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Die Dozierenden müssen «brennen»
Die Dozierenden müssen «brennen»

Die Dozierenden müssen «brennen»

Vier Multimedia-Production-Studierende, die ihr Studium 2019 mit dem Bachelor abschliessen, unterhalten sich in einem Round-Table-Gespräch über grossartige Vorlesungen, moderne Lehrformate und scheiternde Dozierende.

Text: Marius Hagger / Bild: Milena Suter

Marius Hagger: Welche war die letzte Vorlesung, die Sie ausserordentlich gut gefunden haben, und weshalb?

Cécile Kühn: Den Minor «Design Thinking». Es ist workshopmässig organisiert. Was mich speziell an der Unterrichtsform beeindruckt hat, ist, dass der Dozent extrem auf uns Studierende einging. Man merkte, dass es sein Ziel war, uns möglichst viel beizubringen. Er zeigte eine ideale Kombination aus fachlicher Kompetenz und didaktischen Fähigkeiten. Oft kriegt man sonst nur das eine oder das andere.

Manuel Ramirez: Den Major «Digital Communication Management» mit Marco Harenberg als Gastreferent. Er kommt von einem Unternehmen, das sich in Deutschland für Nachhaltigkeit engagiert. Er ist ein sehr motivierender Typ. Er hat die Klasse mitgerissen und in seinen Vorlesungen, was mir sehr wichtig ist, genau die optimale Menge an Informationen auf den Folien präsentiert. Nebst der Theorie haben wir Praxisbeispiele analysiert und auch Rollenspiele gemacht. Die Verknüpfung von Theorie und Praxis ist mir sehr wichtig.

Wie kann man Qualität in der Lehre definieren? Welches sind die Kriterien?

Ramirez: Diese Frage kann ich sehr einfach beantworten. Die Kunst des Dozierens ist, wenn man komplexe Inhalte einfach und verständlich erklären kann. Und wenn die Inhalte auch noch zu einer Diskussion anregen. Was ich auch immer sehr wichtig finde: dass Theorie und Praxis miteinander verbunden werden.

Kühn: Man merkt auch sehr gut, wenn die Dozierenden für ein Thema «brennen». Das steckt extrem an. Am Schluss hat der Dozierende doch die bestmögliche Qualität erzielt, wenn er aus jedem Studierenden das Maximum herausholen kann. Und es muss ein klarer Erkenntnisgewinn zum Wissensstand vor der Vorlesung da sein.

Fabian Sude: Ich sehe es wie Manuel Ramirez. Der Mix von Theorie und Praxis ist mir sehr wichtig. Wenn Stoff nur theoretisch ist, ist er nicht greifbar. Das ist auch der grosse Vorteil einer Fachhochschule im Gegensatz zur Uni. Was ich beispielsweise an der Uni gelernt habe, konnte ich später nie mehr konkret einsetzen.

«Die Verknüpfung von Theorie und Praxis ist mir sehr wichtig.» Manuel Ramirez, Multimedia-Production-Student
«Ich würde mir generell wünschen, dass die Inputs seitens der Dozierenden grösser sind.» Cécile Kühn, Multimedia-Production-Studentin
«Das Evaluationstool ist das einzige Tool, das Qualität quantifizierbar misst.» Fabian Sude, Multimedia-Production-Student
«Im Vergleich zu anderen Hochschulen haben wir wenig Unterricht. Das finde ich sehr gut.» Milena Suter, Multimedia-Production-Studentin
«Aus Sicht des Dozenten sind engagierte Studierende ein Schlüsselelement für Qualität in der Lehre.» Marius Hagger, Dozent für Medienbetriebswirtschaftslehre

Hat die Klassengrösse etwas mit Qualität zu tun?

Milena Suter: Definitiv.

Ramirez: Ich finde, nur bedingt.

Kühn: Nicht zwingend. Wenn die Dozierenden es schaffen, ihre Studierenden zu «packen», können sie auch in einem grossen Saal unterrichten.

Sude: Ich halte kleinere Einheiten für optimal. Übungen kann man nicht in grossen Verbänden machen.

Kühn: Vielleicht kommt es einfach auf das Fach an.

Suter: Wenn weniger Studierende da sind, bin ich viel präsenter. Ich beteilige mich dann auch viel lieber am Unterricht. In einem grösseren Rahmen schalte ich dann eher zwischendurch mal ab.

Welche Möglichkeiten gibt es, die Qualität in der Lehre objektiv zu messen?

Ramirez: Es ist immer ein gutes Zeichen, wenn die Studierenden Fragen stellen. Das zeigt, dass sie sich mit dem Stoff auseinandersetzen. Sie haben aufgepasst und denken vielleicht sogar ein bisschen weiter.

Kühn: Langfristig ist es das, was die Studierenden in die Arbeitswelt mitnehmen. Was hat ihnen das Studium gebracht? Was nicht? Vielleicht ist es aber schwierig, dies nachträglich zu messen.

Sude: Als Beispiel: Die Qualität der Vorlesungen war sicher nicht gut, wenn eine Semesterprüfungsnote im Schnitt 1,5 beträgt. Dann liegt das sicher auch an den Dozierenden.

Wo sehen Sie konkret im Bachelorstudium Multimedia Production (MMP) Qualitäten und Optimierungspotenziale?

Ramirez: Was unseren Studiengang auszeichnet, ist, dass wir zu Generalistinnen und Generalisten ausgebildet werden. Wenn mich jemand fragt, was ich studiere, pflege ich jeweils zu sagen: Von allem ein bisschen, aber nichts richtig. Das ist ein Vorteil, aber auch ein Nachteil. So gibt es Module, von denen ich gerne mehr hätte. Von anderen würde mir auch weniger reichen. Es wäre auch angenehm, wenn man sich zu einem etwas früheren Zeitpunkt stärker spezialisieren könnte. Was mich aber am meisten stört, ist, dass praktisch keine Selektion der Studierenden stattfindet.

Suter: Das hingegen kann ich nachvollziehen. Der Studiengang ist ja noch nicht so alt. Früher hatte die FH Graubünden ein Interesse daran, dass möglichst viele MMP-Absolventinnen und -Absolventen draussen in der Wirtschaft tätig sind und Werbung für MMP machen. Das hat sich nun geändert. Mittlerweile gibt es so viele Anmeldungen, dass man durchaus stärker selektionieren kann.

Kühn: Ich habe nicht das Gefühl, dass die Unterrichtsqualität darunter leidet.

Suter: Ich schon. Zum Teil haben wir recht störende Studierende im Unterricht.

Ramirez: Was ich sehr positiv finde, ist, dass die FH Graubünden sehr eng mit der Wirtschaft kooperiert. Bei den Majors beispielsweise haben wir immer Partner oder Auftraggeber aus der Wirtschaft. Das erhöht die Qualität des Unterrichts, weil man hier die Theorie aus dem Unterricht direkt anwenden kann. Und auch ein Pluspunkt: Es ist immer noch ein Studium – das heisst, ein solches Projekt darf auch mal scheitern, was im Wirtschaftsalltag unmöglich ist.

Kühn: Ein Punkt, der die allgemeine Qualität recht einschränkt: Es hat einige Dozierende aus der Wirtschaft, die fachlich sehr kompetent, aber didaktisch noch zu wenig geschult sind. Ich habe einen sehr grossen Respekt vor ihrem Wissen, aber sie können es nicht «rüberbringen». Da kann ich dann auch nicht von ihnen profitieren.

Was heisst «nicht rüberbringen»?

Suter: Sie können nicht auf die Studierenden eingehen.

Kühn: Um es losgelöst von MMP zu formulieren: Das ist, wie wenn wir den weltbesten Konditor als Dozierenden haben, der aber dann über die Molekularstruktur von Rohrzucker im Unterschied zu normalem Zucker referiert, anstatt uns zu zeigen, wie man die besten Törtchen fabriziert.

Sude: Teilweise verstehen diese Dozierenden dann auch die Fragen der Studierenden nicht, weil sie sich aus ihrer Sicht auf einem sehr banalen Niveau bewegen.

Suter: Oder sie können ihr Wissen nicht herunterbrechen.

Kühn: Ein Kriterium für die Qualifikation als Lehrperson müssten nicht nur die fachlichen Kompetenzen sein, sondern auch die didaktischen Fähigkeiten.

Wie kann man diesen Punkt optimieren?

Kühn: Vielleicht schulen? Aber es muss einem schon auch «gegeben» sein. Ich nehme nicht an, dass die FH Graubünden z. B. drei Jahre Pädagogische Hochschule bezahlt, um aus einem guten Journalisten auch einen kompetenten Dozenten zu machen. Früher gab es doch in der Schule so Inspektoren, die in die Stunden reingesessen sind und kontrolliert haben, ob der Lehrer überhaupt unterrichten kann.

Ramirez: Ich glaube, dass die Modulverantwortlichen gemeinsam mit den Personalverantwortlichen eine stärkere Kontrolle ausüben sollten, damit didaktisch fähigere Dozierende eingestellt werden.

Wie wichtig sind neue Lehrformate wie beispielsweise Blended Learning?

Kühn: Wir haben sehr viel Abwechslung dabei. Das ist schon sehr wichtig. Aber wenn man in den Unterricht kommt und dann mit Lynda lernt, dann kann ich das auch zuhause machen.

Ramirez: Was mir sehr gefällt: In den Interaktiven Medien haben wir Inverted Learning gemacht, d. h. wir haben vor der Vorlesung Videos angeschaut und uns so vorbereitet. Im Unterricht haben wir dann alles kurz repetiert und dann kamen neue Inputs dazu. Mit dieser Methode habe ich sehr viel gelernt in den ersten drei Semestern. So ist bei mir auch viel mehr «hängen geblieben» als in anderen Modulen.

Kühn: Ich würde mir generell wünschen, dass die Inputs seitens der Dozierenden grösser sind. Ich habe schon zu viele Vorlesungen besucht, die mir nicht so viel gebracht haben.

Suter: Im Vergleich zu anderen Hochschulen haben wir wenig Unterricht. Das finde ich sehr gut. Ich hätte aber auch keine Mühe damit, wenn wir häufiger Unterricht hätten. Wir haben einen guten Stundenplan. Aber die Zeit könnte besser genutzt werden. Wir müssen unseren Tagesablauf noch besser planen und strukturieren. Manchmal laufe ich aus dem Unterricht und denke, das hätten wir auch in einem halben Tag machen können. Klar, es ist sehr schwer, wenn man Gruppenarbeiten macht und Feedbacks gibt, diese Zeit exakt zu planen.

Ramirez: Es wäre auch gut, wenn sich gewisse Dozierende noch genauer überlegen würden, was wichtig für uns Studierende ist. Es gibt immer wieder Vorlesungen, wo mir nicht klar ist, wie mir die erlernten Inhalte in der Praxis weiterhelfen.

Kühn: Die Module könnten auch besser aufeinander abgestimmt sein. Den Business Canvas haben wir nun schon in vier verschiedenen Modulen behandelt. Auch das Verfassen von Storyboards habe ich in drei Modulen gelernt. Oder das Kommunikationskonzept. Es wäre effizienter, wenn man auf dem Wissen des vorhergehenden Semesters aufbaut. Manchmal habe ich das Gefühl, dass die Dozierenden zu wenig um den Stoff wissen, den die anderen vermitteln.

Was halten Sie vom Evaluationstool der FH Graubünden, das den Studierenden die Möglichkeit gibt, ihre Inputs zur Qualität direkt abzugeben?

Ramirez: Das Problem ist, dass diese Evaluationen zum falschen Zeitpunkt angesetzt werden, nämlich genau vor den Prüfungen. Dann hat man den Kopf schon voll mit Prüfungsstoff und muss vielleicht noch das eine oder andere Projekt abschliessen.

Sude: Man sollte die Evaluationen im Unterricht, am letzten Tag, machen.

Ramirez: Oder Anreize dafür schaffen, beispielsweise Kinogutscheine verlosen.

Suter: Ich finde diese Evaluationen nützlich. Aber ich frage mich, ob und wie die Dozierenden dieses Feedback annehmen. Ich habe das Gefühl, es gibt Dozentinnen und Dozenten, die diese Ergebnisse nicht wirklich interessieren. Mich würde interessieren, wie viele Dozierende die Resultate wirklich anschauen.

Kühn: Wir hatten auch viele Dozierende, die am Ende einer Vorlesung oder eines Semesters Feedback von ihren Klassen eingeholt haben. Das ist ein Rahmen, der sinnvoll ist. Dann kann man auch miteinander diskutieren.

Sude: Das Evaluationstool ist das einzige Tool, das Qualität quantifizierbar misst und das auch universell bei allen Hochschulen und Unis eingesetzt wird. Da gibt es keinen besseren Weg. Man sollte es einfach zeitlich so legen, dass mehr Studierende es nutzen.

Kühn: Die Studienleitung, also Ruedi Müller, hatte auch immer ein offenes Ohr für unsere Anliegen und hat diese mit uns diskutiert. Das ist sehr positiv und auch nicht an allen Hochschulen so. Andererseits kann man auch nicht jeden Furz der Studierenden umsetzen.

Qualität hat auch mit Infrastruktur zu tun. Wie beurteilen Sie diese an der FH Graubünden?

Sude: Sehr gut. Ich finde die Eduzone mittlerweile sehr cool – für Unterrichtsformen ausserhalb der klassischen Vorlesungen. Unter der Woche ist dies mittlerweile ein Ort des Lehrens und Lernens.

Ramirez: Ja, es entsteht eine gute und motivierende Stimmung, so wie in einem Co-Working Space.

Suter: Finde ich auch.

Kühn: Die Eduzone wird einfach noch immer zu oft falsch genutzt. Frontalunterricht sollte in dafür vorgesehenen Räumlichkeiten stattfinden.

Ramirez: Mit den drei Radiostudios, den Filmschnittplätzen und dem TV-Studio mit der Green Wall sind wir sehr gut ausgerüstet.

Kühn: Ja, genau, darum habe ich mich auch für ein Studium in Chur beworben.

Welche qualitativen Pluspunkte nehmen Sie aus dem MMP-Studium mit in die Berufswelt?

Ramirez: Etwas, das ich hier gelernt habe, ist der Austausch. Ein reger, intensiver Austausch mit Gruppenmitgliedern, Kunden und Auftraggebern.

Suter: Vielseitigkeit, das Beherrschen verschiedener Kanäle – man kann viel einbringen.

Kühn: Vernetzt denken. Dafür ist dieses Studium auch da. Und hier besteht auch noch Optimierungspotenzial, denn die Inhalte und Module sollten noch ein bisschen stärker vernetzt sein.

Sude: Der Perspektivenwechsel. Wir haben so viele multimediale Inhaltsformen erlernt, um Informationen in den verschiedensten Arten und aus verschiedenen Blickwinkeln darzustellen. Das ist eine ganz hervorragende Werkzeugkiste!

Beitrag von

Marius Hagger

Dozent für Medienbetriebswirtschaftslehre, Institut für Multimedia Production (IMP)