Bewilligungen für Solaranlagen. Sie sind bestrebt, Solarenergie zu fördern, doch fehlen ihnen oft die Werkzeuge, hier qualitative Entscheide zu treffen. Für die Gemeinde Davos entwickelt die Fachhochschule Graubünden einen Leitfaden, wie mit Gesuchen für Photovoltaikfassaden umgegangen werden soll. Die Fachhochschule unterstützt auch andere Gemeinden in der Entwicklung von spezifischen Leitfäden. Baukultur und Solarenergie sind keine Kontrahenten. Es liegt an den Planern, nicht nur technische, sondern auch baukulturell sinnvolle Lösungen zu erarbeiten.

Beitrag von

Prof. Daniel Walser, Dozent, Institut für Bauen im alpinen Raum