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Qualität ist nicht delegierbar
Qualität ist nicht delegierbar

Qualität ist nicht delegierbar

Die FH Graubünden befindet sich auf dem Weg in die Selbständigkeit. Qualität spielt auf diesem Weg eine grosse Rolle. Ein guter Zeitpunkt also, mit Jürg Kessler und Martin Studer über Qualität an der Bündner Fachhochschule zu sprechen.

Text: Petra Caviezel / Bild: fotobollhalder / Riona Daly

Im Juni 2018 hat der Schweizerische Akkreditierungsrat die Institutionelle Akkreditierung der FH Graubünden beschlossen – verbunden mit Auflagen, welche erfüllt werden müssen. Prof. Jürg Kessler (JK) verantwortet als Rektor das Gesamtprojekt der Auflagenerfüllung sowie das Projekt Selbständigkeit. Zusammen mit Teilprojektleitenden erarbeitet er die notwendigen Schritte, welche die FH Graubünden in die Selbständigkeit führen werden. Prof. Martin Studer (MS) leitet das Prorektorat der FH Graubünden und ist für diverse Bereiche der Fachhochschule verantwortlich – unter anderem für das Qualitätsmanagement.

Qualität ist ein Gradmesser von Güte – und Güte ist immer individuell. Welche Bedeutung hat «Qualität» für Sie?

JK: Qualität ist ein abstrakter Begriff, man spricht von Qualität, von hoher Qualität, von höchster Qualität – im Endeffekt geht es darum, Erwartungen zu erfüllen. Es geht um die geforderte Qualität. An der FH Graubünden unterscheiden wir zwischen Qualität in der Lehre und Weiterbildung und Qualität in der Forschung und Dienstleistung. In der Lehre haben wir die Erwartungen dann qualitativ erfüllt, wenn unsere Studierenden nach dem Studium rasch beruflich erfolgreich sein können. Das erwarten einerseits die Studierenden, andererseits auch die Unternehmen, in denen sie arbeiten werden. In der Forschung ist es analog: Unsere Forschungsergebnisse sollen möglichst rasch in praktische Ergebnisse umgesetzt werden und zum Erfolg von Unternehmen – sowie zum wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn – beitragen. Das ist die Qualität, die von uns erwartet wird.

MS: Es ist wichtig, immer die aktuellen Ansprüche im Blick zu behalten. Unsere Studierenden möchten praxisorientiert und berufsqualifiziert ausgebildet werden. Während der Studienzeit haben sie auch noch andere Ansprüche: Sie möchten, dass das Privatleben nicht zu kurz kommt, und manche planen einen Auslandsaufenthalt. Auch diesbezüglich wollen wir den Studierenden so viel wie möglich bieten, um die erwartete Qualität zu erfüllen. Denn Qualität ist die Basis für den Erfolg der FH Graubünden.

«Unsere gelebte Qualitätskultur ist die Basis für die kontinuierliche qualitative Weiterentwicklung der FH Graubünden.» Prof. Jürg Kessler, Rektor
«Qualität ist die Basis für den Erfolg der FH Graubünden.» Prof. Martin Studer, Prorektor

Normativer Leitsatz der FH Graubünden: «Qualität begründet unseren fachlich guten Ruf und ist ein zentraler Erfolgsfaktor.»

Jetzt haben wir über die Bedeutung von Qualität an der FH Graubünden gesprochen. Was macht für Sie persönlich eine hohe Lebensqualität aus?

MS: Die Verbindung von Berufs- und Privatleben, die sogenannte Life-Domain-Balance, ist immer ein Thema – für mich und für andere derzeitige sowie künftige Mitarbeitende der FH Graubünden. Auch diese Qualitätsansprüche verändern sich stetig: Momentan sind Aspekte wie Home Office, flexible Arbeitszeiten oder Vaterschaftsurlab wichtig. In meiner Position nimmt der Beruf einen sehr hohen Stellenwert ein und sehr viel Zeit in Anspruch. Das ist mir bewusst und es stimmt so für mich.

JK: Für mich ist Zufriedenheit sehr wichtig. Ich persönlich bin dann zufrieden, wenn ich sehe, dass ich gemeinsam mit anderen Menschen Dinge umsetzen und erreichen kann. Qualität äussert sich für mich vor allem in der Umsetzung, im gemeinsamen Erarbeiten und in Gesprächen. Es geht um gegenseitige Wertschätzung, um das Reflektieren, Wahrnehmen und Aufnehmen von Fähigkeiten anderer. In Bezug auf die Life-Domain-Balance ist mir wichtig, dass ich meine eher knappe Freizeit in einer hohen Intensität geniessen kann. Ich entschleunige primär aktiv. Yin und Yang – in der gleichen Intensität. Im Winter spiele ich – zwar nicht gut, aber sehr gerne – Curling. Nach einer Viertelstunde auf dem Eis bin ich weg von allem, weil ich so konzentriert darauf bin, den Stein an den richtigen Ort zu bringen. Diese Art von Erholung bedeutet für mich hohe Lebensqualität.

Qualität ist eine wichtige Grundlage für die Weiterentwicklung der FH Graubünden. Was braucht es, damit alle Hochschulangehörigen gemeinsam in die richtige Richtung gehen können?

JK: Als Basis dafür dient unsere Qualitätskultur. Sie ist die zentrale Voraussetzung. In der Qualitätssicherungsstrategie und im Qualitätssicherungssystem legen wir die Stossrichtung fest. Die Qualitätskultur hilft mit, diese konkret umzusetzen. Qualitätskultur muss verinnerlicht sein, was nicht von heute auf morgen geschieht. Sie muss sich entwickeln. Hier sind wir an der FH Graubünden schon sehr weit. Wir können auf einem sehr guten Fundament aufbauen – aber wir dürfen nicht stehen bleiben. Es geht um kontinuierliche Verbesserung.

Aus der schriftlichen Stellungnahme der Akkreditierungsagentur: «Die FH Graubünden ist in der Lage, die Qualität ihrer Aktivitäten zu gewährleisten; die Gutachtergruppe verweist dazu an mehreren Stellen auf die gelebte Qualitätskultur der Angehörigen der FH Graubünden und auf die Qualität der Aktivitäten.»

Kultur ist etwas Riesiges. Wie verinnerlicht man Qualitätskultur?

MS: In der Qualitätssicherungsstrategie haben wir Leitsätze für die Bereiche Lehre, Forschung, Governance, Ressourcen und Kommunikation festgelegt. Diese zeigen ganz konkret auf, wo der Fokus liegt. Im Bereich der Lehre ist das beispielsweise die Praxisorientierung. Wir wissen demnach bei der Entwicklung eines neuen Unterrichtsmoduls, dass die neusten Tools aus der Praxis relevant für den Unterricht sind. Die FH Graubünden verfügt über eine hohe Qualitätskultur und – mit der Qualitätssicherungsstrategie und ihren Leitsätzen – über eine klare Qualitätsausrichtung. Diese schafft Orientierung für alle Hochschulangehörigen und hilft, unsere Qualitätskultur weiterzuentwickeln.

JK: Jeder Kollegin und jedem Kollegen soll bewusst sein, welchen Beitrag zur Qualität sie oder er leistet. Denn Qualität ist nicht delegierbar. Für Qualität ist jede/jeder von uns verantwortlich, in ihrer/seiner Funktion an der FH Graubünden. Der gute Ruf der Hochschule wird von uns allen – den Dozierenden, Forschenden, Mitarbeitenden der zentralen Funktionen sowie den Studierenden – geprägt.

«Nicht Prozesse machen Qualität, sondern Menschen, die sie leben.»

Wie weit ist die FH Graubünden?

JK: Im Rahmen der Institutionellen Akkreditierung wurde uns eine von allen Angehörigen der FH Graubünden gelebte Qualitätskultur attestiert. Was wir stark verbessert haben, ist der formale Bereich. Jetzt ist es wichtig, dass wir diesen formalen Bereich – die Qualitätssicherungsstrategie und das Qualitätssicherungssystem – auch verinnerlichen können. Dafür schaffen wir verschiedene Berührungspunkte.

MS: Ein Beispiel: Wir führen regelmässig Mitarbeitenden-Beurteilungen durch. In diesem Rahmen wurden zwar schon immer Ziele vereinbart, aber der Bezug zu den Leitsätzen, zur Qualität, war bisher nicht explizit vorhanden. Zukünftig sollen Ziele einen Bezug zu den Leitsätzen der Qualitätssicherung haben. Damit die Mitarbeitenden wissen, weshalb ein Ziel festgelegt wird, und dass die Erreichung dieses Ziels – durch ihre Arbeit – Einfluss auf die Qualität der FH Graubünden hat.

Als Instrument für die Qualitätssicherung und -entwicklung nutzt die FH Graubünden den Regelkreis der Qualitätssicherung. Wie funktioniert dieser Regelkreis in der Praxis?

MS: Der Regelkreis ist ein einfacher Zyklus: «Plan – Do – Check – Act.» Oder: «Ziele – Massnahmen –Bewertung – Qualitätsentwicklung.» Wenn ich etwas in Angriff nehme, überlege ich im Vorfeld, was das Ziel ist. Dann definiere ich die Massnahmen. Danach mache ich mir Gedanken, wie ich die Zielerreichung messen und bewerten kann. Im Bereich der Lehre führen wir beispielsweise Unterrichtsbeurteilungen durch und es finden Gespräche mit Studierenden statt. Nach der Beurteilung legen wir Verbesserungsmöglichkeiten fest. Wir passen die Ziele an, definieren erneut Massnahmen und Beurteilungsmöglichkeiten. Der Regelkreis ist ein einfaches Darstellungsmittel für den kontinuierlichen Verbesserungsprozess – das Bemühen, sich ständig zu verbessern.

JK: Das Ziel ist, dass der Regelkreis auf allen Ebenen und permanent eingesetzt wird. Ein Beispiel aus der operativen Ebene: Jedes Jahr legt die Hochschulleitung die operativen Ziele für das Folgejahr fest: Plan! Dann definieren wir die Massnahmen: Do! Wir überprüfen die Zielerreichung jährlich und schauen, wo wir stehen: Check! Und wir definieren Verbesserungsmassnahmen, um das betreffende Ziel zu erreichen: Act! Wir arbeiten auch auf strategischer Ebene und in der Lehre, bis auf Studienangebotsebene, nach diesem Regelkreis.

MS: Sehr oft reicht es, sich den Regelkreis einfach bewusst zu machen. Oftmals wird er schon gelebt, seine Elemente sind vorhanden, er ist einfach nicht explizit dargestellt. Dieses Denken im Regelkreis ist auf allen Ebenen und in vielen Prozessen möglich.

Die Bewertung ist wahrscheinlich nicht immer einfach.

JK: Das ist eine Frage der Ziele – ob diese messbar sind oder nicht. Wir legen bereits bei der Zieldefinition fest, ob und wie wir die Bewertung vornehmen können. Das kann qualitativ oder quantitativ sein. Ich finde es wichtig, dass wir uns bei Fragen in Bezug auf die Messqualität nicht darauf festlegen, uns ausschliesslich auf eine Zahl zu beziehen. Für ein Gesamtbild braucht es das Gespräch sowie zusätzliche Informationen.

Die FH Graubünden ist auf dem Weg zur Selbständigkeit. Was genau wird da punkto Qualität von ihr erwartet?

JK: Es gibt drei Dimensionen der Qualität, die von uns erwartet werden. Einerseits müssen wir als Fachhochschule forschungsorientiert, praxisorientiert und anwendungsorientiert in Forschung und Lehre sein. Dann ist da die Erwartung, den regionalen Mangel an Fachleuten – vor allem an Ingenieurinnen und Ingenieuren – aufzufangen. Für mich hat das nur einen indirekten Bezug zur Qualität. Es wird aber von aussen als Qualität verstanden, deshalb müssen wir dies unter Einhaltung der betriebswirtschaftlichen Prinzipien berücksichtigen. Die dritte Dimension ist eine formale, aber ebenso wichtige, nämlich die Erfüllung der Auflagen im Zuge der Institutionellen Akkreditierung.

Es wird mehr Verantwortung auf die FH Graubünden zukommen.

JK: Wenn man ein Teil von einem Ganzen ist, in unserem Fall Teil der Fachhochschule Ostschweiz, trägt man einen Teil zum Ganzen bei. Wenn wir nicht Teil von etwas sind, tragen wir auch mehr Verantwortung. Die Selbständigkeit gibt uns aber gleichzeitig auch als Team die Chance, das Geschehen viel stärker mitzuprägen. Viel stärker, als wenn wir Teil eines Ganzen sind.

Ist die Fachhochschule aus Graubünden auf dem richtigen Weg?

MS: Die FH Graubünden wurde mit 4 EFQM-Sternen zertifiziert. Es wurde somit ganz klar anerkannt, dass wir eine hohe Qualität haben. Wir haben die Institutionelle Akkreditierung durchlaufen. Die Studierendenzahlen und der Forschungsumsatz stimmen. Das sind Indikatoren, die zeigen, dass wir auf dem richtigen Weg sind.

JK: Durch den Akkreditierungsprozess haben wir eine riesige Chance erhalten – und haben sie genutzt. Das Hinterfragen des ganzen formalen Gebäudes während der letzten eineinhalb Jahre hat uns einen Quantensprung nach vorne gebracht. Wir haben uns weiterentwickelt – auf dem starken Fundament unserer hohen, attestierten Qualitätskultur. Und mit dieser starken Basis, da bin ich überzeugt, sind wir auf dem richtigen Weg.

Beitrag von

Prof. Jürg Kessler

Rektor, Vorstand der Hochschulleitung

Prof. Martin Studer

Prorektor, Mitglied der Hochschulleitung