Feuerwehr und Zivilschutz im Kanton Graubünden: Ist ein freiwilliges Engagement noch zeitgemäss?
Der Milizdienst in der Feuerwehr und im Zivilschutz ist eine tragende Säule der Katastrophenhilfe in den Regionen des Kantons Graubünden. Eine Studie der Fachhochschule Graubünden hat die Attraktivität des Milizdienstes in diesen beiden Bereichen untersucht. Herausfordernd bleibt nach wie vor die Rekrutierung von Führungskräften. Die Studie zeigt mögliche Massnahmen auf, um den Kaderdienst attraktiver zu gestalten und die Beiträge dieser beiden Organisationen für die Bündner Regionen langfristig zu sichern.
Text: Dario Wellinger und Curdin Derungs / Bilder: Gebäudeversicherung Graubünden
Der Milizdienst in der Feuerwehr und im Zivilschutz ist ein wichtiges Element des Katastrophen- und Bevölkerungsschutzes in den Regionen des Kantons Graubünden. Einsätze im Rahmen der Corona-Pandemie, beim Bergsturz in Bondo, während der Waldbrände in der Mesolcina sowie bei kleineren Ereignissen im Alltag haben der breiten Bevölkerung die Mehrwerte der beiden Organisationen immer wieder vor Augen geführt. Um dieses wertvolle System für die Zukunft zu erhalten, ist die Gesellschaft zum einen darauf angewiesen, dass in den Regionen ausreichend Miliztätige rekrutiert werden können. Dafür ist eine gute und verständnisvolle Zusammenarbeit mit den Unternehmen als Arbeitgebenden wichtig. Zum anderen braucht es für den Milizdienst genügend Kaderpersonen, wofür eine gewisse Bereitschaft seitens der Feuerwehr- und Zivilschutzangehörigen erforderlich ist. Zu diesem Thema hat die Fachhochschule Graubünden in Zusammenarbeit mit der Gebäudeversicherung Graubünden und dem Amt für Militär und Zivilschutz des Kantons Graubünden eine kantonale Befragung bei allen Feuerwehr- und Zivilschutzangehörigen durchgeführt, um konkrete Massnahmen zu prüfen. 725 Feuerwehr- und 432 Zivilschutzangehörige haben daran teilgenommen.
Zufriedenheit hoch – Rückhalt in der Arbeitswelt bröckelt
Zwei Drittel der Befragten der Feuerwehr erhalten Unterstützung seitens ihrer Arbeitgebenden; rund ein Drittel der Zivilschützerinnen und Zivilschützer bestätigten dies ebenfalls. Die Unterstützungsformen sind bei beiden Gruppen ähnlich ausgeprägt: Die grösste Unterstützung erfolgt über Teilzeitjobs und flexible Arbeitszeiten. Zudem werden die administrativen Hürden tief gehalten, indem kaum schriftliche Vereinbarungen notwendig sind. Dabei zeigen sich die Arbeitgebenden oftmals kulant. Sowohl die Feuerwehr- als auch die Zivilschutzangehörigen sind generell zufrieden mit der Art und Weise, wie die Arbeitgebenden ihr Milizengagement fördern. Die befragten Feuerwehrleute messen ihrem Engagement auch einen positiven Einfluss auf ihre Bewerbungschancen bei einem künftigen Jobwechsel bei. Die Zivilschützerinnen und Zivilschützer sehen dies hingegen neutraler – weder positiv, aber auch nicht negativ. Allerdings fällt trotz gutem Image in der Öffentlichkeit auf, dass die Arbeitgebenden sich zurückhaltend zeigen, wenn es um die aktive Promotion geht: Nur knapp 20 Prozent der Feuerwehrangehörigen und 10 Prozent der Zivilschutzangehörigen wurden von ihren Arbeitgebenden proaktiv zu ihrem jetzigen oder weiterführenden Engagement ermuntert.
Grosser Nutzen für die berufliche Tätigkeit
Die kommunal organisierten Feuerwehren im Kanton Graubünden sind mit einem aktuellen Bestand von rund 4000 Angehörigen personell gut aufgestellt. Nichtsdestotrotz ist die Kadergewinnung – insbesondere in dezentralen Lagen – eine Herausforderung. Der soziodemografische Wandel macht sich auch hier bemerkbar. Erfreulich in diesem Kontext: Bei der Feuerwehr ist die Bereitschaft, einen zusätzlichen freiwilligen Dienst zu leisten, vergleichsweise hoch. Ausserdem üben sowohl im Feuerwehr- als auch im Zivilschutzkader überproportional viele Leute auch in ihrer beruflichen Tätigkeit eine Führungsfunktion aus. Vermutlich legen Menschen, die sich im Milizsystem engagieren, in vielen Lebensbereichen ein überdurchschnittliches Engagement an den Tag. Zusätzlich betonen die Feuerwehrangehörigen – insbesondere die Kadermitglieder – den Nutzen der erworbenen Fähigkeiten für ihre berufliche Tätigkeit. Dies ist eine Chance – sowohl für die Wirtschaft als auch für die Feuerwehren.
Um das Engagement attraktiver zu gestalten und damit die Bereitschaft zum Kaderdienst zu erhöhen, wurden von den Befragten einige Massnahmen besonders befürwortet: Den Ausbau von finanziellen Anreizen betrachten Angehörige der Feuerwehr und des Zivilschutzes als eines der wirkungsvollsten Mittel zur Förderung der Attraktivität des Milizdienstes. Hier besteht gerade im Zivilschutz offenbar Nachholbedarf. Weiterbildungsgutscheine und vor allem die Anrechnung des geleisteten Dienstes an Weiterbildungen (z. B. in Form von ECTS-Punkten bei Programmen der Universitäten und Fachhochschulen) stossen bei den Befragten durchaus auf Sympathie. Weiter stehen die Angehörigen des Zivilschutzes dem stärkeren Einbezug von Frauen und – in abgeschwächter Form – von niedergelassenen Ausländerinnen und Ausländern positiv gegenüber. Um den Feuerwehr- und Zivilschutz für die Zukunft zu sichern, ist konkret zu prüfen, wie Frauen besser angeworben werden können und wie der Dienst für niedergelassene Ausländerinnen und Ausländer geöffnet respektive bekannter gemacht werden kann. Weiter zeigt sich, dass die Arbeitgebenden ihre Mitarbeitenden tendenziell zu wenig ermuntern, ein (weiteres) Engagement in der Feuerwehr und im Zivilschutz anzunehmen. Ein Austausch mit der lokalen und regionalen Wirtschaft könnte dazu beitragen, dass Arbeitgebende die Wichtigkeit der beiden Dienste besser verstehen und den Wert der durch sie erworbenen Kompetenzen noch mehr zu schätzen wissen. Gerade für regionale Arbeitgebende kann dieser Wissensaustausch einen wichtigen Beitrag zur Regionalentwicklung leisten. So bleibt das freiwillige Engagement in Feuerwehr und Zivilschutz auch in Zukunft zeitgemäss.
Die ganze Studie ist unter poliwork.fhgr.ch verfügbar.
Beitrag von
Dario Wellinger, Dozent, Zentrum für Verwaltungsmanagement
Prof. Dr. Curdin Derungs, Dozent, Zentrum für Verwaltungsmanagement