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Risikomanagement in den Gemeinden
Risikomanagement in den Gemeinden

Risikomanagement in den Gemeinden

Die Schweiz ist, wie andere Länder auch, von Schadensfällen betroffen, welche die Lebensgrundlagen der Bevölkerung stark gefährden können. Es sind immer die Gemeindebehörden mit ihren Hilfs- und Rettungsorganisationen, die in einem Gefährdungsszenario sofort aktiv werden müssen. Das Konzept «Gemeinde Risikoanalyse, Intervention, Prävention» (GRIP) unterstützt die Gemeinden bei der Erarbeitung eines umfassenden Risikomanagement-Systems. Das Zentrum für Verwaltungsmanagement (ZVM) ist Projektpartner der Gemeinden bei der Umsetzung.

Text: Prof. Dominik Just / Bild: Mike Frei / Graubünden Ferien, FH Graubünden

Die Risiken durch Schadensfälle treten in verschiedenen Lebensbereichen auf und werden durch unterschiedliche Faktoren ausgelöst. Naturbedingte Gefährdungen wie zum Beispiel Steinschlag, Erdrutsche, Lawinen und Waldbrände kommen in unserem Bergkanton ebenso vor wie technik- und gesellschaftsbedingte Gefährdungen. Die Eintrittshäufigkeit und das Schadensausmass variieren je nach Gefährdung sehr stark.

 

Risikokategorien

Man teilt den Gefährdungskatalog grundsätzlich in die drei Bereiche Natur, Technik und Gesellschaft ein (siehe Abbildung 1). Die naturbedingten Risiken können durch das Wetter oder durch geologische Faktoren ausgelöst werden. Technikbedingte Gefährdungen betreffen häufig Probleme in der Energieversorgung (z. B. Strom, Gas, Öl, Benzin), im Transportwesen (z. B. Schiene, Strasse, Luft) oder in der Infrastruktur (z. B. Stauseen, Brücken, Gebäude, AKW). Neben der inhaltlichen Unterteilung der Gefährdung in diese drei Bereiche spielen jedoch auch noch zwei weitere Ebenen bei der Beurteilung der Gefährdung eine Rolle: die Eintrittshäufigkeit und das Schadensausmass. Die häufigsten Ereignisse können dabei über tausendmal häufiger als die seltensten Ereignisse auftreten. Im Bergkanton Graubünden gelten Pandemien beispielsweise als Gefährdungen mit dem höchsten Risiko, da sie häufiger auftreten und eine grosse Bevölkerungszahl betreffen können.

Stausee Zervreila im Winter.

Kantone und Gemeinden in der Pflicht

Auch im Kanton Graubünden ist es immer wieder zu grösseren Schadensereignissen gekommen. Insbesondere die Ereignisse der letzten Jahre – Unwetter im Prättigau (2005), Brand im Viamala-Tunnel (2006), Grippe-Epidemie (2009) sowie Entgleisung der Zugwaggons der Rhätischen Bahn (2014) – sind immer noch präsent. Obwohl der Bund subsidiär mit seinen Mitteln aushilft (Armee, Zivilschutz), ist es primär Aufgabe der Kantone und Gemeinden, die Bevölkerung vor relevanten Gefährdungen zu schützen. Als relevant gelten dabei Gefährdungen, die «massgebliche Teile der Bevölkerung Graubündens und deren Lebensgrundlagen massgeblich und nachhaltig beeinträchtigen oder schädigen» und «die Bündner Partnerorganisationen des Bevölkerungsschutzes im Verbund stark fordern oder teilweise auch überfordern». Bereits im Februar 2013 erteilte die Regierung des Kantons Graubünden deshalb dem Amt für Militär und Zivilschutz den Auftrag, eine kantonale Gefährdungsanalyse aus Sicht des Bevölkerungsschutzes durchzuführen. Das auf den 1. Januar 2016 in Kraft getretene Gesetz über den Bevölkerungsschutz im Kanton Graubünden verpflichtet den Kanton nun, Gefährdungen von erheblicher Tragweite für Graubünden zu analysieren, sowie die Gemeinden, individuelle Risikoanalysen durchzuführen.

 

Gefährdungsanalysen-Modell «GRIP»

Im Frühjahr 2015 wurde das Gefährdungsanalyse-Konzept «Gemeinde Risikoanalyse, Intervention, Prävention» (GRIP) durch den Kanton und die Gebäudeversicherung Graubünden (GVG) erarbeitet und der Öffentlichkeit vorgestellt. Seither wurden in Zusammenarbeit mit dem Amt für Militär und Zivilschutz und dem Amt für Wald und Naturgefahren Risikochecks in sechs Pilotgemeinden durchgeführt und dokumentiert. Die Gemeinden müssen in den nächsten fünf Jahren ihre individuellen Gefährdungsanalysen durchführen und dem Kanton melden.

Das Zentrum für Verwaltungsmanagement (ZVM) war bei der Durchführung der Workshops und der Umsetzung der Gefährdungsanalysen in den Pilotgemeinden dabei und ist seitdem Projektpartner zur Unterstützung der Gemeinden bei ihren Analysen. Der GRIP-Prozess ist in zwei Teile aufgeteilt (siehe Abbildung 2).

Im ersten Teil des GRIP-Prozesses – der qualitativen Risikoanalyse – werden die relevanten Interessengruppen in der Gemeinde anlässlich einer Kick-off -Veranstaltung informiert. Das GRIP-Vorgehen (Projektablauf und Organisation) wird erklärt und das Projektteam wird zusammengestellt. Ziel ist es, sämtliche Funktionärin-nen/Funktionäre, Behördenmitglieder und Fachleute in den Prozess einzubinden und für das Projekt zu motivieren. Vor dem ersten Workshop analysieren die Gemeindevertretung und die Projektteammitglieder individuell die vorhandenen Gefahrengrundlagen (Gefahrenkarten etc.) der Gemeinde und identifizieren mögliche Schadenspotenziale. Dann erstellen die Behörden, Funktionärinnen/Funktionäre und Fachleute im Rahmen eines moderierten Workshops eine Gefahren- und Expositionsanalyse und bewerten die Schadens-potenziale. Ziel ist es, eine qualitativ hochwertige Risikoanalyse aus Sicht der Gemeinde und ihrer Expertinnen/Experten zu erhalten. Der Erfahrungs- und Wissensaustausch spielt in dieser Phase eine zentrale Rolle. Es wird ein erster Entwurf eines Risikoberichts erstellt, gegebenenfalls mit entsprechender Risikokarte. Zu jedem Bereich wird ein sogenanntes Faktenblatt zusammengestellt. In einer intensiven Feedbackrunde wird der Bericht noch einmal kritisch beurteilt und dann schliesslich verabschiedet. Anschliessend werden der Risikobericht und die Faktenblätter der Gemeinde abgegeben und bei Bedarf präsentiert. Das weitere Vorgehen wird gemeinsam durch die Projektleitung und den Gemeindevorstand festgelegt.

Im zweiten Teil des GRIP-Prozesses ist die Gemeinde in der Umsetzung gefordert. Sie muss zuerst, basierend auf der Risikoanalyse, die Schutzziele definieren und entsprechende Massnahmen ableiten. Die möglichen Massnahmen umfassen dabei in der Regel raumplanerische, technische und organisatorische Handlungen. Eine Priorisierung der Massnahmen mit einem zugehörigen Investitions- und Finanzplan soll den Fokus auf die wichtigsten Risiken lenken und diese zuerst abdecken. Das ganze Projekt endet mit der Erstellung eines Sicherheitskonzepts, das in Zukunft wiederum periodisch überprüft werden muss.

Beitrag von

Dominik Just, Prof.

Professor, Fachbereichsleiter für Finanz- und Rechnungswesen, Leiter der Vertiefung Accounting and Finance, Projektleiter, Zentrum für Verwaltungsmanagement (ZVM)