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Geotextilsäcke für Anker
Geotextilsäcke für Anker

Geotextilsäcke für Anker

Fels- und Bodenanker sind ein grundlegendes Bauelement von Lawinen- und Steinschlagverbauungen zum Schutz vor Naturgefahren. Sie kommen in Schweizer Bergregionen und für Verkehrswege zum Einsatz. In porösem Gelände kann es jedoch zu grossen Verlusten an Mörtel kommen. Um diese einzudämmen, werden Geotextilsäcke eingesetzt. Ein Forschungsteam der Fachhochschule Graubünden hat die Wirksamkeit dieser Säcke systematisch getestet und erstellt daraus eine Praxishilfe für die Baubranche.

Text: James Glover, Seraina Braun, Imad Lifa / Bilder: FH Graubünden

Solide Verankerung in komplexem Terrain

Fels- und Bodenanker sind ein wesentliches Konstruktionselement von Steinschlag- und Lawinenschutzsystemen, die die Sicherheit von Verkehrswegen und Siedlungen gewährleisten. Diese Anker bestehen aus Stahlstäben, die in ein Bohrloch eingelassen und mit Mörtel injiziert werden. Sie bilden die Befestigungspunkte für die Montage von Steinschlag- und Lawinenverbauungen am Berg und leiten die Kräfte von Naturereignissen in den Boden ein. Solche Fels- und Bodenanker müssen während der gesamten Lebensdauer der Schutzbauten gegen Naturgefahren stabil und dauerhaft bleiben.

Steinschlagverbauungen wie hier in Schmitten müssen während ihrer gesamten Lebensdauer stabil bleiben.

Geotextile Säcke zur Vermeidung von Mörtelverlusten

Im anspruchsvollen alpinen Gelände können poröse Böden und zerklüftetes Gestein zu hohen Mörtelverlusten führen; diese können jedoch mit Geotextilsäcken eingedämmt werden. Die Prüfung der Ausziehkraft von Ankern, welche mit Geotextilsäcken gesetzt wurden, hat jedoch eine grosse Spannweite an Resultaten aufgezeigt. Einige Anker weisen eine hohe Festigkeit auf, andere hingegen versagen schon bei geringen Lasten. Das Forschungsteam des Instituts für Bauen im alpinen Raum (IBAR) hat in seinem Projekt das Tragverhalten von Ankern untersucht, die mit Geotextilsäcken ausgeführt wurden. Dabei ging es insbesondere um die verschiedenen Faktoren, welche die Tragfähigkeit der gesetzten Anker beeinflussen. In einer Reihe von Feldversuchen und kontrollierten Laborexperimenten wurde eine Auswahl verschiedener Geotextilsäcke getestet.

Testanker mit verschiedenen Geotextilsäcken werden untersucht.

Über die Naturgeräusche hinaus

Ein wichtiger Faktor bei der Bestimmung der Tragfähigkeit von Ankern sind die Eigenschaften des Baugrunds. Feldversuche mit Ankern in einer Länge von 3,5 Metern auf einem Testgelände in Felsberg ergaben, dass ihre Tragfähigkeit nicht von der Art der eingesetzten Geotextilsäcke beeinflusst wird. Fast jeder zweite Anker entwickelte keine Tragkraft, weil der gewünschte Verbund des Mörtels mit dem Baugrund durch den Geotextilsack reduziert wurde. Anker, die zufällig durch einen Steinblock im Baugrund durchgebohrt worden waren, hatten sich gut im Baugrund verhakt und wie Sprenganker verhalten.

Der aus der Baupraxis bekannte Einfluss der verschiedenen Arten von Geotextilsäcken für Anker war in den zahlreich ausgeführten Feldversuchen nur schwer zu erkennen. Die Ausgrabung der Anker zeigte, dass die Geotextilsäcke in einigen Fällen geplatzt waren, was zur Entstehung einer grossen Mörtelzwiebel am Boden des Ankers geführt hatte.

Das Setzen von Ankern im Gelände geschieht mit Hilfe eines auf einen Bagger montierten Bohrgeräts.

Den Korken aus der Flasche ziehen

Schliesslich wurden Labortests entwickelt, um die Verbundfestigkeit der verpressten Geotextilsäcke mit dem umgebenden Boden zu testen. Ähnlich wie ein Korken in einer Flasche wurden die verschiedenen Geotextilsäcke in Kies gesetzt und mittels Einsatz der Universalzugmaschine im Baulabor des IBAR durch ein definiertes Scherloch herausgezogen. Das Scherloch zwang den Anker, entlang des Verbundkontakts mit dem umgebenden Boden zu versagen. Auf diese Weise konnte die Verbundfestigkeit der einzelnen geotextilen Ankersysteme bestimmt werden. Es zeigte sich sofort, dass Geotextilsäcke, welche den Austritt von Mörtel verhinderten, eine sehr geringe Haftfestigkeit aufwiesen. Geotextilien, welche eine kleine Menge an Mörtel passieren liessen, schnitten am besten ab. Dies zeigt, dass eine gewisse Durchlässigkeit für ihren Erfolg wichtig ist.

Feinkörnige Mörtel und Geotextilien

Die verschiedenen Geotextilkonstruktionen weisen eine unterschiedliche Mörteldurchlässigkeit auf. Aus diesem Grund wurde ein Mörteldurchlässigkeitsmessgerät entwickelt. Damit konnte das Volumen des Mörtels gemessen werden, das unter wechselndem Druck durch die Geotextilien hindurchdringt. Einige Geotextilien waren undurchlässig, während andere den gesamten Mörtel durchliessen. Um den Mörteldruck zu simulieren, dem die Geotextilsäcke beim Vermörteln ausgesetzt sind, wurde eine Berstvorrichtung entwickelt. Die Proben wurden über eine Druckblase aufgezogen und zum Bersten gebracht, wodurch der Widerstandsdruck der Geotextilsäcke gemessen werden konnte. Es zeigte sich, dass viele der Geotextilsäcke einen Berstwiderstand aufwiesen, der bei oder unter dem erwarteten Mörteldruck im Bohrloch lag. Diese Erkenntnis erklärt viele der in Feld- und Laboruntersuchungen nachgewiesenen Fälle, in denen es trotz der Verwendung von Geotextilsäcken zu grossen Mörtelverlusten kam.

Die Laborversuche im Baulabor der FH Graubünden brachten wichtige Erkenntnisse.
Diskussion über das Verformungsmuster des Ankers nach einem Ausziehversuch.
Die Experimente haben gezeigt, dass der ideale Geotextilsack dehnbar und robust sein muss.
Nach dem Ausziehversuch werden die Messergebnisse analysiert.

Die optimale Kombination

Die Ergebnisse der Feldversuche und Experimente haben gezeigt, dass der ideale Geotextilsack dehnbar und robust sein und den Mörtelfluss regulieren muss, um sich gut mit der Umgebung zu verbinden. Keiner der untersuchten Geotextilsäcke verfügt über all diese Eigenschaften. Dank der Fortschritte im Verständnis der Funktionsweise von Geotextilsäcken war das Forschungsteam jedoch in der Lage, potenzielle neue Geotextilien, die eine bessere Leistung bieten könnten, zu finden und zu untersuchen.

Testanker aus Laborversuchen, die das Bersten des Sackes und die Bildung einer Mörtelzwiebel zeigen.

Eine Praxishilfe

Steinschlag- und Lawinenverbauungen sind für die Sicherheit der Bergregionen und der sie verbindenden Verkehrswege unerlässlich. Allein im Kanton Graubünden gibt es rund 400 Kilometer Lawinen- und Steinschlagschutzbauten, in denen Anker eingesetzt werden können. Die Erkenntnisse aus dieser Forschungsarbeit der FH Graubünden tragen dazu bei, den Wissensstand der Baubranche in Bezug auf den Einbau von Injektionsankern mit Geotextilsäcken voranzubringen. Die Ergebnisse des Projekts werden in Form einer Praxishilfe für den Einsatz von Geotextilsäcken zur Eindämmung des Mörtelverlusts zusammengefasst.

Das Forschungsprojekt wurde im Auftrag der Expertenkommission für Lawinen- und Steinschlag (EKLS) erarbeitet und vom Bundesamt für Umwelt (BAFU), der SBB sowie den Kantonen Graubünden, Bern, Tessin und Wallis mitfinanziert.

Fachtagung: Geotextilsäcke für Anker
Am 17. November 2022 findet an der FH Graubünden eine Fachtagung über Geotextilsäcke für Anker statt. Nähere Informationen dazu folgen. 

Beitrag von

James Glover
Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Institut für Bauen im alpinen Raum

Seraina Braun
Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Institut für Bauen im alpinen Raum

Prof. Dr. Imad Lifa
Leiter Institut für Bauen im alpinen Raum