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Forschung ist eine Denkschule
Forschung ist eine Denkschule

Forschung ist eine Denkschule

Jürg Kessler, Rektor der FH Graubünden, zeigt die Bedeutung von Forschung und Nachhaltigkeit auf und auch, wie sich das Studium im heutigen Informationszeitalter im Vergleich zu seiner Studienzeit verändert hat.

Text: Angela Kopp / Bild: Muriel Grau & Larissa Langone

Hinter dem Schreibtisch im Büro von Jürg Kessler hängt eine Collage mit handgeschriebenen Notizen zur Prüfungsvorbereitung im Fach Statistik. «Meine Frau hat sie mir zur Weihnachten geschenkt», erzählt er mit einem Lächeln. Die zu einer Collage verarbeiteten Notizzettel sind ein Andenken an seine Studienzeit an der ETH Zürich. «Das Studium an der ETH war sehr intensiv. Die Leistungsanforderungen waren hoch», sagt Jürg Kessler über seine Ausbildung zum Vermessungsingenieur. Heute geht er noch immer fast täglich an einer Hochschule ein und aus – mittlerweile allerdings als Rektor der FH Graubünden.

Erfahrungen weitergeben

Sein Weg vom Student bis hin zum Leiter einer Hochschule für Technik und Wirtschaft war lang und weist einige Meilensteine auf. «Es ist mir ein Anliegen, meine Erfahrungen, welche ich bei meinen unterschiedlichen Berufsstationen gesammelt habe, weiterzugeben», sagt Kessler auf die Frage nach seiner Motivation, als Rektor zu wirken. Wirklich passend findet er die Bezeichnung jedoch nicht.

 

«Man kann das was ich tue, nicht als Beruf bezeichnen; es ist vielmehr eine Berufung, die ich leben darf. Für mich gibt es keine schönere Aufgabe als mitzuhelfen, jungen Menschen eine Chance zu geben.»

Vor über 30 Jahren gehörte Jürg Kessler selber zu diesen jungen Menschen, welche mit einem Studium die Grundlage für eine möglichst erfolgreiche Karriere legten. «Ich war ein sehr ehrgeiziger Student», erinnert er sich. Ehrgeiz und Lernwille seien auch nötig gewesen, um den hohen Anforderungen gerecht zu werden. Trotzdem sei es ihm immer wichtig gewesen, neben dem Studium genügend Zeit für den Sport und die Freizeit zu haben.

Nach dem Abschluss an der ETH war Jürg Kessler mehrere Jahre lang in einem Schweizer Unternehmen als Entwicklungsingenieur tätig. Als dieses in finanzielle Schwierigkeiten geriet, nahm Kessler das als Anstoss, ein Zweitstudium zu absolvieren und studierte Wirtschaft an der Universität Zürich. «Ich habe gesehen, dass es nicht ausreicht, einfach nur gute Ideen zu haben. Man muss diese auch vvv verkaufen können», sagt Kessler. Die Kombination eines technischen Studienganges mit Wirtschaft erweise sich für ihn heute als Rektor einer Hochschule für Technik und Wirtschaft als wertvolle Kombination.


Nachhaltiges Denken notwendig

Nach dem Wirtschaftsstudium arbeitete Jürg Kessler elf Jahre lang bei der Zürich Versicherung, bevor er in der Geschäftsleitung der Flughafen Zürich AG (Unique) unter anderem als Gesamtprojektleiter beim Ausbau des Flughafens tätig war. Bei diesem Projekt wurden insgesamt CHF 2.1 Milliarden verbaut. Hier kam Kessler erstmals intensiv mit dem Thema Nachhaltigkeit in Berührung. «Umweltschutz und Flughafen passen auf den ersten Blick nicht zusammen», sagt Kessler.

 

«Man kann aber dazu beitragen, die Umweltbelastung und die Belastung der Bevölkerung möglichst gering zu halten.»

Unter seiner Leitung wurde diese Strategie im Baubereich gezielt umgesetzt.

Dieses nachhaltige Denken hat Jürg Kessler auch in seiner Tätigkeit als Rektor der FH Graubünden übernommen. «Nachhaltigkeit ist eine absolut zentrale Forderung, die man umsetzen muss», so Kessler. Seinem Engagement ist es mit zu verdanken, dass die FH Graubünden 2009 als erste Schweizer Hochschule den von den Vereinten Nationen initiierten «Principles for Responsible Management Education» (PRME) beigetreten ist. Die dort verankerten sechs Prinzipien geben Rahmenbedingungen vor für die Konzeption, Implementierung und Weiterentwicklung des Unterrichts mit dem Ziel, die Studierenden zu verantwortungsvoll handelnden Führungskräften auszubilden.

 

«Wir wollen den Studierenden mit auf den Weg geben, dass sie bei jedem relevanten Entscheid immer auch die langfristigen Auswirkungen auf die Gesellschaft, Umwelt und Wirtschaft mit berücksichtigen»

Nach und nach werden die verschiedenen Studienpläne der FH Graubünden diesen Prinzipien entsprechend angepasst. Ziel ist es, ab 2016 in allen Studiengängen einen auf der Initiative der Vereinten Nationen für verantwortungsvolle Ausbildung im Management basierenden Unterricht anzubieten. Damit übernimmt die FH Graubünden in der Schweiz eine Vorreiterrolle. «Unsere Studierenden sollen sich gerade durch dieses nachhaltige und verantwortungsvolle Denken auszeichnen», sagt Jürg Kessler.

Forschungsbereich verstärken

Das Thema Nachhaltigkeit soll künftig auch vermehrt im Bereich Forschung an der FH Graubünden zum Zug kommen. Bereits jetzt sind Forschungsprojekte dazu im Gang. Wie Kessler erklärt, wird derzeit eine Nachhaltigkeitskommission aufgebaut. Diese soll künftig Labels vergeben, welche die Nachhaltigkeit in den einzelnen Forschungsprojekten nachweisen. Ziel ist es, damit die Forschung, welche bereits jetzt ein fester Bestandteil der FH Graubünden ist, weiter zu stärken.

«Die Bedeutung der Forschung nimmt vor allem an den Fachhochschulen ganz klar zu», betont Jürg Kessler, der während seiner Studienzeit an der ETH selbst auch in Forschungsprojekten mitgearbeitet hat. Daraus hat er viele wertvolle Erfahrungen gewonnen, die er jetzt den Studierenden weitergeben will. «Forschung ist auch eine Denkschule. Das analytische Arbeiten und die Methodik der Forschung helfen Studierenden später dabei, komplexe Herausforderungen in ihrem Berufsleben zu meistern», so Kessler.

Die Forschung an Hochschulen hat sich im Vergleich zu Kesslers Studienzeit stark weiterentwickelt. Verbessert hätten sich vor allem die Methoden zur Auswertung, sagt Kessler. Dies wertet er als grossen Vorteil für die heutigen Studierenden. Hinzu komme, dass die Informationsbeschaffung jetzt viel einfacher sei. «Ich musste früher bei der Recherche in den Bibliotheken noch Karteikästen durchforsten. Heute nutzen die Studierenden überwiegend das Internet und Datenbanken», sagt Kessler. Gleichzeitig mahnt er aber zur Vorsicht. Denn gerade bei der heutigen Informationsflut sei es besonders wichtig, den Überblick zu behalten. Die Studierenden müssten lernen, mit einer Vielzahl an Quellen umzugehen.

Highlights als Rektor

Nachhaltiges Denken und Handeln, die Methodik der Forschung und das Verhalten im heutigen Informationszeitalter – das und vieles mehr gibt Jürg Kessler als Rektor der FH Graubünden den Studierenden täglich mit viel Engagement und Motivation mit auf den Weg. Als Dozent für Unternehmensführung hält er auch selber Vorlesungen und schätzt dabei den engen Kontakt zu den Studentinnen und Studenten.

Bei der Begrüssung zu Beginn eines neuen Studienjahres in erwartungsvolle Gesichter zu blicken und zu wissen, diese Menschen zusammen mit allen Kolleginnen und Kollegen als Coach auf ihrem Weg ein Stück zu begleiten, seien spezielle Momente, sagt Kessler. Noch mehr freut er sich jeweils, wenn er diesen Studierenden später ihren Titel überreichen darf.

 

«Das ist für mich immer ein Höhepunkt und sehr emotional. Ich bin dann immer nervös, weil ich mir wünsche, dass alles gut abläuft. Schliesslich ist das eine wichtige Wertschätzung den Studierenden gegenüber»

Chur als Hochschulzentrum

Seit mittlerweile elf Jahren amtet Jürg Kessler als Rektor der FH Graubünden. Es ist eine Herzensangelegenheit, auch weil er und seine Frau aus dem Kanton Graubünden stammen. Jürg Kessler weiss genau, welche Ziele er für «seine» Hochschule anstrebt: «Mir ist wichtig, die FH Graubünden in der Region weiter zu verankern. In Graubünden soll man erkennen, dass Hochschulbildung und Forschung wichtige Import- und Exportgüter für den Kanton sind.» Ein Hochschulzentrum mit Chur als Studierendenstadt wie es beispielsweise in Fribourg der Fall ist, ist eines von Kesslers Zielen. «Graubünden soll nicht nur als Ferien- sondern auch als Hochschulbildungs- und Forschungskanton bekannt sein», so Kessler.

Für seine Studierenden will Jürg Kessler auch weiterhin zusammen mit dem FH Graubünden-Team Förderer und Ansprechperson sein. Sie sollen möglichst viel von seinem grossen Erfahrungsschatz profitieren können. «Wir wollen unseren Studierenden nebst Fachwissen auch das Umgehen mit unternehmerischen Fragestellungen mit auf den Weg geben und sie damit zu kompetenten Fachkräften und Führungspersonen ausbilden», sagt der Rektor. Mit diesen Zielen vor Augen wird Jürg Kessler die FH Graubünden weiterhin engagiert und ambitioniert vorantreiben.

 

Jürg Kessler
«Jedes Gespräch mit Studierenden bringt mich persönlich weiter»
Prof. Jürg Kessler, Rektor FH Graubünden

Jürg Kessler, wie nehmen Sie die Studierenden an der FH Graubünden wahr?
Ich erlebe unsere Studierenden als sehr aufgeweckt und dynamisch. Gleichzeitig sind sie aber auch kritisch hinterfragend. Das gefällt mir sehr gut.

In welchen Situationen sind Sie mit Studierenden in Kontakt?
Nebst den Begegnungen innerhalb der Hochschule werde ich immer wieder zu Veranstaltungen von Studierenden eingeladen. Wenn immer möglich, nehme ich diese Gelegenheiten wahr, die Kontakte zu pflegen. Ich freue mich auch stets, wenn ich in der Stadt auf Studierende treffe und Sie mich mit Namen begrüssen. Es ist für mich ein schönes Zeichen, dass ich nicht einfach als Rektor, sondern auch als Mensch wahrgenommen werde.

Was ist für die Studierenden an der FH Graubünden anders als an anderen Hochschulen?
Da die FH Graubünden kleiner als andere Hochschulen ist, stehen unsere Studierenden viel enger in Kontakt mit den Dozierenden. So kommt es zu einem intensiven Austausch, von dem alle profitieren können.

Was können die Studierenden von Ihnen lernen?
Ich kann sicher mit vielen wertvollen Erfahrungen dienen. Diese möchte ich den Studierenden mit auf den Weg geben. Ich sage nicht, dass meine Meinung die richtige ist, aber ich offeriere sie gerne als Beispiel für eine mögliche Lösung.

Was lernen Sie von den Studierenden?
Jedes Gespräch mit Studierenden bringt mich auch persönlich weiter. Ich schätze die Möglichkeit, durch Diskussionen mit Studentinnen oder Studenten meine Meinung zu hinterfragen und andere Blickwinkel kennen zu lernen.

Was macht für Sie einen optimalen Student oder eine optimale Studentin aus?
Jeder Student beziehungsweise jede Studentin ist eine Persönlichkeit für sich, daher kann ich diese Frage nicht beantworten. Unser Ziel ist es, auf die Individualität jedes oder jeder Einzelnen einzugehen und die Studierenden so zu fördern.

Welchen Ratschlag geben Sie den Studierenden mit auf den Weg?
Ein Studium ist eine wunderbare Möglichkeit, ein Netzwerk fürs Leben aufzubauen. Die Studienzeit ist eine Zeit, in der man sich selber Schwerpunkte setzen und Fähigkeiten aneignen kann. Ausserdem kann man Fehler machen, ohne grosse Konsequenzen befürchten zu müssen. Diese Zeit sollten die Studierenden aktiv nutzen, um weiterzukommen. Man darf und soll ruhig auch mal etwas Neues und «Freches» ausprobieren.

Beitrag von

Angela Kopp

Studentin Bachelorstudium Multimedia Production