Nachhaltigkeit ist das «neue Normal» an der FH Graubünden
Welche Leistungen können studentische Agenturteams der Fachhochschule Graubünden für die Bündner Wirtschaft erbringen? Ziel des Start-ups «Muntagnard» ist es, mit 100-prozentig kreislauffähigen Produkten den Markt für Premium-Textilien zu revolutionieren. Im Betriebsökonomie-Vertiefungsmodul «Smart Media Marketing» demonstrieren Studierende, wie trotz knapper Ressourcen eine schlagkräftige Kampagne entsteht.
Text: Lutz Schlange / Bilder: FH Graubünden (Fulvio Bottoni)
«Gleichwertig, aber andersartig»: Diese Gründungsidee der Fachhochschulen hat die FH Graubünden in ihrer Mission wie folgt konkretisiert: «Lehre und Forschung […] orientieren sich an praktischen Herausforderungen in Wirtschaft und Gesellschaft.» Dieses Versprechen bezieht sich insbesondere auf den unmittelbaren Anwendungsbezug des Wissens, das die FH Graubünden den Studierenden für ihre Berufspraxis mitgeben will. Das Bachelorstudium Betriebsökonomie setzt dieses Grundprinzip bereits seit mehr als zwei Jahrzehnten durch hohe Professionalität im Rahmen der Zusammenarbeit mit Partnern aus der regionalen Wirtschaft und Gesellschaft erfolgreich um. Während die Gesellschaft sich zunehmend am Postulat des nachhaltigen Wirtschaftens orientiert, erarbeiten Unternehmen marktreife Lösungen, die ihren künftigen Erfolg sichern.
Eigene Geschäftsideen entwickeln
Entrepreneurial Marketing und strategische Marketingplanung gehören im Bachelorstudium Betriebsökonomie zur verbindlichen Grundausbildung mit praxisorientierter Ausrichtung. So erlernen die Studierenden schon auf dieser Stufe, Marketingkonzepte für ihre eigenen Geschäftsideen zu entwickeln. Damit bereiten sie zugleich wichtige Bausteine für ihre Businesspläne vor, die sie in ihrem Abschlussjahr vor einer Fachjury präsentieren. Parallel dazu perfektionieren sie ihre erworbenen Marketingkompetenzen im Vertiefungsstudium Smart Marketing, wo sie konkrete Lösungen für die Wirtschaft erarbeiten. Entlang des Kundenlebenszyklus behandeln vier Wahlmodule in integrierter Weise die praktischen Herausforderungen des modernen digitalen Marketings, des hybriden Vertriebs und persönlichen Verkaufs, der Crossmedia-Kommunikation und des Customer Touchpoint Managements. Alle Marketingvertiefungen arbeiten mit realen Agenturkunden zusammen; diese vergeben Aufträge mit praktischen Aufgabenstellungen. Die Studierenden erarbeiten die entsprechenden Lösungen zur Umsetzung in digitalen Kanälen unter Einsatz von internetbasierten Marketinginstrumenten; sie erweitern dadurch ganz unmittelbar die Anwendungstiefe des erworbenen Wissens.
Die konventionelle Lehre beschränkt sich zumeist auf die Vermittlung von Theorien und das gezielte Einüben praktisch bewährter Methoden. In ihrer Vertiefung hingegen schlüpfen die Studierenden von Beginn an in eine «Fachexpertenrolle» und entwerfen als «Marketing Consultants» für ihre Auftraggebenden konkrete Handlungsempfehlungen. Praktisch bedeutet dies, dass sie sich in ihrem Unterricht als Marketing-Agenturteams organisieren und so die Praxis hautnah erleben können, weil es sich für sie genau gleich wie im realen Berufsleben mit seinem Wettbewerbsdruck anfühlt, wo sie sich um die Aufträge von Agenturkunden bewerben müssen. Die Konzeptvorschläge entstehen über mehrere Wochen hinweg unter professioneller Anleitung der Fachdozierenden. Der Abschluss jedes einzelnen Vertiefungsmoduls besteht in einer Präsentation vor den jeweiligen Auftraggebenden, die zumeist in Form ihrer Geschäftsleitungs- und/oder Verwaltungsratsmitglieder vor Ort vertreten sind.
Schlagkräftige Kampagne für Bündner Start-up
Erst kürzlich arbeiteten studentische Agenturteams im Vertiefungsmodul Smart Media Marketing für das Bündnerische Start-up «Muntagnard», das von zwei Schulfreunden aus Domat/Ems gegründet wurde. Die junge Firma ist mit 100-prozentig kreislauffähigen Produkten am Start, um damit den Schweizer und auch den europäischen Markt für Premium-Textilien zu revolutionieren. Die teils krassen Missstände in der textilen Wertschöpfungskette – bekannt unter dem Schlagwort «Fast Fashion» – bewegen gerade die jüngere «Generation Y» der heutigen Studierenden. Eine sinngebende Aufgabenstellung sehen diese jungen Menschen insbesondere in ihrem persönlichen Engagement zugunsten des Wandels in Richtung nachhaltigerer Wirtschafts- und Produktionsmethoden. Was könnte sie also stärker motivieren, als einen Beitrag zum Erfolg eines jungen Start-ups leisten zu dürfen, das sich genau dies auf die Fahne geschrieben hat?
Im Agentur-Briefing verspricht sich «Muntagnard» von den Agenturteams der FHGR-Betriebsökonomie-Studierenden eine schlagkräftige Kampagne für die neue Golfmode-Kollektion im Premium-Segment, die mit knappen verfügbaren Ressourcen zu realisieren ist. Im anschliessenden Unterricht durchlaufen die Teams den systematischen Prozess der Kampagnenplanung mit den drei Hauptphasen «strategische Analyse», «Kreation» und «Realisierung». Situativ sind dabei auch stets Gastdozierende aus der Marketingpraxis im Einsatz. So macht etwa der Churer Werbeprofi Kajo Bächle (BELLEVUE7K) die Agenturwelt begreif- und erlebbar. Die Praxis der kommunikativen Kreativitätstechniken in einer Werbeagentur erlernen die Studierenden «first hand» vom vielfach international ausgezeichneten Creative Director Sören S. Schröder (Geschäftsleitung Publicis Zürich).
Beeindruckende Kreativleistungen
Zum Abschluss des Projekts pitchen die Agenturteams ihre Konzeptentwürfe vor den Auftraggebenden. Eine stark positive Resonanz erzeugen dabei durchwegs beeindruckende Kreativleistungen in Gestalt handfester Massnahmen. So wurde etwa ein «Mini-Ambasador-Programm» vorgeschlagen, um durch modernes Empfehlungsmarketing die Neukundenakquisation wirksam voranzutreiben. Vorgesehen ist dabei sowohl die Integration des Programms in den Internetauftritt und die Social-Media-Kanäle als auch die Einbindung von Schlüsselpersonen im Golfsport. Weitere Vorschläge waren die strategische Inszenierung der Marke «Muntagnard» an Golf-Events sowie gezielte Kooperationen mit Marketingplattformen der Golfszene und regionale Testimonials in der Gastronomie. Mit der erfolgreichen Umsetzung einzelner Massnahmen kommt es für die Studierenden zur Krönung ihrer Lernerfahrung, die sich damit von der Wirklichkeit der Marketingpraxis kaum unterscheidet.
Diese Form der Hochschullehre steht im Einklang mit den echten Bedürfnissen der Wirtschaft in Graubünden. Praxis und Lehre befruchten sich gegenseitig: So sind zahlreiche Absolventinnen und Absolventen des Bachelorstudiums Betriebsökonomie der FH Graubünden heute in Marketingfunktionen der Bündner Wirtschaft tätig, haben den Weg in die regionale Agenturwelt gefunden oder sogar erfolgreich eigene Firmen in der Marketingbranche gegründet. Als kompetente «Marketer» treiben sie heute den regionalen Wirtschaftsmotor an.
Beitrag von
Prof. Dr. Lutz Schlange, Dozent, Zentrum für Betriebswirtschaftslehre