Potenziale einer vielfältigen Hochschule nutzen
Aktuelle Herausforderungen wie die Digitalisierung, veränderte Familienmodelle, die unternehmerische Gesellschaftsverantwortung sowie der Fachkräftemangel verändern die Arbeitswelt und erfordern eine umfassende Sicht auf die Kundenbedürfnisse. Diversity-Management nutzt diese Entwicklungen proaktiv und trägt als Querschnittsthema zur Qualitätsentwicklung bei. Insbesondere Hochschulen mit ihren vielfältigen Anspruchsgruppen profitieren von der Perspektivenvielfalt gemischter Teams.
Text: Sara Dolf-Metzler / Bild: Yvonne Bollhalder, charta-der-vielfalt.de
Die Angehörigen der FH Graubünden studieren, lehren, forschen und arbeiten als vielfältige Persönlichkeiten mit Kompetenzen in mehreren Fachdisziplinen. «Wir fördern Vielfalt und Chancengleichheit und entwickeln die daraus entstehenden Potenziale.» Diesen Wert schreibt die FH Graubünden seit 2017 in ihrem Leitbild fest. Vielfalt und Chancengleichheit sind als Leitsatz in der Qualitätssicherungsstrategie der Hochschule verankert. Alle Hochschulangehörigen sollen ihr Potenzial optimal einbringen können. Die Vielfalt der Studierenden und Mitarbeitenden ist eine wichtige Voraussetzung für die erfolgreiche und innovative Weiterentwicklung der Hochschule.
Vielfalt fördern
Die FH Graubünden weitet deshalb ihr langjähriges Engagement im Bereich der Chancengleichheit aus und konzentriert sich verstärkt auf die Förderung der Vielfalt (Diversity). Die Schweizer Fachhochschulen sind vom Bund gemäss Hochschulförderungs- und Koordinationsgesetz (HFKG) beauftragt, für Chancengleichheit und die tatsächliche Gleichstellung von Frauen und Männern zu sorgen. Gemeinsam mit den Teilhochschulen der Fachhochschule Ostschweiz ist die FH Graubünden für die Umsetzung des Aktionsplans FHO «Chancengleichheit 2017–2020» verantwortlich, welcher u. a. die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben zum Ziel hat.Vielfalt ist mehrdimensional. Nebst der Persönlichkeit sind u. a. Alter, Geschlecht und Ausbildung mögliche Dimensionen. Die FH Graubünden verfügt seit 2017 über eine Diversity-Policy, die als Leitlinie zur Förderung der Vielfalt und Schaffung der geeigneten Rahmenbedingungen dient. Die Fachstelle Diversity begleitet den hochschulweiten Implementierungsprozess. Diversity-Management umfasst den Einbezug der Vielfalt der Hochschulangehörigen und die Förderung ihrer Potenziale sowie die entsprechende Weiterentwicklung der Strukturen und Prozesse.
Ein Fokus liegt dabei auf möglichen Verzerrungen, die oft unbemerkt in der Organisationskultur und den Strukturen vorhanden sind. Stereotype sind automatisierte Denkmuster. Sie reduzieren die Komplexität, verhindern jedoch oft die Ausschöpfung von Potenzialen, indem sie die Wahrnehmung und das Verhalten beeinflussen. Der gezielte Umgang mit den oft unbewussten «implicit biases» trägt zur Förderung gemischter Teams bei. Eine Studie mit Orchestern zeigte dies eindrücklich. Die Proben zur Leistungsbeurteilung der Bewerbenden fanden hinter einem Vorhang statt. Dies förderte gemischte Teams in den Orchestern. Der Anteil Musikerinnen konnte von jeweils fünf auf vierzig Prozent erhöht werden. Der Vorhang steht symbolisch dafür, dass gezielte Massnahmen den bremsenden Einfluss von Stereotypen entgegenwirken. Dies lässt sich insbesondere in Auswahl- und Personalentwicklungsprozessen nutzen.
Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben
In den meisten Organisationen nimmt die Vielfalt mit zunehmender Hierarchiestufe merklich ab, obwohl bei den Arbeitnehmenden sowie Hochschulabsolventinnen und -absolventen eine ausgewogene Durchmischung besteht. Besonders markant ist der Unterschied bei berufstätigen Eltern.
Die Vereinbarkeit von Beruf, Studium, Privatleben und Familie ist ein essenzieller Beitrag, um die Vielfalt auf allen Ebenen zu erhöhen. 61 Prozent der Berufseinsteigerinnen und Berufseinsteiger nennen als erstes Karriereziel eine ausgewogene «Work-Life-Balance». Flexible und familienfreundliche Rahmenbedingungen wirken sich positiv auf die Ausschöpfung des Fachkräftepotenzials aus. Es würde alltäglicher werden, dass sowohl Väter als auch Mütter wegen ihrer familiären Pflichten in flexiblen Arbeitsmodellen arbeiten. Die berufliche Perspektive beider Elternteile wäre langfristig und die Karriererisiken bei einer Familiengründung wären ausgeglichener verteilt. Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie fördert gemischte Teams im Beruf und unterstützt berufstätige Eltern dabei, ihr Potenzial in beiden Bereichen einzubringen.
Die FH Graubünden ermöglicht diese Vereinbarkeit u. a. durch flexible Arbeits- und Studienmodelle. Zur Weiterentwicklung der Rahmenbedingungen wurde das Projekt «Life-Domain-Balance» initiiert. Dessen Ziel ist es, die Bedingungen so zu gestalten, dass das berufliche, private und familiäre Engagement gut zu vereinbaren sind. 2017 und 2018 wurden eine Mitarbeitenden-Umfrage, qualitative Interviews sowie Workshops in drei Personalkategorien durchgeführt. Ergänzend analysierte eine Audit-Fachstelle die Rahmenbedingungen und deren Weiterentwicklungspotenzial. Die Erkenntnisse fliessen in einen mehrjährigen Massnahmenplan ein. Als beispielhafte Massnahmen im Bereich der Chancengleichheit der Studierenden werden u. a. Laufbahn-Workshops und Unternehmensbesuche für MINT-Studierende angeboten. Die Studierenden haben ebenso die Möglichkeit, bei der Finanzierung einer externen Kinderbetreuung unterstützt zu werden. Ausserdem engagiert sich die FH Graubünden im Bereich der Nachwuchsförderung, u. a. mit den «FH Graubünden Techniktagen», der «Uni für alle» sowie durch ihre Beteiligung am nationalen Mentoring-Programm «Swiss TecLadies».
Strategische Verankerung
Die strategische Verankerung der Vielfalt und Chancengleichheit wurde ebenfalls vorangetrieben. Folgende neuen Policies und Instrumente wurden u. a. implementiert:
- Integration Leitbild FH Graubünden
- Aktionsplan Chancengleichheit FHO 2017–2020
- Diversity-Policy FH Graubünden
- Bildleitfaden Diversity
- Diversity-Benchmarking
Darüber hinaus wurde ein strategisches Ziel gesetzt, damit sich die ausgewogene Belegschaft der FH Graubünden auch auf Führungsebene wiederspiegelt: Bis 2028 sollen mindestens 30 Prozent der Kader- und Dozierendenstellen auf jeder Führungsebene durch Frauen besetzt sein. Derzeit liegt deren Anteil bei 19 Prozent. In einem Hochschul-Kooperationsprojekt ist die FH Graubünden am Aufbau eines Diversity-Benchmarkings beteiligt. In den resultierenden Entwicklungsfeldern werden Prozesse und Strukturen optimiert. Die Zielsetzung und das Monitoring begünstigen eine positive Entwicklung hinsichtlich der Vielfalt. Als Mitglied der PRME-Champions-Gruppe (UN Principles of Responsible Management Education) trägt die FH Graubünden damit auch zum Sustainable Development Goal «gender equality» bei. Darüber hinaus fördert Diversity-Management attraktive Arbeitsbedingungen, eine inklusive Bildung sowie Innovation.
Quellen
- BFS-Studie (2016): Der Zugang zu Führungspositionen von Hochschulabsolventinnen und -absolventen
- Implicit bias in academia: A challenge to the meritocratic principle and to women's careers - And what to do about it. Advice paper League of European Research Universities LERU, 2018
- Wissensplatz (2017): Wie vielfältig sind Ihre Perspektiven? Sara Dolf-Metzler
- What Works: Gender Equality by Design. Iris Bohnet (2016). Harvard University Press
- Advance Women in Swiss Business / Universität St.Gallen: Advance & HSG Gender Intelligence Report 2018
- Universum (2018): Universum Talentstudie Schweiz 2018
- Diversity-Bildleitfaden FH Graubünden
- UN Principles of Responsible Management Education (PRME) FH Graubünden
- Allbright Stiftung (2017): Ein ewiger Thomas-Kreislauf? Wie deutsche Börsenunternehmen ihre Vorstände rekrutieren
- McKinsey Study (2017): Women Matter: Ten years of insights on gender diversity
- Charta der Vielfalt, Diversity-Dimensionen
- Nationales Mentoring-Programm Swiss TecLadies der Schweizerischen Akademie der Technischen Wissenschaften SATW
- BFS-Studie (2015): Erhebung zu Familien und Generationen 2013, erste Ergebnisse
- Bundesamt für Statistik (2016): Schweizerische Arbeitskräfteerhebung