Den Stall neu beleben
Die ehemaligen Bauerndörfer im Alpenraum haben sich zu Dienstleistungsund Tourismusorten gewandelt. Zum Schutz des Dorfbildes hat das Institut für Bauen im alpinen Raum IBAR mit ihren Studierenden Umnutzungsmodule für den Erhalt schützenswerter Architektur entwickelt.
Text: Robert Albertin, Sandra Bühler, Christian Wagner / Bild: Muriel Grau & Larissa Langone / Grafik: Kenny Stadelmann
Die meisten Dörfer im Alpenraum haben im Laufe des 20. Jahrhunderts einen fundamentalen Wandel durchlebt: Ihre jahrhundertealte Funktion als Bauerndörfer haben sie in den allermeisten Fällen aufgegeben und sich zu modernen Dienstleistungs- und Tourismusorten gewandelt. Geblieben sind oft wertvolle architektonische Zeitzeugen, allen voran zahlreiche idyllische Ställe, die einerseits verstreut in der Landschaft stehen, häufig aber auch mitten in alten Dorfkernen prägnante Positionen einnehmen. Viele mittlerweile touristisch ausgerichtete Gemeinden stützen sich stark auf dieses historische Dorfbild ab.
Um bei der sich wiederholenden Problematik leerstehender Ställe nicht in jedem Einzelfall neu beginnen zu müssen, soll nach dem Prinzip «Haus im Haus» eine modulartig aufgebaute Nutzungseinheit erarbeitet werden. Ziel ist die Entwicklung eines anwendungsorientierten Bausatzes, durch den bestehende Ställe unter Einsatz eines möglichst geringen finanziellen und zeitlichen Aufwandes und nach neuesten energetischen und haustechnischen Bedingungen um- und weitergenutzt werden können. Die Einzelteile sollen so einfach montierbar sein, dass sie auch von ungeschultem Personal entsprechend der bautechnischen Anforderungen aufgebaut werden können. So soll ohne wesentliche gestalterische Eingriffe in die Bausubstanz eine reversible Neunutzung eines Stalles ermöglicht werden. Mit diesem Prinzip kann innerhalb der bestehenden Infrastruktur neuer Wohn- und Arbeitsraum geschaffen werden, ohne Mehrkosten für Neuerschliessungen durch die Gemeinde zu generieren.
Einsatz von Studierenden
Erste Machbarkeitsstudien als Grundlage für das Forschungsprojekt sind im Frühjahrsemester 2013 von Studierenden aus dem Studiengang Bau und Gestaltung bis in die Detailtiefe im Massstab 1:1 entwickelt worden. Mit der Unterstützung des Wirtschaftspartners Holz Untersander konnten die Studierenden ihre Überlegungen in realitätsgrossen Studien im Hinblick auf die konstruktiven Fügungstechniken und den materialgerechten Umgang überprüfen. Die Begleitung der Studierenden durch Dozierende des Projektteams ermöglichte einen intensiven und umfassenden Einstieg in die Forschungsarbeit und verdeutlichte die zu erwartenden Hürden und Forschungsschwerpunkte.
Im Rahmen einer departementsübergreifenden interdisziplinären Zusammenarbeit begleiteten Studierende aus dem Studiengang Multimedia Production die Entwicklung dieser Studien filmisch. Die entstandene Dokumentation zeigt verschiedene Bausatzsysteme, die Stolpersteine bei der Entwicklung dieser Module und das studentische Arbeiten im Atelier der FH Graubünden. Zusätzlich wurden verschiedene Expertinnen und Experten befragt und die kontroverse Diskussion der Umnutzung von Ställen als wichtige Zeitzeugen dargestellt.
Weg zum marktreifen Bausatz
Aufbauend auf diese Machbarkeitsstudien wurden verschiedene Modulsysteme mit Umsetzungspotential evaluiert und auf zwei machbare Lösungsansätze reduziert. Derzeit wird ein Antrag an die Kommission für Technologie und Innovation (KTI) zur Finanzierung formuliert, um eine weiterführende Finanzierung mit den Projektpartnern und involvierten Institutionen zu sichern. Im weiteren Verlauf wird aus den vorhandenen Studien ein Modulsystem entwickelt. Dieses wird anhand von realitätsgrossen Modellversuchen optimiert und mit der Erstellung eines realen Gebäudes als Prototyp überprüft. Ergänzt mit Optimierungen und Anpassungen wird das Bausatzsystem serienreif auf den Markt gestellt.
Forschungsprojekt (KTI)
Projektteam:
IBAR: Christian Wagner, Robert Albertin, Sandra Bühler, Susanne Caviezel
IMP: Jürgen Müller
Projektpartner: Holz Untersander, Immobilienfirmen, diverse kantonale Ämter u.a. Amt für Raumentwicklung Graubünden
Beitrag von
Professor für Architektur, Institut für Bauen im alpinen Raum (IBAR)