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«Die Fachhochschule ist ein entscheidender Standortfaktor»
«Die Fachhochschule ist ein entscheidender Standortfaktor»

«Die Fachhochschule ist ein entscheidender Standortfaktor»

Die Regierung will Graubünden als innovativen und digitalen Gebirgskanton positionieren und nachhaltig stärken. Innovation und die Ausbildung der notwendigen Fachkräfte sind entscheidende Faktoren. Die Fachhochschule Graubünden übernehme hierbei eine wichtige Rolle, sagt der Bündner Volkswirtschaftsdirektor Marcus Caduff im Interview.

Interview: Flurina Simeon, Luzia Schmid / Bilder: Standeskanzlei Graubünden

Innovation, Standortattraktivität und Produktivität sind entscheidend für eine gesunde Volkswirtschaft. Welche besonderen Herausforderungen – und auch Vorteile – ergeben sich daraus für einen Kanton wie Graubünden­­?

Wir sind ein sehr heterogener Kanton, was gleichzeitig eine Herausforderung und eine Chance ist. Graubünden ist ein attraktiver Arbeits- und Wohnkanton mit einem guten Freizeitangebot. Wir haben touristische Hotspots, die volkswirtschaftlich stark sind, Täler, die von der Wasserkraft leben, und Regionen, die landwirtschaftlich geprägt sind. Entlang der A13 von Fläsch bis Roveredo liegen die wirtschaftlich prosperierendsten Regionen des Kantons. Im Churer Rheintal beispielsweise generieren wertschöpfungsstarke, exportorientierte Unternehmen den grössten Teil unseres Bruttoinlandprodukts. Gleichzeitig sind viele Regionen im Kanton mit negativen Wachstumszahlen und einer Abwanderungsproblematik konfrontiert.

Es ist eine grosse Herausforderung, diese unterschiedlichen Voraussetzungen zu vereinen, Graubünden als Gebirgskanton zu stärken und allen dabei gerecht zu werden. Was braucht es dafür Ihrer Ansicht nach?

Als Regierungspräsident habe ich 2022 alle elf Regionen im Kanton besucht. Eine wichtige Erkenntnis daraus ist die grosse Diskrepanz, die zwischen den Gebieten entlang der A13 und den anderen Regionen zu beobachten ist. Die verkehrstechnische Erreichbarkeit einer Region ist also mitentscheidend für deren Standortattraktivität. Es wurde auch deutlich, dass alle Regionen ihre Herausforderungen kennen. Auch die Potenziale in den Regionen sind bekannt, z. B. die Zweitheimischen, die frische Ideen einbringen könnten. Die Regionen müssen selbst aktiv werden. Wichtig ist, dass man sich auf eine gemeinsame Strategie einigt und dass alle am gleichen Strick ziehen. Der Kanton kann die Regionen im Rahmen seiner Möglichkeiten dabei unterstützen.

Die FH Graubünden unterstützt den Kanton mit aktuellen Studienangeboten und Teilzeitstudienmodellen, die Wohnen und Arbeiten im eigenen Tal mit einem Studium in Chur kombinierbar machen, sowie als Lehrbetrieb und Arbeitgeberin. Was braucht es zusätzlich, um der Abwanderung – dem sogenannten Braindrain – entgegenzuwirken?

Wir wollen, dass möglichst viele Jugendliche im Kanton bleiben. Unser Ziel ist es, die Ausbildungsabwanderung zu bremsen. Hierbei spielt die FH Graubünden eine wichtige Rolle. Mit dem entsprechenden Ausbildungsangebot bleiben die jungen Leute eher hier, auch jene aus den Talschaften. Die Teilzeitangebote der Fachhochschule sind auf unseren Gebirgskanton zugeschnitten. Sie ermöglichen den jungen Menschen, zu studieren und trotzdem in der Region zu bleiben. Obschon es den Horizont erweitert, wenn man die Heimat mal verlässt, ist es unser Ziel, dass die Bündnerinnen und Bündner, die in Bern oder Zürich studieren, wieder zurückkehren. Gerade jungen Familien bietet Graubünden eine hohe Lebensqualität.

Mit ihrem teilweise einzigartigen Studienangebot zieht die FH Graubünden viele Studierende in die Region, zusätzlich zu den Studierenden aus Graubünden selbst (20 Prozent). Ein Fünftel der Absolvierenden bleibt nach dem Studium in Graubünden. Wie wichtig ist dieses Humankapital, das an der Fachhochschule ausgebildet wird, für den Kanton?

Die Fachhochschule Graubünden macht hier einen grossen Spagat. Sie muss mit Angeboten die Bedürfnisse der regionalen Wirtschaft abdecken und gleichzeitig attraktiv für Studierende aus der übrigen Schweiz sein. Wichtig dabei ist, dass man hier den richtigen Mittelweg findet. Für die Bündner Wirtschaft ist es wichtig, dass jene Fachkräfte ausgebildet werden, die hier gefragt sind. Ein gutes Beispiel hierfür ist das Bachelorstudium Computational and Data Science, das Informatik mit dem wichtigen Thema Big Data kombiniert.

Nicht nur für Studium und Weiterbildung kann die Bevölkerung auf die FH Graubünden zählen, auch die Bündner Betriebe können gemeinsam mit der Hochschule im Rahmen von Forschungsprojekten Herausforderungen in ihren Unternehmen lösen. Welche Rolle spielt die angewandte Forschung aus Ihrer Sicht für die Innovationskraft des Kantons?

Forschung und Innovation sind ein wichtiger Standortfaktor im Hochlohnland Schweiz. Damit die Schweiz und Graubünden international wettbewerbsfähig bleiben, müssen wir in Forschung und Innovation investieren. So sind wir der Konkurrenz immer einen Schritt voraus. Wichtig ist, dass die Erkenntnisse aus der angewandten Forschung den Unternehmen weitervermittelt werden. Hier kann die Fachhochschule entscheidend dazu beitragen, die Vernetzung zwischen den Akteuren zu fördern und den Wissens- und Technologietransfer zu stärken. Die Wirtschaft muss Zugang zum aktuellsten Wissen haben und dieses muss so vermittelt werden, dass man es versteht.

Das Rheintal wird von Fachleuten oft als «Photonics Valley» bezeichnet. Die Fachhochschule hat darauf reagiert und entsprechende Studienangebote mit Kooperationsvereinbarungen aufgebaut. Wie wichtig sind diese für den Kanton?

Die Verfügbarkeit von Fachkräften ist bei der Ansiedlung und Expansion von Unternehmen immer ein grosses Thema. Hier kann eine Fachhochschule einen wesentlichen Beitrag leisten. Einerseits sehen die Firmen, dass man in der Region alles unternimmt, um die Fachkräfte auszubilden, die benötigt werden. Andererseits spielt es für die Firmen eine wichtige Rolle, dass das Wissen, das in der Grundlagenforschung und in der angewandten Forschung erarbeitet wird, in die regional ansässigen Unternehmen transferiert wird. Eine starke Fachhochschule ist für Unternehmen ein Standortfaktor, das hören wir immer wieder.

Eines der Ziele der Hochschul- und Forschungsstrategie des Kantons ist es, den Wissenschafts- und Wirtschaftsstandort Graubünden besser sichtbar zu machen. Was erwarten Sie in diesem Zusammenhang von der FH Graubünden als einziger Fachhochschule in der Region?

Aus meiner Sicht wäre es wichtig, dass die Forschungsinstitutionen in Graubünden vermehrt als Einheit nach aussen auftreten. Ein Beispiel hierfür ist die Academia Raetica, die Vereinigung zur Förderung von Wissenschaft, Forschung und Bildung im Kanton Graubünden, die über 20 Mitgliedsinstitutionen umfasst. Gemeinsam könnte man dem innovativen Kanton Graubünden mehr Visibilität verschaffen. Man nimmt Graubünden immer noch primär als ländlichen Tourismuskanton wahr. Hier könnte man verstärkt zeigen, dass Graubünden auch ein anderes Gesicht hat, dass es bei uns viel Innovation und Ausbildungspotenzial gibt. Ein gutes Anschauungsbeispiel ist die Kommunikationsoffensive «Enavant» der Marke graubünden, welche zum Ziel hat, die Wahrnehmung Graubündens als Lebens- und Arbeitsort zu stärken.

Gemäss einer Studie der BAK Economics AG und der econcept AG hat sich der volkswirtschaftliche Nutzen aus einem kantonalen Beitragsfranken an die FH Graubünden in den vergangenen Jahren von 1.70 auf 4.30 Franken gesteigert. Wie wichtig ist die Fachhochschule aus Ihrer Sicht für die Volkswirtschaft im Kanton?

Die FH Graubünden ist sicher ein wichtiger Faktor für unsere Volkswirtschaft, wenn es ihr gelingt, Innovationstreiberin zu sein – wenn sie die Fachkräfte ausbildet, die wir hier brauchen, und wenn sie ihr Wissen teilt. Damit der Wirtschafts- und Innovationsstandort Graubünden wettbewerbsfähig bleibt, brauchen wir den Wissenstransfer zwischen Bildung, Forschung und Wirtschaft.

Über Marcus Caduff
Marcus Caduff ist seit 1. Januar 2019 Vorsteher des Departements für Volkswirtschaft und Soziales des Kantons Graubünden und somit zuständiger Regierungsrat für die kantonale Wirtschafts-, Tourismus- und Sozialpolitik. Zuvor war er als CEO und Vorsitzender der Geschäftsleitung im Regionalspital Surselva AG sowie als Leiter Unternehmensentwicklung im Kantonsspital Graubünden tätig. Marcus Caduff ist ausgebildeter Agronom (Dipl. Ing.-Agr. ETH) und verfügt über ein ETH-Nachdiplom in Betriebs- und Produktionswissenschaften (MAS MTEC). Er ist verheiratet und Vater zweier Töchter.

Beitrag von

Flurina Simeon, Leiterin Hochschulkommunikation